Bad Schussenried: Moorheilbad in Oberschwaben Foto: StN

Statt Alarmanlagen und teurer Überwachung beschützen sechs Bewohner die Waldklinik. Es ist das erste Gebäude in Süddeutschland, das von Hauswächtern bewohnt wird.

Bad Schussenried - Bis vor kurzem stand die idyllische Waldklinik in Oberschwaben leer. Seit über drei Jahren ruht der Betrieb in dem Krankenhaus, und die Stadt wusste lange nicht, was sie mit dem Gebäude machen soll. Doch seit Februar beleben sechs sogenannte Hauswächter die Klinik am See mit Blick übers Tal – und zahlen für ihr neues Zuhause 184 Euro im Monat.

Bewachung durch Bewohnung nennt sich das Konzept der Hauswächter-Firma Camelot: „Die Hauswächter halten sich an fünf Tagen der Woche in der Klinik auf und können uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen“, sagt Karsten Linde, der Geschäftsführer von Camelot. Das Konzept sei vor allem für Leute geeignet, die eine alternative Bleibe für sehr wenig Geld suchen. Häufig seien deshalb auch Studenten interessiert.

Zunächst sind die Wohnverträge durch Camelot grundsätzlich auf ein Jahr befristet. „Wird eine neue Verwendung für die Immobilie gefunden, müssen die Hauswächter innerhalb von vier Wochen ausziehen“, erläutert er. Seit 2010 setzt die niederländische Firma auch in Deutschland Menschen als Wächter in verlassenen Polizeistationen, Kirchen, Schulen oder Krankenhäusern ein. „Im Vergleich zu Sicherheitsfirmen, die Gebäude überwachen, ist die Bewachung durch Bewohnung sehr viel kostengünstiger“, sagt Linde. „Außerdem entlastet sie überfüllte Städte durch zusätzlichen Wohnraum.“

Mehr als 250 Hauswächter bewachen in Deutschland Objekte: „Bisher vermitteln wir hauptsächlich in Berlin, Hamburg und Westdeutschland leer stehende Gebäude“, sagt Linde. „In Süddeutschland ist die Klinik in Bad Schussenried bisher das einzige Gebäude, das wir betreuen.“ Dies könne sich erfahrungsgemäß aber sehr schnell ändern.

Camelot ist gemeinsam mit der ebenfalls niederländischen Firma Adhoc Marktführer unter den Hauswächter-Firmen. Mittlerweile ziehen aber auch kleinere Firmen nach, wie „Servatrix“ aus Berlin oder der Verein HausHalten e.V.. „Wir haben bisher ausschließlich in Berlin Gebäude an Hauswächter vermittelt“, sagt Servatrix-Mitarbeiter Tobias Apelt. „Wir würden aber sofort auch in Baden-Württemberg Objekte an Hauswächter vergeben, sobald sich Eigentümer dazu bereiterklären.“

Das Auswahlverfahren für die Bewohner übernimmt die vermittelnde Hauswächter-Firma. Männer und Frauen leben grundsätzlich gemischt miteinander. Das Alter der Bewohner ist nicht von Bedeutung: „Wir haben in Deutschland Hauswächter zwischen 18 bis 81 Jahren“, sagt Linde. Zu dem Alter der Hauswächter in Bad Schussenried möchte er aus Datenschutzgründen nichts Konkretes sagen, nur: „Es sind auf jeden Fall auch ältere Semester dabei.“

Hauswächter müssen Einkommen haben und sauber sein

Gewisse Kriterien müssen die Hauswächter aber erfüllen: Sie müssen verantwortungsbewusst sein, über ein geregeltes Einkommen verfügen und in der Lage sein, das Gebäude sauber zu halten. Außerdem gibt es einige Regeln: Verreist ein Hauswächter länger als drei Tage, muss er sich abmelden.

Sie dürfen nicht rauchen, keine Kerzen anzünden und Partys sind ebenfalls verboten. Gäste, die länger als eine Nacht bleiben, müssen angemeldet werden. Bei der Einrichtung der Wohnräume dürfen die Bewohner keine bleibenden Veränderungen vornehmen.Und sie müssen hinnehmen, dass sie sich innerhalb kürzester Zeit wieder nach einer neuen Bleibe umschauen müssen.

„Trotzdem wollen immer mehr Menschen Hauswächter werden“, sagt Tobias Apelt von der Hauswächter-Firma Servatrix. Grund dafür sei meist der Wunsch nach einem alternativen Lebensstil. „Wir hatten auch schon ein Professoren-Pärchen, das für ein halbes Jahr nach Berlin musste und dort als Hauswächter wieder die 68er und das Kommunen-Leben hat aufleben lassen.“

Doch wie kommt es überhaupt zu solch langen Leerständen von Gebäuden, wie der ehemaligen Waldklinik in Bad Schussenried? „Wir hatten früher zwei orthopädische Reha-Kliniken in Bad Schussenried“, berichtet Carsten Kubot, der Stadtkämmerer von Bad Schussenried. Im Jahr 2009 mussten beide Kliniken Insolvenz anmelden: „Aus der einen wurde das Humboldt-Institut, die andere stand bis Februar dieses Jahres leer.“ Lange wusste die Stadt nicht, was sie mit dem leer stehenden Gebäude machen sollte. „Wir wurden schließlich durch verschiedene Medienberichte auf die Firma Camelot aufmerksam und haben uns dazu entschieden, die Klinik durch Hauswächter bewachen zu lassen“, sagt Kubot.

Langfristig solle die Klinik mit Teehaus und Schwesternwohnheim verkauft werden. „Bis es so weit ist, brauchen wir einen kostengünstigen Schutz vor Vandalismus, Sachbeschädigung und Einbruch.“ Die Beauftragung von Camelot ist für die Stadt kostenneutral: „Für die Stadt entfallen damit künftig Extra-Kosten für Reinigung, Überwachung und Sicherung der Waldklinik“, sagt Kubot. Bevor die Hauswächter in die Klinik einzogen, wurde das Gebäude durch umfassende Alarmanlagen und Bewegungsmelder geschützt – nun bezahlt die Stadt Strom, Wasser und Heizung für die sechs Hauswächter. Die Stadt erhofft sich außerdem noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: „Durch das öffentliche Interesse an dem Hauswächter-Konzept werden möglicherweise potenzielle Kaufinteressenten auf das Objekt aufmerksam.“