Ausnahmezustand in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 in Stuttgart-Heslach: Zwei der insgesamt 5 Wohnungen in dem Haus stehen angeblich seit bis zu zehn Jahren leer und wurden vor knapp drei Wochen besetzt Foto: dpa

Lohnt sich Hausbesetzung? Diese pikante Frage stellt sich angesichts der drohenden Zwangsräumung zweier Wohnungen in Stuttgart-Heslach. Denn dann müsste die Stadt den beiden Familien zumindest eine Notunterkunft besorgen.

Stuttgart - Im Fall der beiden besetzten Wohnungen in einem Haus im Stuttgarter Stadtteil Heslach hat das Landgericht Stuttgart den Hauseigentümern grünes Licht für eine Zwangsräumung gegeben. Dies bestätigte der Heilbronner Anwalt der Eigentümer, Erik Silcher, den „Stuttgarter Nachrichten“.

Sozialwohnung auf Umwegen?

In den beiden Wohnungen leben seit knapp drei Wochen zwei Familien: Eine Alleinerziehende mit neunjährigem Sohn sowie ein Paar mit einem einjährigen Kind. Sollte es zu einer Zwangsräumung kommen, müsste die Stadt beide Familien laut Silcher in einer Obdachlosen-Wohnung unterbringen, was in vielen Gemeinden gleichbedeutend sei mit einer Sozialwohnung. Auf der Warteliste für eine Sozialwohnung stehen in Stuttgart momentan über 4300 Haushalte. Ein Sprecher der Stadt erklärte dazu: „Sollte sich keine zumutbare Bleibe bis zur Räumung finden, ist die Stadt sozialrechtlich verpflichtet, eine Notunterkunft bereitzustellen.“

Eigentümer befürchten Aufruhr

Noch haben die Hauseigentümer keinen Gerichtsvollzieher mit der Zwangsräumung beauftragt. Laut ihrem Heilbronner Anwalt Silcher fürchtet man „Unruhen“ und „Aufruhr“, da die Hausbesetzer von linken Gemeinderäten und dem Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ unterstützt werden. Sie wollen damit ein Zeichen gegen Leerstand, steigende Mieten und die Wohnungsnot setzen.

„Rechtsbruch nicht tolerieren“

Auf die Forderung der Besetzer, sie zu bezahlbaren Konditionen dort wohnen zu lassen, wollen die Eigentümer aber offenbar auch nicht eingehen. Dabei gehe es gar nicht so sehr um die Miethöhe, so Anwalt Erik Silcher gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“, vielmehr wolle man „so einen Rechtsbruch eigentlich nicht tolerieren“. Als Kompromiss könnte er sich vorstellen, dass man die Strafanzeige zurücknehme, wenn die Besetzer im Gegenzug die Wohnungen räumten. Dann würden sie sich eine Strafe wegen Hausfriedensbruchs ersparen. Hausfriedensbruch ist ein sogenanntes Antragsdelikt, wird also von der Staatsanwaltschaft nur auf Antrag verfolgt.

Stadt will Leerstand nicht bestrafen

Laut dem Anwalt wollen seine Mandanten, denen das Haus in Heslach erst seit März gehört, die beiden Wohnungen in den nächsten Monaten „definitiv“ vermieten. Eine Luxussanierung sei nicht geplant, nur ein paar Renovierungsarbeiten. Laut den Hausbesetzern stehen die Wohnungen seit bis zu zehn Jahren leer. Nach Ansicht des Mietervereins sollte dieser Leerstand rückwirkend noch bestraft werden, die Stadt lehnt dies aber ab.