Den Angeklagten wird ein Millionenbetrug vorgeworfen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Das Inhaberehepaar eines Therapiezentrums in Heidenheim soll Krankenkassen um rund zehn Millionen Euro betrogen haben. Jetzt hat der Prozess begonnen.

Stuttgart - Bandenmäßiger Betrug, Bestechung im Gesundheitswesen, Urkundenfälschung, und das in hundertfachem Umfang – so lauten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen ein Ehepaar, das in Heidenheim ein Wundtherapiezentrum betreibt. Die Eheleute sowie deren Tochter und weitere Angeklagte sollen Krankenkassen mit gefälschten Abrechnungen um knapp zehn Millionen Euro betrogen haben. Jetzt müssen sich zwei Männer und drei Frauen vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.

„Es wäre doch Irrsinn, mein Unternehmen auf Betrug basierend aufzubauen und auch noch meine Familie da mit hineinzuziehen“, lässt der 54-jährige Hauptangeklagte seinen Verteidiger vortragen. Seine Familie sei ihm heilig, er sei – ebenso wie seine Frau, seine Tochter und deren Familie – unschuldig.

Staatsanwalt: „Ein System des Abrechnungsbetrugs“

Die Staatsanwaltschaft sieht das völlig anders. Nach aufwendigen Ermittlungen und nachdem rund 100 Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg und mehrerer anderer Polizeidienststellen insgesamt elf Wohnungen und Geschäftsräume der Unternehmensgruppe aus dem Gesundheitsbereich sowie Arztpraxen in Baden-Württemberg und Bayern durchsucht hatten, kamen die Strafverfolger zu dem Schluss, einen Millionenbetrug aufgedeckt zu haben.

Das Ehepaar, das in Untersuchungshaft sitzt, und die Mitangeklagten sollen Artikel und Präparate zur Wundversorgung von Anfang 2015 bis Ende 2018 zwar abgerechnet, aber weder gekauft noch verwendet haben. Mit dem Wundtherapiezentrum (WTZ) in Heidenheim und dessen Ablegern in mehreren anderen Städten hätten die Angeklagten ein „System des Abrechnungsbetrugs“ geschaffen, so der Oberstaatsanwalt.

Sponsor des 1. FC Heidenheim

Mehrere Mediziner hätten den Betreibern des Wundtherapiezentrums massenweise Rezeptvordrucke zur Verfügung gestellt, die sie, nachdem sie vom WTZ ausgefüllt worden waren, unterschrieben hätten. Dabei habe sich vor allem ein Arzt hervorgetan. Zuerst sei der Arzt wie seine Kollegen ahnungslos gewesen. Dann aber soll es im Oktober 2017 ein konspiratives Treffen mit dem Mediziner gegeben haben. Es sei ein mit 170 000 Euro dotierter Beratervertrag abgeschlossen worden. Beratungen habe es indes keine gegeben. Gegen den Mediziner wird ermittelt.

Das Betreiberehepaar, im Kreis Heidenheim wohlbekannt und mit dem WTZ „GoldPlus-Sponsor“ des 1. FC Heidenheim, weist alle Vorwürfe von sich. „Die Patienten gab es, die Behandlungen gab es, die Ärzte waren für die Rezeptierung zuständig“, so die Verteidigung. Der Prozess wird am 16. Juli fortgesetzt und ist bis Mitte Oktober terminiert.