Die Wirtschaft in L.-E. (hier ein Bild aus dem JW Froehlich-Werk in Leinfelden) wäre von der geplanten Gewerbesteuererhöhung betroffen. Foto: Archiv Norbert J. Leven

Bei der Generaldebatte des Haushalts von L.-E. fordern Freie Wähler und LE-Bürger/FDP den Verzicht auf die Erhöhung der Gewerbesteuer und der Grundsteuer B.

Leinfelden-Echterdingen - Die Stadt Leinfelden-Echterdingen steht vor einer harten Auseinandersetzung über die von der Stadtverwaltung im Haushaltsplan 2016 vorgesehene Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes von 380 auf 390 Punkte und der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer B von 370 auf 380 Punkte. Nach der Generaldebatte zum Etat der Großen Kreisstadt wackelt die Mehrheit für diesen Vorschlag, gegen den sich noch bei der Haushaltsklausur vor zwei Monaten kein nennenswerter Widerspruch erhoben hatte.

Klipp und klar haben am Dienstagabend die Fraktionen der Freien Wähler sowie der LE-Bürger/FDP, die zusammen zehn der 26 Sitze im Gremium belegen, Steuererhöhungen abgelehnt. Die sechsköpfige CDU-Fraktion, die in der Generaldebatte dieses Thema ausgeklammert hatte, hat sich zu dieser Frage „noch keine abschließende Meinung gebildet“, sagt deren Vorsitzende Ilona Koch auf Nachfrage unserer Zeitung.

„Unbedingt notwendig“

Zu den vorgeschlagenen Steuererhöhungen stehen hingegen die Grünen (fünf Mandate), die Filderpiraten (ein Sitz) und die Sozialdemokraten (vier Sitze). Deren Fraktionssprecher Erich Klauser hat sogar beantragt, auch die seit 1994 unverändert erhobene Grundsteuer A, die auf unbebaute Grundstücke erhoben wird, anzuheben – und zwar von 300 auf 310 Punkte. Klauser bemängelte, dass die Hebesätze augenblicklich zum Teil deutlich unter dem Landesdurchschnitt liegen. Die Anhebung der Gewerbesteuer bezeichnete er als „für den kommunalen Handlungsspielraum unbedingt notwendig“. Frank Mailänder, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, erinnert auf Nachfrage daran, dass seine Fraktion bereits in der Vergangenheit mehrfach die Anhebung der Gewerbesteuer gefordert habe. Claudia Mossmann (Filderpiraten) will dem Vorschlag der Verwaltung ebenfalls folgen.

„Abwanderung möglich“

Eberhard Wächter beantragte die Streichung der Steuererhöhungen. „Wir geben zu bedenken, dass die mögliche Abwanderung von Unternehmen aufgrund einer Gewerbesteuererhöhung die geplante Einnahmeverbesserung erheblich ins Wanken geraten lassen würde“, sagte Wächter. Judith Skudelny (LE-Bürger/FDP) forderte hingegen neue Gewerbebauflächen, die höhere Steuereinnahmen nach sich zögen.

Beratungen
Die Etatberatungen werden am 1. und 2. März in den Ausschüssen fortgesetzt.

CDU-Fraktion: Flächenpotenzial sofort ausnutzen

Ilona Koch Foto: z
Für die CDU kann die mangelnde Liquidität des Etats von L.-E. nur eine Konsequenz haben: „Haushaltskonsolidierung – und zwar in allen Bereichen“, sagte Ilona Koch in ihrer ersten Haushaltsrede als Fraktionsvorsitzende. Sie forderte eine kritische Bestandsaufnahme unter anderem darüber, „was wir wirklich brauchen und was zwingend ist“. Es müsse erlaubt sein, „Angebote ohne Denkverbote zu hinterfragen“. Mehreinnahmen aus CDU-Vorschlägen taxierte Koch auf eine „siebenstellige Summe“. Zur Sicherung der Gewerbe- und Einkommensteuer fordert sie, das im Flächennutzungsplan vorhandene Potenzial „dringend und sofort“ auszunutzen. Bisher vermisse man, etwa bei den Schelmenäckern, eine Gegenüberstellung von Ausgaben und erwarteten Einnahmen. Steigern wolle man auch die Kostendeckungsgrade, etwa bei der Kinderbetreuung. Das setze „maximale Kostentransparenz“ voraus. Koch forderte wegen leer stehender Geschäfte „mehr Effizienz“ in der Wirtschaftsförderung und beantragte eine lokale Gewerbeimmobilienmesse. Eine Privatisierung schlägt die CDU für das Stadtmarketing vor. Prüfen solle die Stadt, ob die Filderhalle künftig alle Hallen managt. Von den Stadtwerken fordert Koch höhere Einnahmen aus der Parkplatzvermietung.

