Im historischen Ortskern von Sillenbuch gibt es sie noch: Fachwerkhäuser und andere altehrwürdige Gebäude. Foto: Caroline Holowiecki

Die Stadtverwaltung arbeitet aktuell mit einem Gutachterbüro eine neue Erhaltungssatzung für den historischen Ortskern aus. Sie soll vor Abrissen und Wildwuchs schützen.

Sillenbuch - Manchmal kann man gar nicht so schnell gucken und – zack! – ist ein altes Haus verschwunden. Nachverdichtung heißt das Zauberwort in einer Stadt wie Stuttgart, in der der Wohnungsdruck massiv ist. Für alteingesessene Anwohner ist der Verlust der charakteristischen Gebäude schmerzhaft. Der Verwaltung sind allerdings oft die Hände gebunden. Um prägende, heimat- und städtebaugeschichtlich interessante Häuser, die nicht unter Denkmalschutz stehen, dauerhaft zu sichern, gibt es das Instrument der Erhaltungssatzung. Wo sie vorliegt, benötigen Eigentümer eine besondere Genehmigung, wenn sie eine Immobilie umbauen oder abreißen möchten. Auch Neubauten müssen sich an gestalterische Vorgaben halten.

Alt-Sillenbuch hat eine derartige Satzung bereits, aber sie ist veraltet und geht der Verwaltung auch nicht weit genug. „Der Druck auf bestimmte Bereiche wächst“, sagte Susanne Frucht von der Abteilung städtebauliche Planung Filder in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats. „Wir wollen keine Willkür walten lassen“, deswegen wird aktuell daran gearbeitet, die alte Erhaltungssatzung von 1988 fortzuschreiben und zu konkretisieren. Das Landesdenkmalamt unterstützt das. „In einer globalen Welt wird lokale Geschichte wichtiger“, sagte Susanne Frucht. Sie sprach von einem Kulturgut.

Zu dem geschützten Gebiet gehören die Schule und die Schmiede

Die Verwaltung hat die Experten des Gutachterbüros Urba ins Boot geholt. Die haben das „Straßendorf am steilen Hang“ unter die Lupe genommen, wie die freie Architektin und Stadtplanerin Christine Keinath erklärte. Was vor Ort auffalle: die Verwendung von Natursteinen an Fassaden, Stützmauern oder in Gärten, die vielen Außentreppen an den Häusern oder die prägnanten Dachformen. „Zur Ortsstruktur gehören auch die Wegle zu den Gärten oder Äckern“, erklärte Christine Keinath. Sie und ihr Kollege Peter Dietl haben Häuser ausgemacht, die im Gebiet, das die Erhaltungssatzung definiert, als besonders schützenswert gelten sollen. Dort sollen noch mal schärfere Bestimmungen gelten.

Als südlicher Eingang ins alte Dorf mit seiner vorindustriellen Ortsstruktur wurden die Gebäude Tuttlinger Straße 57 und 59 definiert. Prägend für den Straßenzug seien auch die Nummern 73, 90 – das erste Schulgebäude in Sillenbuch –, das einstige Gasthaus Schwanen mit der Nummer 96, die alte Schmiede mit der 102 sowie das Gebäude Tuttlinger Straße 105. Laut der Gutachter markiert das Haus mit der Adresse In der Werre 1 den nördlichen Eingang ins Dorf. „Das ist ein in sich homogener Bereich“, so Peter Dietl. Zwar lägen auch außerhalb erhaltenswerte Gebäude, doch in weiteren Gebieten sei eine Erhaltungssatzung wegen der fehlenden Bausubstanz nicht gerechtfertigt.

Das Verfahren kann später auf ganz Stuttgart übertragen werden

Der Bezirksbeirat begrüßt die Bemühungen, denn „wenn man nichts tut, wird sich Sillenbuch ganz eigenartig weiterentwickeln“, sagte etwa Ulrich Storz (SPD). Noch ist es aber ein weiter Weg. Anhand von fünf städtebaulichen Gesamtanlagen – dazu gehört auf der Filderebene neben Alt-Sillenbuch auch Alt-Birkach, wo die Inaugenscheinnahme gerade begonnen hat – wird im Rathaus ein Musterverfahren entwickelt, das später auf ganz Stuttgart angewendet werden kann. In Alt-Sillenbuch ist die Ortsbildanalyse jetzt fertig, in einem zweiten Schritt müssen aber nun sämtliche baurechtliche Fragen geklärt werden. Dazu gehören auch Infos über Fördermöglichkeiten oder Gestaltungsvorgaben für künftige An- und Umbauten. Parallel dazu wurden Gelder für 18 weitere Analysen im gesamten Stadtgebiet beantragt.