Gewaltsame Markierung mit Ohrmarken: Eines der betroffenen Schafe von Heilbronn. Foto: StN

Die EU und Grün-Rot drängen darauf, dass Rinder und Schafe Ohrmarken tragen müssen. Eine Reform der Rechtslage ist absehbar. Trotzdem hat das Land nun Härte gezeigt. Der Druck auf den Rinderflüsterer von Balingen nimmt zu.

Stuttgart - Es geschieht im Morgengrauen. Sabine Huber (Name geändert) aus Heilbronn geht zur Arbeit und ahnt nicht, was mit ihren fünf Schafen passiert. Seit Jahren schon streitet sich die Frau mit dem Veterinäramt Heilbronn und dem Regierungspräsidium Stuttgart um die Frage, ob sie ihre Tiere, die sie geschenkt bekommen hat, mit den von der EU vorgeschriebenen Ohrmarken kennzeichnen muss. Die Schafhalterin sagt Nein, weil sie die Schafe nicht verkaufen, sprich nicht schlachten will. Die Behörden sagen Ja, weil es die Viehverkehrsverordnung vorschreibt. Sie soll sicherstellen, dass bei Seuchen wie einst bei BSE schnell feststeht, woher das Fleisch stammt. Doch so oft Huber den Behörden ihre Beweggründe darlegt, ihnen erklärt, dass es nicht mal mehr im bundesweiten Zentralregister eine Registriernummer für die Tiere gibt (und damit die Herkunft für die Ohrmarke fehlt), so oft sie Bußgeldbescheide erhält und Anträge auf alternative Kennzeichnung der Tiere stellt, so sehr fruchtet dies nicht.

Und so rücken an Morgen des 7. August, wie erst jetzt bekannt wurde, Feuerwehr und Polizei mit Experten des Veterinäramtes Heilbronn an, fangen die Schafe ein und stanzen ihnen Ohrmarken. Erst am Abend, als Sabine Huber zur Weide kommt, sieht sie das Drama. Einige Tiere haben Blutspuren, bei einem hängt die Kennzeichnungsmarke heraus – das Ohr war zu dick zum Stanzen. „Ich war entsetzt, als ich das gesehen habe.“ Inzwischen hat sie Strafanzeige gestellt.

Damit eskaliert der Streit um die Frage, wann Vierbeiner wie Schafe und Rinder gekennzeichnet werden müssen. Schon seit Monaten kämpft Landwirt Hermann Maier aus Balingen, in der Szene als Rinderflüsterer bekannt, gegen die geltende EU-Verordnung. Er weigert sich, seinen 270 Rindern die Ohrmarken einzustanzen und setzt stattdessen auf die Einpflanzung von High-Tech-Mikrochips mit allen Daten neben dem Schwanz. Das sei zum einen sicherer, weil Ohrmarken leicht ausreißen können. Zum anderen diene es dem Tierschutz.

Verkehrte Behördenwelt?

Doch in beiden Fällen pochen die Behörden auf das geltende EU-Recht. Eine Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart sagte am Donnerstag unserer Zeitung, man habe der Schafhalterin in Heilbronn die Frist 2. August gesetzt, ihren Tieren die Ohrmarken zu stanzen. Danach gebe es „eine Anordnung mit sofortigem Vollzug“, sprich der Staat greift ein. Genau das geschah am Morgen des 7. August. Das Pikante an der Affäre: Die Behörden räumten der Schafhalterin zwar eine Widerspruchsfrist bis Mitte August ein, schafften aber zuvor vollendete Tatsachen und haben bis heute nicht über den eingelegten Widerspruch entschieden. Man bitte noch „um Geduld“, teilte das Regierungspräsidium erst diese Woche mit.

Verkehrte Behördenwelt? Im Fall des Rinderflüsterers warnt der Landrat des Zollernalbkreises und CDU-Landtagsabgeordnete Günther-Martin Pauli (CDU) „ganz eindringlich“ vor einer Eskalation wie in Heilbronn. Sein Landratsamt hatte Landwirt Maier einst die Ausnahmegenehmigung erteilt, die Rinder mit dem Mikrochip zu kennzeichnen. „Damit wird der Sinn und Zweck der EU-Verordnung eingehalten, nur der Gesetzesbuchstabe nicht ganz“, sagt Pauli und verweist darauf, dass es in Brüssel längst Überlegungen gibt, künftig Ohrmarken und Mikrochips zuzulassen.

Doch sowohl der zuständige EU-Kommissar Tonio Borg in Brüssel als auch Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) bleiben hart und verlangen zwei Ohrmarken pro Tier. Allein, dabei geht es weniger um Tierschutz und Krisenvorsorge als vielmehr um Fördergelder. „Es steht die konkrete Gefahr im Raum, dass nicht nur dem Betrieb Gelder gekürzt werden müssen, sondern dass dem Land Rückzahlungen der EU im zweistelligen Millionenbereich drohen“, so ein Sprecher von Bonde. Aus diesem Grund wird das Regierungspräsidium Tübingen nun noch einmal auf Maier zugehen. „Wir werden ihm erneut die Rechtslage schildern“, sagt Regierungspräsident Hermann Strampfer. Allein, das dürfte wenig bringen. „Wir haben eine rechtskräftige Ausnahmegenehmigung des Landratsamtes“, sagt der Landwirt, „wenn man uns die entzieht, werden wir klagen“.