Land unter hieß es in ganz Kirchheim am 11. Juni 2018. Foto: 7aktuell.de/Florian Beck

Beim Versuch, die von den Fluten am 11. Juni betroffenen Haushalte in Ötlingen über den Hochwasserschutz zu informieren, hat die Kirchheimer Stadtverwaltung beinahe Schiffbruch erlitten.

Kirchheim - Am 11. Juni des vergangenen Jahres war, nach einem heftigen einstündigen Gewitterguss, eine wahre Flutwelle von Wasser, Schlamm und Morast über die Anwesen im Steingrubenweg im Kirchheimer Teilort Ötlingen hereingebrochen. Sieben Monate, nachdem den Anwohnern das Wasser dort und in anderen Ortsteilen buchstäblich bis zum Hals gestanden hatte, mussten sich die Kirchheimer Stadtoberen nun vor Ort den Wogen der Empörung entgegenstemmen.

Dabei war die Expertenrunde, angeführt von dem Kirchheimer Baubürgermeister Günter Riemer, am Donnerstag eigentlich mit der Absicht in das Ötlinger Rathaus gekommen, die Wogen zu glätten. Das didaktisch auf dem Dreiklang von Ursache, Wirkung und Lösung aufgebaute Unterfangen wurde von den Emotionen einiger weniger Wortführer unter den 30 Besuchern gleich zu Beginn unterspült.

„Wir wollen wissen, wie die Stadt uns vor Hochwasser schützt“

Kaum hatte Joachim Wald, der Geschäftsführer der auf Wasserbau spezialisierten Ingenieursgesellschaft Wald + Corbe, begonnen, die Gründe für den Wassereinbruch zu erläutern, da wurde er von dem barschen Zwischenruf „Wir wollen nicht wissen, wie Hochwasser entsteht. Wir wollen wissen, wie die Stadt uns davor schützt“ unterbrochen. Der Graben zwischen der kühlen Analyse der Planer und der hitzköpfiger Betroffenheit der Anwohner sollte erst im Verlauf des dreistündigen Abends mühsam geschlossen werden.

Immerhin konnte der Ötlinger Ortsvorsteher Hermann Kik, der den städtischen Abgesandten auf dem Podium als Feuerwehrmann im doppelten Wortsinn zur Seite gestanden hatte, am Ende der Informationsveranstaltung „Starkregenereignis – Erkenntnisse, Maßnahmen und Vorsorge“ mit viel gutem Willen ein positives Fazit ziehen. „Nachdem sich die Wogen geglättet hatten, ist es in der letzten Viertelstunde doch noch zu konstruktiven Gesprächen gekommen“, sagte er – über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus, der da laute: „Wenn man in der Ehe nicht streitet, erfährt man auch nichts voneinander.“

Im Einzelfall bis zu 50 000 Euro Schaden

Die städtischen Abgesandten haben in dem Ehestreit erfahren, dass das Wasser bis zu 1,80 Meter hoch in den Häusern gestanden habe, dass vier oder fünf Autos sogar in den Einfahrten „abgesoffen“ seien, dass Gärten verwüstet, Estrich aufgequollen und die Fluten im Einzelfall bis zu 50 000 Euro Schaden angerichtet hätten. Die Betroffenen haben erfahren, dass 30 Prozent des 1,6 Kilometer großen Einzugsgebiets, auf das der Regen geprasselt war, versiegelt seien. Dass ein starkes Gefälle und die Maisfelder auf der Höhe die Erosion verstärkt hätten, dass ein Ablaufgitter im Duppiggraben verstopft gewesen sei und dass es sich wissenschaftlich gesehen um eine Konstellation gehandelt habe, die statistisch nur alle 1000 Jahre vorkomme.

„Das hätte jedes System, das den gesetzlichen Bestimmungen gemäß lediglich auf ein hundertjähriges Hochwasser ausgelegt werden muss, überfordert“, sagte Wald. Auch wenn es grundsätzlich kein Anrecht auf Hochwasserschutz durch die Stadt gebe, nehme die Stadt Kirchheim viel Geld in die Hand, um die Ötlinger nicht im Regen stehen zu lassen. So sei derzeit eine Starkregengefahrenkarte für den Einzugsbereich des Duppiggrabens in Arbeit, um für den Fall der Fälle schnell auf eine mögliche Gefährdung für Haus und Hof in Ötlingen reagieren zu können.

Gefährdungsanalyse hilft nicht über den Verlust des Fotoalbums hinweg

Die entscheidende Frage aber wird wohl erst in weiteren 1000 Jahren geklärt werden: Was hilft eine hydraulische Gefährdungsanalyse, wenn die Briefmarkensammlung und das Fotoalbum den Bach runtergehen?