Die Einbringung des Stuttgarter Haushaltes war im September vor dem Sitzungssaal des Gemeinderates von kreativem Protest begleitet. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Endspurt bei den Etatberatungen an diesem Freitag steht im Zeichen einer grandiosen Einnahmenentwicklung. Doch welche Akzente setzen die einzelnen Fraktionen?

Stuttgart - Wofür soll die Landeshauptstadt ihr Geld ausgeben, wofür nicht? Was in den gut sieben Milliarden Euro umfassenden Stadthaushalt 2018/2019 kommt, wird an diesem Freitag in der dritten und letzten Beratungsrunde ab 8.30 Uhr entschieden. Die Eingangsreden können im Internet mitverfolgt werden (www.schawa.tv/gemeinderat-live). Abstimmen dürfen 60 Gemeinderatsmitglieder und OB Fritz Kuhn (Grüne).

Der Ausbau der Belegschaft ist eine Besonderheit des Doppelhaushalts, der sich abzeichnet. Nach den bisherigen Beratungsrunden ist bereits klar, dass bei der Stadtverwaltung 534 Stellen entweder neu hinzukommen oder die Befristung verlieren, der Abfallwirtschaftsbetrieb 99 Stellen hinzugewinnt. Von diesen insgesamt 633 Stellen hatte die Verwaltungsspitze selbst 513 Stellen vorgeschlagen, 120 sattelten die Fraktionen in den Vorberatungen drauf. Den neuen Stellenplan debattierte der Gemeinderat schon am Donnerstag, formal beschlossen wird er in der dritten Lesung des Haushalts an diesem Freitag. Dann dürfte die eine oder andere Fraktion erneut versuchen, zusätzliche Stellenwünsche durchzubringen. Allerdings sind auch 165 Stellen zur Streichung vorgesehen.

So bleibt zum Beispiel trotz zusätzlicher 19 Kräfte (1,6 Millionen Euro pro Jahr) die Personalausstattung im Hochbauamt umstritten. Es galt als Flaschenhals für die Abarbeitung des Schulsanierungsprogramms. Viele Projekte verzögerten sich um Jahre, monierte SPD-Fraktionschef Martin Körner. SÖS/Linke-plus hätte hier gern noch mehr Personal, auch weil die Eigenplanungskapazität nicht steigt, diese aber im Blick auf junge, qualifizierte Bewerber ein Werbeargument sein könnte. Um die Zeitziele des Rates zu erreichen, seien 50 Stellen nötig, sagt die Personalvertretung.

Durch Krankheitsfälle war kein Personal mehr da

Ähnlich kritisch und inzwischen auch durch eine Organisationsuntersuchung belegt, stellt sich die Lage in den Bürgerbüros dar. Von den Anlaufstellen in den Stadtbezirken mussten einige kurzfristig für Tage geschlossen werden. Es war durch Krankheitsfälle schlicht kein Personal mehr da. 29 Stellen, davon fünf Springer (1,1 Millionen Euro), und die Verlagerung von Diensten ins Internet sowie Zentralisierung von Arbeiten sollen nun Abhilfe schaffen.

Ein wichtiger Punkt werden in der dritten Lesung auch noch die Gebühren für den Besuch der Kindertagesstätten und speziell der Regelkindergärten sein. Erst am Mittwochnachmittag machten CDU und Grüne mit einem gemeinsamen Antrag klar, was Sache wird: Speziell für den Kindergartenbesuch der Drei- bis Sechsjährigen sollen Haushalte mit der Familienkarte der Stadt pro Monat und Kind 50 Euro weniger bezahlen müssen – und so statt der bisher geringen Reduzierung einen satten Rabatt erhalten. Ab dem dritten Kind soll der Kindergarten gebührenfrei sei.

Außerdem will die Ratsmehrheit, dass mehr Familien in den Genuss dieser Ermäßigung kommen – weil die Verdienstgrenze für Haushalte mit Familienkarte von 60 000 auf 70 000 Euro pro Jahr angehoben werden soll. Das kostet die Stadt pro Jahr rund 1,7 Millionen Euro. Der SPD wird das voraussichtlich nicht genügen. Sie hatte stärkere Vergünstigungen und die schrittweise Beseitigung der Kitagebühren angestrebt. Warum davon auch Haushalte mit zum Beispiel 300 000 Euro Jahreseinkommen profitieren sollten, verstand aber die Mehrheit nicht.

Bewegung zeichnet sich Thema Grunderwerb ab

In der dritten Lesung wird auch ein letzter Versuch der Freien Wähler und der FDP erwartet, die Grundsteuer-Hebesätze sofort von 520 Punkten auf 490 Punkte zu senken, was die Stadt knapp neun Millionen Euro pro Jahr kosten würde. Fraktionen wie die SPD wollen auf die bisherigen Einnahmen nicht verzichten, sie lieber an anderer Stelle, etwa bei den Kitagebühren, an die Bürger zurückgeben. Von einer Steuersenkung würden Eigentümer großer Grundstücke wie Daimler, Porsche und Bosch profitieren, meint die SPD. Die CDU, die sich früher für die Grundsteuersenkung einsetzte, will es beim beschlossenen Verfahren der „intelligenten Grundsteuersenkung“ belassen. Die Hebesätze sinken dann fast auf den Stand vor der letzten Erhöhung im Jahr 2009, nämlich um bis zu 20 Prozent auf 420 Punkte, wenn zwei Jahre zuvor keine Schulden aufgenommen werden mussten. So wird es nun 2019 kommen. Grundstückseigentümer – und mittelbar auch die Mieter – sparen insgesamt etwa 28 Millionen Euro. Die FDP möchte sogar bis 2021 nur noch 400 Punkte.

Bewegung zeichnet sich auch beim Thema Grunderwerb für Wohnungsbau ab. Die Stadt soll mehr Grundstücke kaufen. Das mehrheitsfähige öko-soziale Lager fordert schon lange eine aktivere Bodenvorratspolitik. Besonders SÖS/Linke-plus will eine Offensive: mit einem Topf von rund 125 Millionen Euro pro Jahr für Bodenkäufe und für kommunalen Wohnungsbau. Andere Fraktionen streben die Vorgabe an, dass der Aufwand für Käufe die Verkaufserlöse der Stadt um mindestens zehn Millionen übertrifft.