Prinz Ernst August von Hannover junior ist seit 2017 mit Ekaterina Malysheva verheiratet. Foto: dpa

Sie zählen zu den ältesten Adelsgeschlechtern Europas und stellten fünf englische Könige: Die Welfen. Jetzt ist das Haus Hannover wieder in den Schlagzeilen.

Stuttgart - Heinrich der Löwe, Kaiser Otto IV. – es sind Namen, die bis heute Klang und Bedeutung haben. Im Mittelalter waren die Welfen erstmals auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Im 18. und 19. Jahrhundert saßen sie sogar auf Englands Thron. Heute macht das Haus Hannover aber eher mit Privatfehden von sich reden – wie jüngst mit dem Streit um die Marienburg. Wer sind die Welfen? Eine Spurensuche.

Wie weit geht die Geschichte der Welfen zurück?

Die Welfen sind eines der ältesten Adelsgeschlechter Europas. Die Familie stammt ursprünglich aus dem Gebiet um Maas und Mosel. Im 12. Jahrhundert etablierten sich die Welfen als Gegenspieler der mächtigen Staufer: Heinrich der Löwe gründet nicht nur München, Schwerin und Lübeck, sondern sicherte sich durch eine geschickte Heirat auch große Macht in Europa.

1168 heiratete er Mathilde, die Tochter des englischen Königs. Doch Heinrich wurde Kaiser Friedrich Barbarossa schließlich zu mächtig. Er überreizte sein Spiel und wurde ins Exil verbannt. Erst Jahre später durfte er in die Heimat zurückkehren. Er starb 1195 in Braunschweig.

Lesen Sie auch: Wer ist die Familie Thurn und Taxis?

Heinrichs Sohn Otto aber wurde in England zum Lieblingsneffen des Königs, Richard Löwenherz. Dieser hatte schließlich auch seine Hände im Spiel, als Otto 1198 mit der Unterstützung von Kölner Kaufleuten überraschend zum römisch-deutschen König gewählt wurde. Die Staufer ihrerseits brachten dagegen Philipp von Schwaben in Stellung. Zehn Jahre rangen der Welfe und der Staufer um die Macht. Just als sich das Blatt zugunsten Philipps zu wenden begann, wurde der Schwabe 1208 ermordet.

Der Weg für den Welfen war damit frei: 1209 wurde Otto zum Kaiser gekrönt. Doch er fiel bald beim Papst in Ungnade, der Otto 1211 aus der Kirche ausschloss. Die Staufer witterten Morgenluft und opponierten gegen den Welfen. Otto IV. verlor all seine Besitztümer bis auf sein Braunschweiger Stammland. Er starb 1218 und hinterließ keine Nachfahren.

Die Welfen bestimmten fortan zwar noch die Geschicke im Norden Deutschlands, ihre Macht in Europa verloren sie allerdings. Es sollte Jahrhunderte dauern, bis das Geschlecht wieder ins Weltgeschehen eingriff.

Wie landeten die Welfen auf dem englischen Thron?

Steht in England eine offizielle Familienfeier an, sind oft auch Vertreter des Hauses Hannover geladen. Die Welfen und das britische Königshaus haben eine gemeinsame Geschichte.

1701 verabschiedete das englische Parlament den „Act of Settlement“. Damit waren alle Katholiken im Hause Stuart von der Thronfolge ausgeschlossen. Die Protestantin mit den größten Ansprüchen auf die englische Krone fand sich an der Leine: Sophie von der Pfalz. Die über 70-jährige Witwe von Herzog Ernst August zu Braunschweig-Lüneburg akzeptierte die Thronfolge.

Lesen Sie auch: Wer sind die Bernadottes – und wie kamen sie an den Bodensee?

Als 1714 auf der Insel die amtierende Königin Anne kinderlos starb, kam Sophies Sohn zum Zug. Georg Ludwig bestieg als Georg I. in London den Thron. Kurfürst von Hannover blieb er und regierte damit sozusagen in Personalunion.

Die enge Verbindung zwischen dem Welfenhaus und Großbritannien bestand 123 Jahre. Bis 1837 stellten die Hannoveraner insgesamt fünf britische Monarchen: Auf Georg I. folgten die Könige Georg II., Georg III., Georg IV. und Wilhelm IV.

Unrühmliche Bekanntheit erreichte Georg III. Er ist den Briten bis heute als „Mad King“, der wahnsinnige König, im Gedächtnis. Mediziner nehmen heute an, dass Georg an einer Stoffwechselkrankheit litt, die sich negativ auf seinen Geisteszustand auswirkte.

Mit dem Tod von Wilhelm IV. im Jahr 1837 war es vorbei mit der Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien. Auf der Insel ging die Krone an Wilhelms Nichte Victoria. Was in Großbritannien gang und gäbe war – eine Frau auf dem Thron –, war an der Leine unmöglich: Eine Königin war in der Hannoveraner Thronfolge nicht vorgesehen.

Statt Victoria wurde ihr Onkel, Ernst August I., Herrscher in Hannover.

Wie ging es mit dem Haus Hannover dann weiter?

