Marc Oliver Kempf ist ein Kandidat für das Kapitänsamt beim VfB. Foto: Baumann

Trainer Tim Walter hat noch nicht verkündet, wer den VfB Stuttgart in der zweiten Liga künftig auf das Feld führen wird. Das will er erst kurz vor dem Saisonstart an diesem Freitag gegen Hannover 96 tun.

Stuttgart - Für Michael Meusch ist die Sachlage in den vergangenen sechs Jahren klar gewesen. Der Zeugwart wusste, wo die Kapitänsbinde hingehört. Zum Trikot mit der Nummer 20 hat er sie in der Kabine gehängt. Seit 2013 hat Christian Gentner die Mannschaft des VfB Stuttgart auf das Feld geführt. Jetzt ist der Mittelfeldspieler weg – und vor dem Saisonstart an diesem Freitag (20.30 Uhr) gegen Hannover 96 stellt sich die K-Frage: Wer wird der neue Kapitän an Bord des größten Fußballtankers in der zweiten Liga?

„Ich weiß es“, sagt Tim Walter. Der Trainer will den Namen jedoch erst kurz vor dem Anpfiff preisgeben – wenn er auf dem Spielberichtsbogen mit dem entsprechenden Vermerk ausgefüllt wird. Dann erst sollen die 50 000 Zuschauer im Stadion und die vielen Fans vor den TV-Geräten erfahren, wen er zum Chef im neu formierten Team bestimmt hat. Einiges deutet dabei auf Marc Oliver Kempf hin. Der Innenverteidiger fungierte bereits zuletzt in den wichtigen Testpartien gegen den FC Basel (3:2) und den SC Freiburg (4:2) als Spielführer. Das dient als Signal.

Einiges spricht für Marc Oliver Kempf

Doch bei Walter darf man sich nie sicher sein. Der 43-Jährige führt die Mannschaft zwar mit klarer Ansprache, aber er ist auch ein Verfechter von Entwicklungen. Und in den Reihen der Stuttgarter befindet sich seit dem Vorbereitungsauftakt vor sechs Wochen vieles noch im Fluss. So hat Walter die Kapitänsbinde in den Freundschaftsbegegnungen wandern lassen. Gonzalo Castro trug sie anfangs, später auch Daniel Didavi und Mario Gomez.

Für Kempf spricht jedoch, dass er mit seinen 24 Jahren genau das Bindeglied zwischen älteren und jüngeren Spielern bilden könnte, das in der Abstiegssaison gefehlt hatte. Da teilte sich das Team in erfahrene Profis und talentierte Kräfte. Hier Gentner, Gomez und Ron-Robert Zieler als Führungstrio, erweitert durch die meinungsstarken Andreas Beck und Dennis Aogo. Dort Benjamin Pavard, Santiago Ascacibar, Timo Baumgartl, Anastasios Donis und auch Kempf mit ihren wachsenden Ansprüchen, ergänzt durch damalige Neuzugänge wie Nicolas Gonzalez, Pablo Maffeo und Borna Sosa.

Letztlich hat die Mischung nicht gepasst, da die einzelnen Spieler in der Krise oft zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren. Weshalb der Manager Thomas Hitzlsperger und der Kaderplaner Sven Mislintat nun bei der Komposition des neuen Kaders darauf geachtet haben, dass der Mittelbau gestärkt wird. Mit Verpflichtungen wie Hamadi Al Ghaddioui (28), Philipp Klement (26), Pascal Stenzel (23) und Atakan Karazor (22). Sie sind geholt worden, um der Mannschaft eine neue Struktur zu verleihen – und damit eine andere Hierarchie entstehen zu lassen.

„Das ist jedoch kein autonomer Prozess“, sagt Walter. Er greift steuernd ein, indem er am Vortag des Spiels gegen Hannover 96 mit dem künftigen Kapitän dessen Aufgaben bespricht. Denn eine Führungsrolle definiert sich über zwei Ebenen. Auf der sportlichen, weil gute und stabile Leistungen die Akzeptanz unter den Kollegen erhöhen. Siehe Didavi und den von Fortuna Düsseldorf zurückgeholten Marcin Kaminski, die zuletzt überzeugten. Auf der emotionalen, weil es Spieler braucht, die in kritischen Phasen die Mannschaft zusammenhalten – auf und außerhalb des Platzes.

Mario Gomez hat eine Sonderrolle

Dazu dient auch ein Mannschaftsrat. Diesen inneren Zirkel wird es beim VfB wieder geben. Allerdings hält Walter den Kreis, der das Team repräsentiert, für eine interne und keine öffentliche Angelegenheit. In der Vorsaison gehörte Gomez dem Gremium an. Der 34-jährige Angreifer ist somit nach den Abgängen von Gentner, Zieler, Beck und Aogo ein Überbleibsel des ehemaligen Machtzentrums – mit womöglich verändertem Status im künftigen Gebilde als Elder Statesman. „Er genießt nach wie vor einen hohen Stellenwert bei uns“, sagt Walter.

Gomez kann ja auch noch immer Tore erzielen. Ob die tatsächliche Trefferquote des früheren Nationalstürmers schließlich mit seinem kolportierten Jahresgehalt von 4,5 Millionen Euro korrespondieren wird, ist dem Trainer dennoch egal: „Ich weiß, was ich an Mario Gomez habe. Er ist sehr professionell und charakterlich top.“

Schon in der Vergangenheit hat Gomez seine Funktion im Team derart definiert, dass er die Mitspieler unterstützt hat – durch ruhige Worte und eine positive Ausstrahlung. Nur: der VfB schaffte es mit Gentner, Gomez und Zieler nicht mehr, sich von innen heraus zu führen, als er es am nötigsten hatte. Jetzt soll eine neue Gruppe den Ton angeben und das entstandene Machtvakuum in der Mannschaft füllen. Schon bald wird Zeugwart Michael Meusch dann wieder wissen, wo er die Kapitänsbinde zu platzieren hat.

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