Freie Wähler: Fraktion beantragt Übernachtungssteuer

Eberhard Wächter Foto: z
Der Haushalt bietet „erneut ein ernüchterndes Bild“, stellte Eberhard Wächter für die Freien Wähler fest. Wieder könnten die laufenden Aufwendungen nicht aus den Erträgen erwirtschaftet werden. Vor dem Hintergrund der finanziellen Krise forderte Wächter eine Überprüfung, ob der Flughafen zu recht seine Gewerbesteuerzahlungen auf null herunterfährt (wir berichteten). Erstmals lehnen die Freien Wähler eine im Etat aufgenommene Kreditermächtigung nicht mehr kategorisch ab. Um die Einnahmen zu verbessern, schlagen die Freien Wähler vor, Hotelgäste mit einer Übernachtungsabgabe von 2,50 Euro pro Nacht zu belegen. Damit könnten 1,1 Millionen Euro erzielt werden, rechnete Wächter vor. Die Freien Wähler halten die Ausweisung neuer Wohngebiete für „nachhaltiger als Steuererhöhungen“. Sie verlangen eine Rangfolge der künftigen Baugebiete. Kritisch setzte sich Wächter mit der Entwicklung der Personalkosten auseinander. Seine Fraktion wolle „ohne äußerste Dringlichkeit“ bis zur Beratung des Haushalts 2017 keine neuen Stellen mehr genehmigen. Zu Kostendeckungsgraden und Gebühren fordert die Fraktion von der Verwaltung eine Aufstellung. Auch die Freien Wähler halten die Einnahmen aus Parkgebühren für „viel zu gering“.

Grüne: Versäumnisse in der Finanzverwaltung

Frank Mailänder Foto: z
Für die Grünen kommt der Ausfall der Flughafen-Gewerbesteuer nicht überraschend. „Viermal haben wir in Haushaltsreden auf diese zusätzliche Belastung hingewiesen“, sagte Frank Mailänder, Haushaltssprecher der Grünen-Fraktion, und kritisierte Versäumnisse der Verwaltung: „Wir haben kein Verständnis dafür, dass das in der Finanzplanung nicht längst berücksichtigt wurde.“ Den Spielraum für Einfluss auf den Haushalt, nannte Mailänder „sehr klein“. Umso ärgerlicher sei es, dass der Gemeinderat 2015 die Sanierung des Krematoriums beschlossen habe und eine Privatisierung des Hallenbades noch auf sich warten lasse. Auch die Grünen wollen das Stadtmarketing privatisieren. Das Mobilitätskonzept möchten sie „aktiv weiterentwickeln“. Um in der Strategiekommission eine Arbeitsgrundlage zu haben, soll die Stadt die Deckungsbeiträge aller hoheitlichen und freiwilligen Leistungen zusammenstellen. Den Stadtwerken attestierte Mailänder erste Erfolge bei der Entwicklung der neuen Geschäftsfelder. Überzeugt äußerte sich der Grüne bei einem Abstecher in die Landespolitik davon, dass der soziale Wohnungsbau „wieder Aufwind bekommen wird“. Die Bevölkerung rief er auf, leer stehende Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

