Weil die Situation auf dem Wohnungsmarkt verheerend ist, will die Wohnungslosenhilfe frühzeitig einhaken und zwischen Mietern und Vermietern vermitteln. Foto: dpa

Aus einem kleinen Pilotprojekt wird ein extrem gefragtes Erfolgsmodell: Die Wohnungslosenhilfe Ludwigsburg kann ihr Angebot für Mieter und Vermieter in Not ausbauen. Betrüblich ist, dass das bis jetzt nur mit viel Fördergeld geht.

Ludwigsburg - Sehr wahrscheinlich hätte die Geschichte von Frau C. kein so gutes Ende genommen, hätte sie nicht die Hilfe der Wohnungslosenhilfe gehabt. Frau C. hatte ihren Job verloren und konnte deshalb ihre Miete nicht mehr bezahlen. Dass es die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung gibt, wusste sie nicht, und also auch nicht, wie und wo sie den Antrag dafür ausfüllen kann. Das alles erfuhr sie bei der Wohnungslosenhilfe, die mit Frau C’s Vermieter auch eine Ratenzahlung für die Mietschulden vereinbarte.

Die Folge: Der Vermieter nahm die Kündigung zurück, und wenn es ein Jahr lang keine Probleme gibt, kann Frau C. in ihrer Wohnung bleiben. „Das sieht gut aus“, sagt Tamara Palmer von der Wohnungslosenhilfe im Kreis Ludwigsburg, genauer: von der dort angesiedelten Fachstelle Wohnungssicherung (Fawo). Im vergangenen Jahr wurden dort 150 Beratungsprozesse geführt – 122 nahmen ein gutes Ende. Konkret bedeutet das: 352 Menschen, davon 112 Kinder- und Jugendliche, mussten nicht in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht werden.

Die Bilanz wird hervorragend

Noch besser als diese Zahlen gefällt Heinrich Knodel die Tatsache, dass die Bilanz für das laufende Jahr noch besser ausfallen wird. Denn die Wohnungslosenhilfe, deren Chef Knodel ist, kann das Angebot der Fawo ausbauen. Statt für bisher vier der 39 Kommunen im Landkreis ist sie nun in 23 beratend tätig, und statt bisher 1,5 Stellen hat sie Geld für 3,4 Stellen. Möglich wird dies durch eine Förderung der EU, die der Fawo in Ludwigsburg befristet auf zwei Jahre knapp 290 000 Euro bringt.

Dank dieses Programms konnte das Projekt Wohnungssicherung im Frühjahr 2016 überhaupt gestartet werden. Wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten gab es diese Präventionsmaßnahme bis dahin nicht. Finanzier der Wohnungslosenhilfe ist der Landkreis, Nutznießer des Fawo-Angebots sind Kommunen, die sich dadurch häufig Unterbringungskosten in ihren Einrichtungen sparen. Erwartungsgemäß hat der Landkreis aber kein Interesse, zusätzlich Geld für ein Angebot auszugeben, das anderen nutzt. Doch wie wichtig dieses Angebot ist, belegen nicht nur Erfolgszahlen in den Jahresberichten der Fawo.

Ist die Wohnung weg, ist die Lage richtig schwierig

Auch die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg hat im vergangenen Jahr so viele Menschen wie noch nie gezählt, die die Tages- oder Beratungsstellen für Wohnungslose aufgesucht haben: Im September des vergangenen Jahres kamen mehr als 12 000 Menschen an einem Tag in die gut 330 teilnehmenden Einrichtungen. Als Hauptgrund sehen die Experten die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt. Unter den vielen Bewerbern für eines der raren Angebote hätten Wohnungslose das Nachsehen. „Wenn die Wohnung erst mal verloren ist, wird es ungleich schwieriger, eine neue zu bekommen“, sagt Heinrich Knodel.

Diese Misere ist auch der Hauptgrund für die Teilnahme der 19 weiteren Kommunen im Landkreis Ludwigsburg, die fünf Prozent der Kosten für das Angebot selbst finanzieren müssen. Im Idealfall bleiben sie nach der Förderzeit dabei und bezahlen die anfallenden Kosten selbst. So wie Kornwestheim, Korntal-Münchingen und Ludwigsburg, die bereits in der Gründungsphase des Präventionsangebots beteiligt waren. Ludwigsburg ist die Fortsetzung auf eigene Kosten nun 60 000 Euro wert, Kornwestheim zahlt 27 500 Euro, Korntal-Münchingen 19 500 Euro.

Orientierung im Chaos

Womöglich strahlt dieses Engagement bis nach Göppingen. Dort prüft die Stadtverwaltung momentan Möglichkeiten, die dem Verlust der Wohnung vorbeugen. In Böblingen wiederum ist für diese präventive Arbeit der Soziale Dienst der Stadt zuständig. Die Stadt Stuttgart übrigens, wo die Zuständigkeiten nicht nach Stadt und Kreis getrennt sind, hat ihre Fachstelle Wohnungssicherung bereits vor mehr als 25 Jahren als Teil des Sozialamts eingerichtet und beschäftigt elf Mitarbeiter (7,7 Stellen). Im Jahr 2017 konnte durch deren Einsatz in 90 Prozent der Fälle eine Wohnungslosigkeit verhindert werden. In etwa zwei Drittel der Fälle konnte sogar die Ursprungswohnung erhalten bleiben.

„Ohne die Fachstelle wissen die Betroffnen oft nicht mehr, wo vorne und hinten ist“, hat Tamara Palmer bei ihrer Arbeit für die Fawo in Ludwigsburg gelernt. Die Fachstelle helfe, das Chaos zu strukturieren und eine gute Entwicklung anzustoßen. Und das ist nicht nur für Mieter: Auch für Vermieter ist das Angebot gedacht.

Der Fall von Frau C. zum Beispiel konnte deshalb gelöst werden, weil ihr Vermieter die Fachstelle um Rat gebeten hatte.

Eine Nummer für viele Fälle

Gebiet
Für Mieter und Vermieter aus diesen 23 Kommunen im Kreis ist die Fachstelle Wohnungssicherung da: Affalterbach, Asperg, Benningen, Besigheim, Erdmannhausen, Freiberg, Freudental, Gemmrigheim, Hemmingen, Hessigheim, Kirchheim, Korntal-Münchingen, Kornwestheim, Löchgau, Ludwigsburg, Marbach, Möglingen, Mundelsheim, Remseck, Sachsenheim, Sersheim, Tamm und Walheim.

Kontakt
Unter 0159/01 46 09 66 ist die Fawo montags bis mittwochs von 8 bis 12 Uhr erreichbar. Die Mailadresse lautet: fachstellewohnungssicherung@gmail.com