Mit einem Gebärdendolmetscher hat die Stadt im Gemeinderat einen ersten Versuch gestartet, Behinderten den Zugang zum Thema zu erleichtern Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Vereinten Nationen schreiben in ihrer Behindertenrechtskonvention die volle Gleichberechtigung von Behinderten vor. In einem Aktionsplan haben Betroffene der Stadt zu acht Themenfeldern Vorschläge zur Umsetzung gemacht.

Stuttgart - In den nächsten sechs Wochen steht im Stuttgarter Gemeinderat vor allem der Haushalt für 2016/2017 im Blickpunkt. Dabei sollen auch neue Angebote für Behinderte gemacht werden. Die Stadtverwaltung hat im Verwaltungsausschuss Forderungen aus acht Arbeitsgruppen präsentiert, die seit Oktober 2014 einen so genannten Fokus-Aktionsplan aufstellen. Er soll konkrete Maßnahmen auflisten, mit denen Behinderten das Leben erleichtert und ihnen mehr Selbstbestimmung ermöglicht wird.

Ausgelöst wurden die Pläne durch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN). Sie umzusetzen sei „ein sehr langfristiger Prozess, da werden wir noch viele Haushalte darüber reden“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne) im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates. Der Aktionsplan sei noch nicht fertig, die 20 Seiten Zusammenfassung mit möglichen Maßnahmen für die Stadträte ein „erster Aufschlag“, sagte Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP).

Fraktionen kritisieren den Ablauf

Die Fraktionsvertreter kritisierten den Ablauf, signalisieren aber, dennoch einige Projekte aufnehmen zu wollen. Die Verwaltung sei spät dran, rügte Jochen Stopper für die Grünen. Seine Fraktion begründet ihren Antrag zum Neubau des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums in Bad Cannstatt auch damit, dass der Standort Modell für eine inklusive Beschulung werden solle, also das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern. Gravierende Mängel im bestehenden Gebäude sprächen gegen die Renovierung und für den Neubau, wenn die UN-Behindertenrechtskonvention erfüllt werden solle.

Auch die CDU plädiert für diesen Neubau, für den 31,8 Millionen Euro veranschlagt werden. Auch andere Positionen wie die von einer Arbeitsgruppe geforderte Toilette für alle „könnten schnell umgesetzt werden“, sagt Iris Ripsam (CDU). Übliche Behindertentoiletten sind für Menschen mit schwerer oder mit mehrfacher Behinderung oft ungeeignet, weil Lifte als Aufstehhilfe fehlen. Die Toilette in der Klett-Passage könnte umgebaut werden (300 000 Euro), auch bräuchte es eine Betreuung, die jährlich 158 000 Euro kosten würde, sagt die Arbeitsgruppe.

Erhebliche Mängel beim Nahverkehr

Weitere Ideen sind, Barrieren auf Friedhöfen zu schleifen. Zum Beispiel sollen der Haupteingang am Friedhof in Heslach und die nahe Kreuzkirche barrierefrei werden. Die 340 000 Euro dafür wurden vom Friedhofsamt zwar angemeldet, fanden aber nicht in Kuhns Haushaltsentwurf.

Erhebliche Mängel attestiert der Aktionsplan dem Nahverkehr. Stolperfallen oder unüberwindbare Hürden vor dem Einstieg in Busse und Bahnen sollten bis 2022 beseitigt werden. Für Behinderte einfacher nutzbar soll auch der Internetauftritt der Stadt werden, gewünscht ist außerdem ein elektronischer Stadtführer zum Thema Barrierefreiheit. Mehr tun könnte die Stadtverwaltung mit Arbeitsplätzen für Menschen mit wesentlicher Behinderung. Bisher gibt es fünf Stellen. Fünf weitere und ein inklusiver Ausbildungsplatz sind gefordert.