SPD und CDU müssen bei der Landtagswahl in Hessen voraussichtlich deutliche Einbußen verkraften. Foto: dpa

Glaubt man den Umfragen, dann ist in Hessen nach der Landtagswahl kaum ein Farbenspiel ausgeschlossen. Jamaika, eine Ampel oder ein linkes Bündnis mit einem grünen Ministerpräsidenten?

Wiesbaden - Rund 4,4 Millionen Wahlberechtigte in Hessen sollen am Sonntag bestimmen, welche 110 Abgeordnete künftig in Wiesbaden für fünf Jahre ins barocke Stadtschloss der nassauischen Herzöge einziehen – den schmucken Sitz des Landtags. Noch nie war die bundesweite Aufmerksamkeit für eine Hessen-Wahl so groß wie heute. Eine Besonderheit ist den Umfragen zufolge jetzt schon erkennbar: Es wird eine Fülle von Koalitionsmöglichkeiten geben nach der Landtagswahl – mindestens fünf. Möglich ist, dass die vom CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier (66) geführte schwarz-grüne Regierung nach dem Wahlsonntag am Ende ist. Selbst für eine große Koalition der ehemaligen Volksparteien CDU und SPD, die für den SPD-Spitzenmann Thorsten Schäfer-Gümbel (49), Spitzname TSG, die allerletzte Option ist, die er aber nie ausgeschlossen hat, wird es nicht reichen. Eine Groko will im Land ohnehin niemand, ein Mitglied im Wahlkampftross Schäfer-Gümbels machte keinen Hehl daraus, „dass die Hessen beim Gedanken an eine große Koalition Pickel kriegen“.

Es wird auf ein Dreier-Bündnis hinauslaufen und dazu gibt es so viele Möglichkeiten, dass politische Beobachter in Wiesbaden eine denkbare Koalition gar nicht erwähnen: ein Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen, das in Sachsen-Anhalt schon gut zwei Jahre Bestand hat, dürfte theoretisch machbar sein. Wenngleich es schwierig sein dürfte, einen dritten Partner in eine bestehende Koalition zu holen.

Die meisten rechnen mit einem Jamaika-Bündnis

Die meisten Auguren setzen allerdings auf ein Jamaika-Bündnis von CDU, Grünen und FDP, das im Bund zwar von den Liberalen verschmäht worden ist, in Schleswig-Holstein aber funktioniert und für das FDP-Parteichef Christian Lindner sein Plazet in Hessen gegeben hat. Knackpunkte wären die Energiepolitik, die Infrastruktur und Asylfragen, bei diesen Themen vertreten Grüne und FDP ganz unterschiedliche Meinungen. Auch schielen die Liberalen aufs Wirtschaftsressort, das der Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir (47) besetzt und in dem er keine schlechte Figur macht. Er gilt als beliebtester Politiker Hessens.

Denkbar ist auch ein rot-rot-grünes Bündnis unter der Führung der SPD, was den Genossen endlich wieder einen Ministerpräsidenten bescheren würde. Mit dem konzilianten Schäfer-Gümbel wäre eine inhaltliche Einigung rasch zu erzielen, bei der Verkehrspolitik, dem Ausbau von Ganztagsschulen und dem Kampf gegen hohe Mieten liegen alle drei auf einer Wellenlänge.

Schul- und Wohnungspolitik waren wichtige Themen im Wahlkampf

Rot-Rot-Grün ist aber auch unter Führung des Grünen Al-Wazir denkbar, falls die Grünen die SPD beim Stimmenergebnis überrunden. Sie wäre wohl problematischer. Al-Wazir hat eine scharfe Zunge, und kürzlich zischte die Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler (37) den Grünen auf einer Podiumsdiskussion an, warum sich der „immer an mir abarbeiten muss“. Al-Wazir hatte der Linken vorgeworfen, Ausgaben zu planen, ohne zu sagen, woher das Geld komme. Keine Option dürfte eine Ampel (Grüne, SPD, FDP) unter grüner Führung sein: Gegen eine solche Option sperrt sich bisher die FDP. Eher vorstellen könnten sich die Liberalen ein Ampelbündnis unter der Führung der SPD. Mit der AfD will übrigens keiner koalieren.

Schulpolitik, also Lehrermangel, Unterrichtsausfall und fehlendes Ganztagsschulangebot, stand im Vordergrund des Wahlkampfs, gefolgt von der Wohnungspolitik. Im Endspurt ging es ums Thema Fahrverbote für Frankfurt und die Diesel-Hardware-Nachrüstung. Bei den Fahrverboten war die Gefechtslage verwirrend – selbst bei Hessens Grünen findet sich keiner, der sie befürwortet. Die FDP wiederum warf Schwarz-Grün vor, in der Dieselkrise unvorbereitet zu sein: Die Klage gegen den Frankfurter Luftreinhalteplan sei schon drei Jahre alt.