75 Millionen Euro will die Stadt ausgeben, um durch die energetische und zugleich mieterfreundliche Sanierung von Wohnungen über eine Million Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid einzusparen. Foto: dpa/Armin Weigel

Schon vor der geplanten Verabschiedung des Doppeletats 2020/2021 haben die Ratsfraktionen ein Paket von knapp 200 Millionen Euro geschnürt. Mit diesem Geld soll der Stuttgarter Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel verstärkt werden.

Stuttgart - Im Vorgriff auf die geplante Verabschiedung des Stadthaushalts am 20. Dezember haben die Stadträte am Mittwoch das Klimaschutzpaket des Oberbürgermeisters mit zusätzlichen Maßnahmen zum Klimaschutz festgezurrt – über das hinaus, was sich ohnehin schon Jahr für Jahr an Vorhaben und Projekten im Bereich Energiesparen und Klimaschutz niederschlägt. Der Klimaausschuss beriet über 134 Ergänzungsanträge der Fraktionen. Am Ende wurde der finanzielle Rahmen von 200 Millionen Euro um rund eine halbe Million unterschritten.

Formulierung der Präambel

Befindet sich das Weltklima in Not, oder haben wir es mit einem weltweiten Klimanotstand zu tun? Über diese semantische Frage haben die Stadträte lang gestritten. SPD, CDU, FDP und Freie Wähler sahen juristische Probleme mit dem Begriff „Notstand“ in der Präambel des Klimaschutzpakets, das Linksbündnis wiederum verteidigte die Formulierung. Denn: „Not macht erfinderisch“, so Hannes Rockenbauch (SÖS). Auch die Grünen nannten den Klimanotstand einen Fakt. Am Ende einigte sich die Mehrheit auf die Formulierung „Weltklima in Not“.

Energetische Sanierung von Wohnungen auf Kosten des Bioessens

Vor einer Woche noch war der SPD-Vorstoß, ein 100-Millionen-Euro-Programm zur mieterfreundlichen energetischen Sanierung von Wohnungen aufzulegen, gescheitert. Die Grünen und das Linksbündnis wollten dafür das Geld fürs Bioessen in städtischen Kantinen, Kindergärten und Schulen nicht opfern. Ein Kompromissvorschlag von OB Fritz Kuhn (Grüne) brachte den Durchbruch: Durch Umschichtungen im Klimaschutzpaket werden 75 Millionen für das Energiesparprogramm frei, darunter 18 Millionen aus dem Zuschuss fürs Bioessen. Biologisch, saisonal und regional wird trotzdem bis 2021 gefördert. Eingeplant ist auch ein Betrag von 18 Millionen Euro aus dem Jahresabschluss 2019.

CDU-Vorstoß für Klimaanleihe wird geprüft

Der Vorschlag von CDU-Fraktionschef Alexander Kotz für eine Klimaanleihe bei den Stuttgarter Bürgern wird in modifizierter Form zumindest in Erwägung gezogen. Kotz’ ursprünglicher Vorstoß, die Stadt könne Geld aus der Bürgerschaft für den Klimaschutz einsammeln und verzinsen, erwies sich als rechtlich unhaltbar: Städte dürfen laut Gemeindeordnung keine Bankgeschäfte tätigen. OB Kuhn und Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) wollen nun prüfen, ob man eine solche Anleihe über die BW-Bank laufen lassen könnte, deren Miteigentümer die Stadt ist und die de facto die Funktion einer Stadtsparkasse hat.

Künftig zwei autofreie Sonntage im Jahr

Für dieses Signal zum Umstieg auf Bahne und Busse will man künftig 1,14 Millionen Euro pro Jahr ausgeben, die autofreie Zone über die Theodor-Heuss-Straße hinaus ausdehnen. Das Geld soll zwei autofreie Sonntage pro Jahr ermöglichen, verbunden mit kostenlosen Fahrten in Bussen und Bahnen, was vor allem der SPD wichtig war. Die Grünen hätten gern erreicht, dass ohne Mehraufwand mehr autofreie Sonntage ermöglicht werden – am Ende einer pro Monat. Das Linksbündnis um SÖS und Linke hätte sogar gern eine wöchentliche Frequenz angepeilt. CDU-Stadtrat Ioannis Sakkaros sah in all dem eine „Verschwendung von Steuergeldern“. Die CDU-Fraktion stimmte dann aber für den SPD-Vorschlag als „kleinstes Übel“, wie Fraktionschef Alexander Kotz erklärte.

Vermeidung von Kurzstreckenflügen: OB Kuhn sucht neue Formulierung

Die Ansage von OB Kuhn, dass solche Flüge von und zum Flughafen Stuttgart vermieden werden sollen, wenn die Ziele in überschaubarer Zeit mit dem Zug erreichbar sind, wird wohl im Maßnahmenpaket enthalten bleiben. Spruchreif wird das aber erst bei der dritten Lesung des Stadthaushalts 2020/2021 am 20. Dezember. Da soll Kuhn eine Formulierung vorlegen, die auch die CDU unterschreiben kann. Die Union will Stand heute keine Reduzierung. Kuhn will sich an der Debatte im Flughafenaufsichtsrat orientieren. Die Stoßrichtung: Eine bessere Bahnverbindung zum Flughafen München, Gepäckeinchecken am Bahnhof und mehr Direktflüge statt Zubringerflüge zu Großflughäfen sollen den Passagieren Alternativen eröffnen.