Großer Andrang bei Ballett im Park Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Ballett im Park ist eine Erfolgsgeschichte – am Wochenende wurde sie mit zwei Open-Air-Veranstaltungen fortgesetzt. Kunstgenuss im Freien gab es am Freitagabend auch in der Wilhelma.

Stuttgart - Eine lange Reihe von Tänzerinnen bewegt sich vor leuchtend blauem Bühnenprospekt eine Schräge hinab. Elegant meistern sie das Gefälle: eine Prozession im weißen Tutu. Der Auftakt zum „Königreich der Schatten“, dem zweiten Akt aus „La Bayadère“ zählt zu den eindrucksvollsten Momenten von Ballett im Park 2019. Mehr als 5000 Zuschauer erleben am Samstagabend vor dem Opernhaus mit, wie sich der indische Krieger Solor in einer Zwischenwelt auf die Suche nach seiner verstorbenen Geliebten macht. Dass der Komponist die Reise ins Totenreich mit Walzerklängen unterlegt, erstaunt ein wenig. Vielleicht ist es dem Opiumkonsum des Protagonisten zuzuschreiben.

Kunstgenuss in Picknickatmosphäre

Der bärtige Herr, der Pfeife rauchend am Eckensee sitzt und auf das Geschehen auf der Leinwand blickt, begnügt sich mit gängigem Tabak. Auch die Wurst- und Käsewürfel, Kirschen, Kekse, Melonenstücke und Chips, mit denen es sich die Gäste des dreistündigen Ballettabends auf dem Rasen wohl sein lassen, sind halluzinogenfrei. Für das Abdriften in eine andere Welt sorgen allein die Choreografien, die unter dem Titel „Shades Of White“ im Großen Haus getanzt werden. Während die Ticketpreise für den Saal zwischen acht und 115 Euro liegen, ist der Kunstgenuss im Oberen Schlossgarten kostenlos. Für Jan (29) gibt es noch andere Gründe, die Übertragung ins Grüne zu bevorzugen: „Ich fühle mich hier einfach wohler“, erklärt der Student. Er bevorzugt den Kunstgenuss in Picknickatmosphäre in kurzen Hosen. Wie Tausende andere Zuschauer auch. Die Wiese am Eckensee fasst 5000 Besucher; mehr dürfen aus Sicherheitsgründen nicht drauf. Wer es nicht rechtzeitig schafft, sucht sich ein Plätzchen außerhalb der Absperrungen, wo sich weitere Hunderte Ballettfans niederlassen; so viele wie wohl noch nie. Elf Kameras fangen die Tänzer aus den verschiedensten Blickwinkeln ein. Großartig sind die Aufsichten von oben aber auch die Nahaufnahmen aus dem Orchestergraben. Im Rund verteilte Boxentürme transportieren den Klang nuanciert zwischen Platanen und Kastanien.

Staatsorchester feiert Premiere in der Wilhelma

Zusammengehalten wird der dreiteilige Abend von Moderatorin Sonia Santiago. Die ehemalige Erste Solistin vermittelt Fachwissen und sorgt in den Pausen für beste Unterhaltung, etwa wenn sie das Publikum dazu bringt Ballett-Grundstellungen auszuprobieren. „Das ist ja wieder ein ganz schöner Aufwand, der hier betrieben wird“, bemerkt ein Ballettgenießer im fortgeschrittenen Alter. Er komme seit Jahren zur Abschlussveranstaltung der Ballettsaison, verrät er. Für Sabrina (19) ist der Abend dagegen eine Premiere: „Eigentlich bin ich nicht so für klassischen Tanz zu haben.“ Die Aufführung findet sie als Gesamterlebnis aber sehr gelungen.

Krönender Abschluss ist der Auftritt der begeistert gefeierten Ballett-Kompagnie auf dem Balkon des Opernhauses, von wo aus Intendant Tamas Detrich dem Publikum für den 25. Juli 2020 das nächste Ballett im Park verspricht: „Dann gibt’s Dornröschen.“ Eine Fortsetzung fand der Kunstgenuss im Grünen bereits am Sonntagvormittag mit dem Auftritt des Ballettnachwuchses der John-Cranko-Schule .

Hochkultur unter freiem Himmel stieß auch schon am Freitagabend auf große Resonanz. Zur Premiere des Staatsorchesters in der Wilhelma strömten ebenfalls Tausende Besucher. Das Orchester hatte zum Abschluss der Konzert- und Opernsaison zu einem sommerlichen Konzertabend geladen. Im Maurischen Garten, auf der Ginkgowiese und vor der Damaszenerhalle führte das Orchester, unterstützt vom Staatsopernchor, seine große musikalische Bandbreite vor. Für Kinder gab es ein „Sitzkissenkonzert“. Gespielt wurde der „Karneval der Tiere“.