Nachdem sich die Wege von Hannover und Großbritannien 1837 trennten, war dem Hause Hannover kein glückliches Schicksal beschieden: Erst auf dem Wiener Kongress von 1814 war aus dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg das Königreich Hannover geworden.

Rund 50 Jahre später war es damit schon wieder vorbei. Im Deutschen Krieg von 1866 annektierten die Preußen das Königreich und jagten die Welfen vom Hannoveraner Hof. Die Familie ging nach Österreich ins Exil.

Lesen Sie auch: Wer ist die Familie von Württemberg?

1913 erhielten die Welfen zumindest einen Teil ihres Machtbereichs zurück: das Herzogtum Braunschweig. Ein kleiner Trost – nur wenige Jahre später war die Monarchie in Deutschland Geschichte.

Eine eher unrühmliche Rolle nahm die Familie im Nationalsozialismus ein: Der Chef des Hauses investierte Ende der 1930er Jahre im großen Stil in ehemals jüdische Unternehmen. Die Hannoveraner hatten bei der Aufarbeitung dieses dunklen Teils der Welfen-Geschichte ungewöhnlich große Transparenz an den Tag gelegt. 2016 hatte Ernst August junior Historikern zu diesem Zweck das Familienarchiv geöffnet: Es sei ihm „ein persönliches Anliegen, hier eine umfassende und professionelle Aufarbeitung zu ermöglichen“, sagte er damals.

Wer vertritt heute die Welfen-Familie?

Chef des Hauses ist heute Ernst August Prinz von Hannover. In dieser Funktion vertritt der Urenkel des letzten deutschen Kaisers seit 1987 die weitverzweigte Welfen-Familie. Der Mann von Prinzessin Caroline von Monaco ist kein Freund der Presse – und beschreitet nicht nur den Klageweg, um seine Privatsphäre zu schützen. Immer wieder nahm der Prinz auch das Faustrecht in Anspruch.

2004 übertrug Ernst August senior viele Familienbesitztümer an seinen Sohn, Ernst August junior. Der 35-jährige Investmentbanker ist Ernst Augusts Sohn aus erster Ehe mit der Schweizerin Chantal Hochuli. Junior ging in England aufs Internat und lebte lange Zeit in London, ist aber inzwischen vorwiegend in Niedersachsen zu Hause.

Seit 2017 ist der Prinz mit der russischen Modedesignerin Ekaterina Malysheva verheiratet. Zur Vermählung in der Hannoveraner Marktkirche kam das Who is Who des europäischen Adels: Die Monegassen waren ebenso vertreten wie der Preußenprinz Georg Friedrich und seine Frau Sophie. Schließlich waren die Welfen einst ein regierendes Haus.

Das Welfen-Paar hat eine Tochter, Prinzessin Elisabeth, und erwartet nun ein zweites Kind. Ernst August junior gilt als zurückhaltend und meidet das Rampenlicht. Durch den Disput mit seinem Vater um die Marienburg gerät der Prinz jetzt unfreiwillig in den Fokus der Medien.

Worum geht es beim Streit um die Marienburg?

Der mittelalterliche Eindruck trügt: Die Marienburg, unweit von Hannover gelegen, stammt aus dem 19. Jahrhundert. In den 1860er Jahren machte Georg V. von Hannover die Burganlage im neugotischen Stil seiner Gemahlin, Königin Marie, zum Geschenk.

So romantisch die Anfänge, so garstig ist der Zank, der jetzt um die Marienburg entbrannt ist: Ernst August senior und junior streiten um die Zukunft des Schlosses.

Aber von Anfang: 2004 übertrug Ernst August senior den Besitz der Welfen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt seinem Sohn - darunter auch die Marienburg. 2017 erklärte Ernst August Junior, er könne sich den Erhalt der Welf’schen Sommerresidenz nicht mehr leisten. Er gab Sanierungskosten in Höhe von etwa 27 Millionen Euro an, die seine Mittel weit überstiegen.

Ernst August fädelte daraufhin einen Deal mit dem Land Niedersachsen ein: Eine Tochter der Klosterkammer Hannover übernimmt Schloss Marienburg – für den symbolischen Preis von einem Euro.

Die Welfen hatten in den vergangenen Jahrzehnten schon häufiger Familienschätze zu Geld gemacht: 2005 brachte ein Kunstverkauf 44 Millionen Euro, 2011 verkauften sie Gut Calenberg, lange Hauptwohnsitz der Familie.

Doch bei der Marienburg legte der Senior sein Veto ein: Ernst August von Hannover will nicht, dass das Schloss verkauft wird und widerrief die Schenkung – wegen „groben Undanks“. Das Land Niedersachsen legte den Deal daraufhin auf Eis – bis die Zwistigkeiten zwischen Vater und Sohn um die Burg geklärt sind.

Der Junior will indes am Verkauf festhalten. Prinz Ernst August erklärte dieser Tage in einem Interview mit der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, die Öffentlichkeit mache sich völlig falsche Vorstellungen vom Reichtum seiner Familie: „Es ist ... ein Mythos, dass das Welfenhaus unermesslich reich sei.“

Wenn nicht einer der beiden Hannover-Prinzen einlenkt, wird der Streit um die Marienburg wohl weitergehen – und die jahrhundertelange Welfen-Saga damit auch.