So jubelt ein Torjäger: Herthas Stürmer Foto: dpa

Sie sind die Überraschungsteams der Fußball-Bundesliga: Hertha BSC und 1. FC Köln. Die beiden Clubs profitieren von ihrer klugen Vereinspolitik.

Köln - Einer, der die Kölner Befindlichkeiten wie kein Zweiter kennt, geht in diesen Tagen fast schon wie beseelt durch die Domstadt. Wolfgang Niedecken, der Frontmann der Kölschrockband Bap, hat die Höhen und Tiefen der Stadt fast alle erlebt. Er singt den Menschen am Rhein aus der Seele. Nun aber sprach mal nicht der Sänger, sondern der Fußballfan Niedecken – und er brachte die jüngste Kölner Erfolgsformel auf den Punkt. Sein Herz, es rockt beim Gedanken an seinen Effzeh. „Der Kölner frohlockt oder ist zu Tode betrübt“, sagte Niedecken, „es handelt sich aber um einen Menschenschlag, der dann und wann Erdung braucht.“ Was er meinte: Früher war der FC wie die ganze Stadt oft ohne Grund großspurig, jetzt ist er bescheiden geworden.

Oder, wie es Wolfgang Niedecken vor dem Spitzenspiel der Bundesliga beim zweiten Überraschungsteam Hertha BSC (15.30 Uhr) sagt: „Der 1. FC Köln heißt ja für viele immer auch Real Madrid vom Rhein, bloß weil man oft in weißen Trikots aufgelaufen ist. Und wenn man lange genug an der Theke steht, dann glaubt man das auch.“ Also, ergänzt Niedecken, sei es nur gut, dass vor ein paar Jahren ein Nicht-Kölner gekommen ist. Denn: „Jemand mit Kölner Mentalität hätte das nicht hingekriegt.“

Der FC mischt die Liga auf

Der Nicht-Kölner heißt Jörg Schmadtke, er stammt ausgerechnet aus der in Köln so unbeliebten Landeshauptstadt Düsseldorf – und zusammen mit dem Wiener Trainer Peter Stöger hat er in den vergangenen Jahren eine Entwicklung vorangetrieben, die nun, nach sieben Bundesligaspieltagen, ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Der FC mischt die Liga als Zweiter auf und gehört neben Hertha BSC und dem so starken Aufsteiger RB Leipzig zu den großen Überraschungen.

Es ist eine Entwicklung, die zunächst erstaunt. Denn früher waren die Kölner der Chaosclub. Ein Skandal reihte sich an den anderen. Am Geißbockheim herrschte notorische Unruhe. Ein Abstieg folgte auf den nächsten. Dann kamen Schmadtke und Stöger. Sie haben den FC in der Saison 2013/14 zunächst zurück in die erste Liga geführt und dort etabliert. Dabei sind sie nicht nur mit wirtschaftlichem Geschick und einem versierten Blick für talentierte Profis vorgegangen. Sie haben auch einen Mentalitätswechsel herbeigeführt – weg von der „elitären Arroganz“, die der ehemalige Manager Michael Meier beim FC einst ausgerufen hatte. Jörg Schmatdke selbst sagt nun: „Die Zeit war reif für die Charaktere, die hier jetzt am Ruder sind.“ Der 1. FC Köln hat sich von der Mentalität seiner Stadt emanzipiert. Er ist im besten Sinne bescheiden geworden.

Trainer Stöger schafft ein Wohlfühlklima

So ging es kontinuierlich nach oben – was sich bei den Auftritten auf dem Platz widerspiegelt. Der FC, er hat sich mit realistischem Weitblick verbessert. Der Trainer Peter Stöger setzte nach dem Aufstieg 2014 einen soliden Dreijahresplan um. Im ersten Jahr defensiv gut stehen, im zweiten auch mal offensiver denken und spielen – und jetzt, im dritten, auch gegen starke Gegner früh pressen und attackieren, das war die Vorgabe. Und die Spieler setzten sie perfekt um. Stöger schuf dabei ein Wohlfühlklima, er nahm die Profis bei seinen Gedanken von Beginn an mit, förderte so die Eigenverantwortung – und hat nun eine gefestigte Elf, die im Spiel auch mal eigenständig das System wechseln kann. Und die vorne drin in Anthony Modeste einen Torjäger hat, der mit seinen wunderbaren Direktabnahmen in diesen Tagen fast schon trifft, wie er will.

Besser könnte es kaum laufen – was auch für den Gegner vom Samstag gilt. Auch bei Hertha BSC ist die Stimmung vorzüglich, denn auch die Berliner haben überraschend die Spitze gestürmt – und das wiederum liegt zuallererst am ungarischen Trainer Pal Dardai. Die Beförderung des ehemaligen Mittelfeldkämpfers und Jugendtrainers vor eineinhalb Jahren wirkte zunächst wie eine Notlösung von Manager Michael Preetz. Pal Dardai aber verstand es schnell, die Mannschaft zu stabilisieren, indem er ihr ein disziplinierteres Defensiverhalten verordnete – und sie schlicht fit machte. Dardai war früher ein Herzblutkicker, der biss, kämpfte und rannte. Genau das wollte er von Anfang an von seinen Jungs sehen. „Fitness“, sagt er, „ist das Wichtigste, das strahlt bis in die Birne aus.“

Ibisevic trifft derzeit fast nach Belieben

Dardai entwickelte sich schnell zum Glücksgriff – und nach dem Klassenverbleib 2015 konnte er dann in Ruhe an seiner Spielidee basteln. Er führte Hertha BSC auf Platz sieben – mit einem System, das auch gepflegte Ballbesitzphasen beinhaltete. Nun sind die Berliner noch einen Schritt weiter. Sie haben das schnelle Konterspiel ins Spiel aufgenommen – und haben mit Vedad Ibiseviceinen Angreifer, der wie der Kölner Modeste zurzeit fast nach Belieben trifft. Hertha ist zu einer gefestigten und für den Gegner unberechnbaren Einheit geworden. Grund genug für Michael Preetz, eine Kampfansage an die Konkurrenz zu richten: „Wir können da sein, wenn wirtschaftlich stärkere Teams schwächeln.“