Seiltänzer und Gaukler verzauberten das Publikum. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Historische Volksfest soll auch künftig stattfinden. Und zwar auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Dies ist die richtige Entscheidung, findet unser Redakteur Frank Rothfuß.

Stuttgart - Das Staunen höret nimmer auf. Bestens vernetzt sind wir, können Neues im Sekundentakt erfahren. In unseren Handys haben wir alle Wunder der Welt greifbar. Wer interessiert sich da noch für einen Historischen Rummel mit alten Fahrgeschäften und Gauklern, Seiltänzern und Flohzirkus? Ist das nicht verzopft und altbacken? Offenbar nicht. Eine halbe Million Menschen kamen auf den Schlossplatz – weil sie es lieben, zum Staunen und Wundern gebracht zu werden; weil sie gespürt haben, dass dieses Fest zu dieser Stadt passt.

Besucher interessiert an ihrer Heimat

Vieles wird uns als authentisch angedreht, es ist die Verkaufsmasche unserer Zeit. Echt und wahrhaftig ist davon das allerwenigste. Auch das Historische Volksfest ist eine Inszenierung, logischerweise. Doch dieses Fest hat die Menschen berührt, weil sie gemerkt haben, dass es auch mit ihnen zu tun hat. Natürlich haben sich die Besucher amüsiert, sind Karussell gefahren, haben Bier getrunken, Magenbrot gegessen und in Erinnerungen an die Jugend geschwelgt. Aber erstaunlich viele waren auch in den Ausstellungen der Uni Hohenheim und der Schausteller, um etwas über ihre Heimat zu erfahren, ihre Wurzeln zu erkunden. Denn dieses Fest erzählt auch davon, wie dieses Land und diese Stadt von einem der Armenhäuser Europas zu einer der wohlhabendsten Regionen der Erde wurde, wie aus einem von Hunger und Seuchen geplagten Agrarstaat ein Industrieland entstand.

Die Kulisse ist wichtig

Diese Geschichte lässt sich nur am historischen Ort erzählen, da beginnt die Kulisse zu leben. Da ist der Balkon des Neuen Schlosses, von dem König Wilhelm I. die Gründung des Volksfestes verkündete. Da steht man vor der Säule auf dem Schlossplatz und lernt, es ist eben keine Siegessäule, die man zur Feier eines blutigen Krieges errichtete. Nein, die Bürger stifteten sie zum 25. Kronjubiläums Wilhelms. Das Fest gehört zweifelsfrei ins Herz der Stadt. Daraus erwächst die Pflicht, es zu pflegen und zu hegen. Es ist nicht dafür da, den Schlossplatz mit Buden zuzupflastern, um möglichst viel Geld zu verdienen. Man muss achtsam mit dem Fest umgehen, denn es hört sich so einfach an, ist aber eines der schwierigsten Kunststücke, die es gibt: die Menschen zum Staunen zu bringen.

frank.rothfuss-jenewein@stzn.de