Das Alpenhotel in Tiefenbach bei Oberstdorf: Jeden Tag wartet auch auf die Mitarbeiter eine neue Überraschung. Foto: Alpenhotel

Wie geht es eigentlich in der Küche eines Hotels zu? Und worum kümmert sich der Geschäftsführer die meiste Zeit? Wir durften mal in die Räume schauen, die sonst nur fürs Personal zugänglich sind.

Oberstdorf - Überraschungsqualität. Ein Hotel brauche auch eine gewisse Überraschungsqualität, sagt Sebastian Ader. Der 40-Jährige ist Geschäftsführer und Mitinhaber des Vier-Sterne-Plus-Alpenhotels, fünf Kilometer von Oberstdorf entfernt im Ortsteil Tiefenbach gelegen. Ein Leckerli auf dem Kopfkissen, eine kleine Eiskugel zum Espresso – oder über Nacht gesäuberte Autoscheiben der Gäste. Das sei Überraschungsqualität, sagt Ader, der einen Blick hinter die Kulissen eines solchen Hotels gestattet.

Die Spülmaschine streikt

Um 6 Uhr morgens geht es los. Alles noch dunkel, über Nacht hat es endlich geschneit. Der Berg ruft, allerdings ist es ein Berg schmutziger Teller. Peggy steht in der Hotelküche und schimpft vor sich hin. Eine Kollegin von der Abendschicht hat einen Zettel hinterlassen, demzufolge die Spülmaschine den Geist aufgegeben hat. Und in anderthalb Stunden öffnet der Frühstücksraum. 170 Gäste wollen Brötchen und Ei und nichts davon wissen, dass sich in der Küche das Geschirr stapelt.

Kein Tag ist wie der andere

Überraschungsqualität hat so ein Ferienhotel auf jeden Fall – auch für die Mitarbeiter. „Da ist kein Tag wie der andere“, sagt Geschäftsführer Ader. Mitarbeiter fallen aus, die Technik streikt, Gäste haben Sonderwünsche – jeden Tag muss improvisiert werden. Und die Gäste sollen von all den Problemen möglichst nichts merken.

Peggy ruft den Hausmeister, das Mädchen für alles. Der kann die Spülmaschine aber nicht reparieren. Außerdem muss er draußen mit der Schneefräse die Wege räumen – für die Gäste, aber auch für die Zulieferer. Er werde einen Techniker anrufen, sagt er Peggy, die keine Zeit hat, sich auch noch um das dreckige Geschirr zu kümmern. Sie muss die vorbereiteten Frühstücksplatten aus den Kühlräumen in den Speisesaal tragen, Kaffee kochen und so weiter. Erst in einer Stunde kommen weitere Mitarbeiter, die ihr beim Bedienen und Auffüllen des Büfetts helfen. Wenn sie es bei dem Schnee überhaupt pünktlich zum Hotel schaffen. Keine guten Aussichten für Peggy. Sie seufzt: „Heute wird es knackig.“

Personalmangel ist das große Thema

Während Peggy das Frühstücksbüfett aufbaut, erzählt sie von ihrem neunjährigen Sohn, der ausgerechnet in den Schulferien ziemlich wenig von seiner Mama hat. Denn Ferienzeit ist nun mal Hochsaision, das lässt sich nicht ändern.

Geschäftsführer Ader will gleichwohl, dass die Hotelbranche zu familienfreundlicheren Arbeitszeiten kommt. Das bedeute mehr Personal, auch höhere Preise, aber anders gehe es nicht. „Sonst kommt irgendwann keiner mehr arbeiten in der Hotellerie.“ Personalmangel ist das große Thema. Früher hätten sich die Bewerbungen hinter ihm gestapelt, sagt Ader. Heute müsse man um Mitarbeiter werben, sie bei Laune halten. Bis zu 40 Prozent seiner Zeit, sagt Ader, verwende er inzwischen allein dafür.

Vor dem Frühstücksraum wartet um kurz vor halb acht die erste Familie darauf, dass die Tür aufgeht. Peggy hat jetzt keine Zeit mehr zum Reden. Sie muss die Gäste begrüßen, ihnen wie vorgeschrieben die erste Tasse Kaffee einschenken. Und darauf hoffen, dass der Techniker endlich die Spülmaschine repariert.

Im Personalraum treffen sich um 9 Uhr die Zimmermädchen. Es liegen Listen von der Rezeption auf dem Tisch: Welche Zimmer werden heute frei?

Riesige Mengen an Wäsche

Hotel – das ist ein Kommen und Gehen. Die durchschnittliche Verweildauer liegt hier bei 2,4 Nächten, auch weil der Anteil der Tagungsgäste hoch ist. Bis zu 40 Prozent aller Buchungen kommen über Reiseportale, die bis zu 15 Prozent Provision kassieren. Das Publikum ist gemischt – von der Langlauf-Nationalmannschaft, die sich am Büfett auf die Kohlenhydrate stürzt, bis hin zur Wellness-Urlauberin, die Salate bevorzugt.

Die Zimmermädchen haben gut zu tun: 170 Gäste kann das Hotel maximal aufnehmen, allein das Haupthaus hat 43 Gästezimmer. Von den kleinen Bodylotion-Fläschchen im Badezimmer müssen jährlich 19 500 ersetzt werden. 33 Paar Einweg-Badeschlappen wandern im Schnitt täglich in den Müll. 39 000 Saunatücher müssen im Jahr gewaschen werden. Für die riesigen Mengen an Wäsche reicht die kleine hoteleigene Wäscherei nicht aus. Mindestens dreimal in der Woche kommt ein Lastwagen und bringt die Wäsche zur externen Reinigung. Kosten pro Jahr: 164 000 Euro. Ebenfalls teuer: Das Heizen im Winter. In einem Wintermonat verbrauche allein das Haupthaus 13 000 Liter Heizöl, erzählt der Hausmeister. Rund die Hälfte davon frisst der Wellnessbereich mit Saunen, Pool und Whirlpool im Freien.

Die Büfett-Reste essen die Mitarbeiter

Die Ansprüche des Hotels sind hoch, die der Gäste aber auch. „Wenn sich von 100 Gästen am Ende vier über irgendwas beschweren, dann hast du einen guten Job gemacht“, sagt der erfahrene Koch Arnemann, der heute als Küchenchef einspringt. Er zeigt am Computer seine beeindruckende Rezepte-Sammlung (allein 195 Seiten Sättigungsbeilagen) und beantwortet die Frage, was mit den Resten vom Büfett passiert. „Das reicht gerade so für die Mitarbeiter“, sagt er.

Geschäftsführer Ader geht am Handy die Umsatzzahlen durch – vom Vortag, vom Monat, vom Jahr. Hotelwirtschaft ist Planwirtschaft – sieht man mal vom Wetter ab. „Wenn es weiter so schneit“, sagt er, „dann steigt in diesem Monat die Auslastung noch um zehn Prozent.“

Beim Frühstück hat sich noch alles eingerenkt. Die Spülmaschine tut wieder. Peggy sieht gegen 11.30 Uhr deutlich entspannter aus, als sie zum x-ten Mal Kaffee serviert. Die Schlacht ist geschlagen. Und morgen ist ein neuer Tag. Sicher wieder mit Überraschungsqualität.