SPD: Schwerpunkt liegt beim Wohnungsbau

Erich Klauser Foto: z
Die SPD sieht einen Schwerpunkt der künftigen Stadtpolitik bei der Schaffung bezahlbarer Mietwohnungen. „Wir gehen fest davon aus, dass Bund und Land die entsprechenden Vorschriften und Fördermöglichkeiten deutlich verbessern“, sagte der Fraktionsvorsitzende Erich Klauser. Er warnte angesichts des defizitären Haushalts „eindringlich“ davor, bei Vereins- und Sportförderung, Kultur-, Jugend- oder Seniorenarbeit den Rotstift anzusetzen: „Wir werden darauf achten, dass bestehende Strukturen wo notwendig geändert und angepasst, aber nicht zerstört werden“, sagte Klauser. Er forderte für alle Bereiche der Kommune „ein neues und besseres Kostenbewusstsein“. Hinter die Machbarkeit einiger 2016 geplanter Projekte (Jugendhaus oder Haldenschule) setzte er ein Fragezeichen: „Ist das realistisch?“ Der Erhalt bestehender Infrastruktur rechtfertigt aus Klausers Sicht „auch eine moderate Verschuldung“. Er forderte Verwaltung und Gemeinderat dazu auf, gemeinsam eine „Agenda 2020“ zu erarbeiten und stellte erneut die Frage, ob Ausgaben von 1,5 Millionen Euro für Stadtmarketingaktivitäten angemessen seien. Gelobt hat Klauser die Anstrengungen in der Kinderbetreuung. Wenn es aktuell keine Wartelisten gebe, „haben wir ein wichtiges Ziel erreicht“.

LE-Bürger/FDP: Kritik an „schlechter Haushaltsdisziplin“

Judith Skudelny Foto: z
Judith Skudelny, Haushaltssprecherin der LE-Bürger/FDP-Fraktion, kritisierte die „schlechte Haushaltsdisziplin“ aller Fraktionen im vergangenen Jahr und benannte dafür Beispiele. Diese verdeutlichten, „wie schwierig sparen wird, wenn die Bedenken zwar groß, die Stimmenzahl im Gemeinderat aber größer ist“. Große Lücken im Etat – bis 2019 stehen 42 Millionen Euro Schulden in Rede – könnten neue Gewerbebetriebe durch Steuerzahlungen stopfen, fordert die Fraktion neue Gebiete. Auch neue Wohnbauflächen seien erforderlich. Dafür, so Skudelny, sei man auch bereit, zusätzliches Personal zu bewilligen. Erneut, aber verklausuliert, hat die Fraktion nach einem zentralen Rathaus gerufen. Filderhalle und Krematorium mit zusammen etwa einer Million Euro Defizit betrachtete Skudelny kritisch: „Es fragt sich, ob wir diese Einrichtungen in Zeiten wie diesen wirklich sanieren und mit viel Geld betreiben müssen.“ Ein Fragezeichen setzte sie auch hinter die Effizienz des Mobilitätskonzepts. Bisher sei dies „eher ein Feigenblatt als ein Schritt zur Lösung unserer Verkehrsprobleme“. Die Fraktion forderte, freiwillige Leistungen künftig stärker zu hinterfragen, für die Messung von Brummtönen beantragte sie, 10 000 Euro in den Haushalt aufzunehmen.

Filderpiraten: Wohnungsbau mit Sozialquote gefordert

Claudia Moosmann Foto: z
Die Einzelstadträtin Claudia Moosmann (Filderpiraten) will weder die Bundesregierung noch die Flüchtlinge für den „vernachlässigten sozialen Wohnungsbau in Leinfelden-Echterdingen verantwortlich machen“. Die bürgerliche Mehrheit habe diesen in den vergangenen 15 Jahren immer als nicht finanzierbar abgelehnt. Moosmann beantragte nun, einen städtebaulichen Vertrag, um bei allen Wohnbauprojekten mit mehr als 20 Einheiten eine Quote von mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen festzuschreiben. Außerdem befürwortete sie „Mehrgenerationenhäuser für jüngere und ältere Geringverdiener“. Für die Filderpiraten legte sie auch Sparvorschläge vor. Dazu forderte sie etwa die Kosten der Wirtschaftsförderung (Ausgaben und Personal) zu halbieren, eine Liste aller freiwilligen Ausgaben bis zur Jahresmitte, aber auch die Abschaffung einiger Untergremien des Gemeinderats. Für den öffentlichen Nahverkehr verlangte sie die Einführung eines vergünstigten Sozialtickets. Defizite bemängelte Moosmann beim Eindämmen von Verkehrslärm. Die Planung der Nordspange in Leinfelden solle wieder aufgenommen werden, sagte Moosmann, die unter anderem auch beantragte, dass der Gemeinderat wieder regelmäßig in allen Stadtteilen tagen möge.