Die Flüchtlingsunterkünfte leeren sich. Das Bild entstand bei einem Besuch Winfried Kretschmanns in Böblingen. Foto: FACTUM-WEISE

Der Landrat Roland Bernhard erklärt den Kreisräten den Haushaltsplan für das nächste Jahr. Mit Abstand größter Ausgabeposten ist der Sozialetat. Den bestimmen vor allem Vorgaben andernorts. Gleiches gilt für etliche weitere Etats.

Böblingen - Kaum steht der Landrat Roland Bernhard am Rednerpult, raschelt Papier im Kreistag. Bernhard beginnt seine Rede zum Haushaltsplan für das Jahr 2017. Die im Saal versammelten Bürgermeister finden auf Seite acht der Unterlagen die für sie interessanteste Zahl: Der Hebesatz für die Kreisumlage, nach dem sich die Zwangszuweisungen der Gemeinden an den Landkreis bemessen, sinkt erneut – von aktuell 37 auf 35,5 Prozent.

Bernhard vergleicht das Servierte mit einer Alkoholikaverkostung: „Vor ein paar Jahren mussten wir Ihnen noch Weinbrand servieren, inzwischen nähern wir uns verdaulichem Likör“, sagt er. 2011 war die 40-Prozent-Marke noch knapp erreicht. Seither sinkt sie langsam, aber nahezu Jahr um Jahr. Was im Umkehrschluss heißt: Die finanzielle Lage des Kreises entwickelt sich blendend. Dies trotz Zusatzausgaben wie dem Bau des neuen Flugfeld-Klinikums oder der Schönbuchbahn und steigenden Aufwands im Sozialetat.

Bundespolitische Vorgaben erhöhen die Sozialausgaben

Letzteres beispielsweise für die Eingliederung Behinderter. Dieser Posten wird 2017 erstmals die Marke von 50 Millionen Euro übersteigen. „Das soll bitte niemand in den falschen Hals kriegen“, sagt Bernhard, „aber die Entwicklung macht uns Bauchgrimmen“. Binnen zehn Jahren ist dieser Etat um mehr als 60 Prozent gestiegen. Dies vor allem wegen Vorgaben der Bundespolitik. „Wir erwarten, dass diese Ausgabedynamik gebremst wird“, sagt der Landrat und mahnt das Prinzip an: Wer bestellt, bezahlt auch. 2017 soll nach aktuellem Stand der Diskussion in Berlin um das Bundesteilhabegesetz die Zahl der Leistungsempfänger steigen. „Die Erfahrungen der Vergangenheit haben oft genug gezeigt, dass die Kreise auf den Kosten sitzenbleiben“, sagt Bernhard.

Auf die Einnahmen hat der Landkreis nahezu keinen Einfluss – es sei denn über eben die Kreisumlage. Die macht mit 210 von insgesamt knapp 439 Millionen Euro den größten Posten auf der Einnahmeseite aus. Abgesehen von der Grunderwerbsteuer setzen sich die Erträge ansonsten nahezu ausschließlich aus Zuweisungen oder Kostenerstattungen des Bundes oder des Landes zusammen. Auch die Regierenden in Stuttgart mahnte Bernhard, dass Zusatzaufwand mit zusätzlichem Geld zu verknüpfen sei. Nicht zum ersten Mal erklärte er überdies die Furcht, dass höhere Zuschüsse aus Berlin an „klebrigen Händen des Landes“ hängenbleiben könnten.

Größter Posten auf der Ausgabenseite ist mit Abstand der Sozialetat. Er macht rund 260 von 439 Millionen Euro aus. Pro Einwohner wendet der Kreis Böblingen für Soziales 356 Euro auf. Das sind knapp 30 Euro weniger als die Landkreise im bundesweiten Schnitt, aber für 2017 ist ein Plus von fast fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr vorgesehen. Die meisten Ausgaben entfallen dabei mit jenen 51 Millionen auf die Eingliederung Behinderter, 19,3 Millionen auf Leistungen für Arbeitslose, 9,6 Millionen als direkte Leistungen auf Aussiedler und Flüchtlinge.

Demnächst stehen Flüchtlingsunterkünfte leer

Deren Zustrom ist nahezu versiegt. Im Januar kamen noch 562 Asylbewerber in den Landkreis, im September waren es 23, im August gar nur acht. Dementsprechend werden in den Unterkünften immer mehr Plätze frei. Im Gegenzug sind die Gemeinden verpflichtet, die Asylbewerber in der sogenannten Anschlussunterbringung aufzunehmen. „Wir werden Kapazitäten abbauen“, sagt Bernhard.

Allerdings sollen auch teilweise leerstehende Unterkünfte für eine neue Einwanderungswelle vorgehalten werden. „Es gibt keine Prognosen, wie sich das entwickelt“, sagte Bernhard. „Wir brauchen einen Leerstand von etwas 20 Prozent. Ein Teil der eilig geschaffenen Unterkünfte könne aber den Kommunen überlassen werden, sei es eben als Wohnraum für Flüchtlinge oder zur Schaffung von Sozialwohnungen. Überdies kündigte der Landrat Anstrengungen für eine rasche Integration an.

Mehr als 31 Millionen Euro kostet der öffentliche Nahverkehr den Kreis. Er ist der drittgrößte Ausgabenposten und wird von 2016 auf 2017 um rund zehn Prozent steigen. Künftig ist ein weiteres kräftiges Plus zu erwarten. Der Regionalverband hat den 15-Minuten-Takt für die S-Bahn beschlossen und wird sich die Zusatzausgabe aus den Kassen der Kreise zurückholen. „Es ist gut, auf das erhöhte Fahrgastaufkommen zu reagieren“, sagt Bernhard, „aber es hätte sich gehört, mit den Betroffenen zu sprechen“. Zumal der Landrat mit Folgekosten in noch nicht kalkulierbarer Höhe rechnet: „Es ist doch klar, dass wir auf den 15-Minuten-Takt der S-Bahn beim Busverkehr reagieren müssen“, sagt er. „Das heißt, wir bezahlen zweimal.“