1963 sah das einst herrschaftliche Wohnhaus Jakob Briems nicht mehr attraktiv aus. Aktuell wird die Fassade des Hauses erneuert. Foto: Stadtarchiv Filderstadt

In Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen stehen Gebäude und Häuser, die einst einen völlig anderen Nutzen hatten als heute. Einige dieser steinernen und stummen Zeugen der Geschichte stellen wir in einer Serie vor. Heute: Das Briem’sche Haus in Bernhausen.

Bernhausen - Die Geschichte des Briem’schen Hauses an der Aicher Straße 16 beginnt vor mehr als 170 Jahren. Erbaut wurde das für damalige Verhältnisse eher untypische, herrschaftliche Gebäude im Jahr 1843. Ursprünglich sollte dort eigentlich eine Brauerei entstehen. Davon zeugen heute noch die beiden gut erhaltenen Gewölbekeller. Die Brauerei-Pläne wurden jedoch wieder verworfen. Nach seiner Vermählung mit Barbara Müller erwarb Jakob Briem schließlich 1856 das Gebäude und nutzte es für sich und seine Familie als Wohnhaus. 13 Kinder wuchsen in dem Haus auf. Zudem pflegte das Ehepaar in dem Haus zeitweise den psychisch erkrankten Sohn von Hermann Nördlinger, der ein enger Freund Briems war.

Nach Jakob Briems Tod gründete der Sohn Hermann Briem 1895 in einem Nebengebäude des Wohnhauses die erste Sauerkrautfabrik in Filderstadt, die bis 1975 bestand. Ebenfalls 1895 begann im Hinterhaus die Frottierweberei Jope aus Tübingen-Lustnau als erster Industriebetrieb Bernhausens. Der Betrieb musste zu Kriegsbeginn 1914 schließen. Von 1919 bis 1932 betrieb außerdem die Stuttgarter Textilfirma Paul Kübler im Hinterhaus ein Zweigwerk. Am selben Standort begann auch die Gründung des Omnibusunternehmens Briem. Anfangs wurden die Briem’schen Lastwagen ausschließlich für den Vertrieb der Krautfässer genutzt. Seit Mitte der 1920er Jahre wurden die Fahrzeuge dann auch verstärkt für den Personenverkehr eingesetzt. Dafür schraubten die Fahrer einfach Bänke auf die Ladepritsche. Im Jahr 1926 startete dann der Arbeiterverkehr. Später kaufte die Firma für den Personenverkehr richtige Busse mit gepolsterten Sitzen, um die Menschen zu befördern.

„Am liebsten wäre ich gleich wieder rausgerannt“

Das Omnibusunternehmen gibt es heute noch. Geführt wird es von Hermann Briem, ein Urenkel Jakob Briems. Wohnhaus, Hinterhaus und Scheuer mussten zwischenzeitlich aus finanziellen Gründen an einen neuen Eigentümer verkauft werden. Der gesamte Komplex wurde in diesen Jahren derart vernachlässigt, dass ein Abriss kurz bevorstand. Vor zehn Jahren hat Hermann Briem das Wohnhaus seines Urgroßvaters Jakob samt Hinterhaus und Scheuer gekauft. Briem erinnert sich: „Als ich das Haus und die Scheuer zum ersten Mal betreten habe, wäre ich am liebsten gleich wieder rausgerannt.“

In den heruntergekommenen Räumen hatten sich neben Mietnomaden und Obdachlosen auch Marder, Ratten, Ungeziefer und Fledermäuse niedergelassen. „Das Haus meines Urgroßvaters war in einem desaströsen Zustand, es sah innen und außen einfach nur scheußlich aus“, berichtet Hermann Briem. Trotz des katastrophalen Zustandes entschied sich Briem, das Andenken an seinen Urgroßvater zu bewahren. In unermüdlicher Eigenarbeit entrümpelte der 60-Jährige das Haus und die Scheuer. „In den ersten Jahren war ich nur mit Aufräumen beschäftigt“, sagt er. Alleine in der Scheuer seien 40 Container mit Sondermüll zusammengekommen.

Plakette soll auf die Historie des Hauses hinweisen

Das verwahrloste Wohnhaus ließ er Schritt für Schritt generalsanieren. Das Dach wurde neu eingedeckt, Elektrik und Kanalisation ausgetauscht, Sanitäranlagen modernisiert und neue Fenster eingebaut. Aktuell wird die Fassade des Hauses gerichtet, der einstige Sandsteinsockel herausgearbeitet und das Dachgeschoss zu einer Maisonette-Wohnung ausgebaut. Vier Mietwohnungen sind so im Laufe der Zeit entstanden. Im Erdgeschoss befindet sich eine kleine Nähstube. Die Scheuer, in der einst Sauerkraut verarbeitet wurde, teilen sich Handwerker und Mechaniker. Hermann Briem hat noch viele weitere Ideen, um das urgroßväterliche Anwesen in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

Als Nächstes möchte er den großzügigen Innenhof begrünen und eventuell einen kleinen Brunnen einbauen lassen. Die Gewölbekeller könnten verpachtet werden. „Dort könnte eine kleine Wirtschaft vielleicht Weinproben anbieten“, erklärt Briem. Die Stadt begrüßt das Engagement Hermann Briems: Das Gelände befindet sich im Ortskernsanierungsgebiet. „Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung ist hervorragend“, sagt Briem, der sämtliche Ersparnisse in die Renovierung des Hauses gesteckt hat. Lob für die Privatinitiative gibt es auch vom Filderstädter Stadtarchivar Nikolaus Back. „Mit seiner Initiative hilft Hermann Briem, die Bernhäuser Ortsgeschichte zu bewahren“, so Back. Demnächst soll eine Plakette am Briem’schen Haus auf die wechselvolle Geschichte des Gebäudes hinweisen.