Paula Lutum-Lenger ist auf der Suche nach neuen Besucherschichten im Haus der Geschichte Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Vom kommenden Jahr an leitet Paula Lutum-Lenger das Haus der Geschichte – Die langjährige Stellvertreterin eröffnet am 3. Dezember das Hotel Silber

Stuttgart - Paula Lutum-Lenger wird die neue Leiterin des Hauses der Geschichte. Zumindest bis Ende dieses Jahres bedeutet dies erst einmal keine größere Änderungen. Dann ist die Schlüsselübergabe an sie als Nachfolgerin von Thomas Schnabel, der das Haus seit der Gründung an im Jahre 1989 leitete und nun in den Ruhestand wechselt. Und bis dahin wird sie noch drei große Ausstellungsprojekte eröffnen, die sie von Anfang an betreut hat als Ausstellungs- und Sammlungsleiterin sowie als stellvertretende Leiterin ebenfalls von 1989 an.

Das ist zum einen die Große Landesausstellung „Vertrauensfragen – Der Anfang der Demokratie im Südwesten 1918 bis 1924“, die am 30. September in dem Haus an der Konrad-Adenauer-Straße eröffnet wird. Am 3. Dezember wird das Hotel Silber eröffnet schräg gegenüber am Charlottenplatz, in dem die ehemalige Stuttgarter Gestapo-Zentrale untergebracht war. Dazwischen gibt es noch das Projekt „Justiz in der NS-Zeit“ in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Landgericht.

Jetzt kommen die Vitrinen ins Hotel Silber

„Bei der Großen Landesausstellung sind wir jetzt in der Schlussphase“, so Lutum-Lenger, „wir stellen jetzt den Katalog fertig und beginnen mit dem Aufbau“. In Sachen Hotel Silber hat Mitte Juli eine Baustellenführung stattgefunden. „Da sind jetzt die ersten Vitrinen eingebaut. Die Umbauarbeiten gehen zu Ende, die Maler haben ihre Arbeit gemacht. Das sieht jetzt schon ein Stück weit nach Ausstellungsgebäude aus. Der Eröffnungstermin 3. Dezember ist anspruchsvoll, aber realistisch.“ Wie es mit dem Haus der Geschichte in den nächsten fünf Jahren dann weitergeht, darüber will sie sich dann Anfang des Jahres 2019 äußern.

So viel steht jetzt schon fest: „Natürlich wird es da weitere Ausstellungen geben. Und dazu finden neben der aktuellen Arbeit auch schon Gespräche und Terminierungen statt. Und dazu gehören Überlegungen, welche Begleitveranstaltungen wir im Hotel Silber anbieten werden, wie wir überhaupt dieses Gebäude bespielen wollen“, so Lutum-Lenger: „Die Vermittlung ist unser zentrales Thema: Wie können wir Schüler und die vielen anderen Besucher für unsere Anliegen interessieren? Welche Workshops, welche Programme passen?“

Historische Ausstellung für einen historischen Ort

Das Hotel Silber wird ein dauerhafter Museumort. „Dieser historische Ort wird mit einer historischen Ausstellung bespielt, die wir mit einer Bürgerinitiative und der Stadt entwickelt haben“, so „Lutum-Lenger, „jetzt sind wir in der Feinkonzeption. Außerdem sind jetzt fast alle Exponate da, da kommen die Beschreibungen der einzelnen Objekte dazu.“

Das Hotel Silber ist da schon eine besondere Herausforderung: „Wie kann Geschichte erlebt und erfahren werden? Und das gerade an solch einem Täterort: Da saßen ja Menschen an den Schreibtischen und haben ihre Unterschriften gesetzt etwa unter Deportationsbefehle. Was bedeutete dies für die Betroffenen, die jüdische Bevölkerung, die Kommunisten, Sinti oder Roma? – Auf dieser Basis entwickeln wir Programme für die verschiedensten Besuchergruppen.“ Denn, so Lutum-Lenger: „Die Aufteilung der Räume haben wir erhalten. Das bedeutet: Die einzelnen Räume sind eher klein. Deshalb werden wir eher mit kleineren Gruppen unterwegs sein, die sich jeweils mit anderen Themen auseinandersetzen können. Punktuell kommen sie zusammen, um gemeinsam das Erlebte zu reflektieren.“ Und dies muss keineswegs nur im Gebäude stattfinden: „Nicht weit davon entfernt ist die die Stauffenberg-Erinnerungsstätte, das Denkmal an die Opfer des Nationalsozialismus, oder das von Alfred Hrdlicka geschaffene Denkmal an Eugen Bolz. Das kann man auch über den Stadtraum hinaus entwickeln oder Bezüge zu unserer Dauerausstellung herstellen.“

Persönliche Dokumente sprechen die Besucher direkt an

Lutum-Lenger interessiert sich ebenso für die Leihgeber von Exponaten: „Was bedeutet es für die Kinder von Opfern oder Tätern, wenn sie uns Objekte für Ausstellungen hinterlassen wie das Foto-Album eines Gestapo-Beamten? Dazu entwickeln wir Gesprächsformate: Warum ist solch ein Geben wichtig für jemand, was kann man anhand solcher persönlicher Dokumente überhaupt zeigen?“

Diese Form von Personalisierung und Individualisierung zeichnet generell die Arbeit im Haus der Geschichte aus seit nun bald 30 Jahren. Lutum-Lenger: „Persönliche Dokumente sprechen die Besucher direkt an: Wie hätten sie sich selbst in solchen Situationen verhalten?“ Das sind dann die Hauptsäulen ihrer Arbeit: Wie wird Geschichte erlebt und erfahren? Und vor allem: Was hat dies mit heute zu tun? Denn die Interessenlage der Gesellschaft generell und damit auch der Museumsbesucher wird zunehmend ausdifferenzierter: „Um möglichst viele Besucher zu erreichen, müssen wir also möglichst vielfältige Interessenpunkte ansprechen“, so Lutum-Lenger. Und dazu gehört eben auch, immer neue Wege zu suchen, sich neu orientieren, scheitern und Bewährtes fortführen.

Eine Bereicherung der Kulturlandschaft

Für die anstehende Große Landesausstellung „Vertrauensfragen“ arbeitet das Haus der Geschichte unter anderem mit dem Theater unter der Dauseck in Oberriexingen zusammemn, das auf Basis der Recherchen der Kuratoren ein Stück entwickelt hat. „Die Aufführungen wurden gut angenommen. Auf diese Wiese können wir neue Besuchergruppen erschließen. Es ist wichtig, immer Wieder Neues auszuprobieren. Aber dafür benötigt man oft auch Geduld, das schlägt nicht immer gleich von Anfang an ein.“

Seit April dieses Jahres hat das Haus der Geschichte einen ebenfalls sehr aktiven Nachbarn, das Stadtpalais, das Museum der Stuttgarter Stadtgeschichte. Lutum-Lenger: „Die Häuser sind ja ganz verschieden ausgerichtet, nicht nur fachlich, sondern auch in der Herangehensweise. Das ist jetzt vor allem erst mal eine Bereicherung der Kulturlandschaft der Stadt. Momentan bedeuten die vielen Baustellen in der Innenstadt zwar große Einschränkungen, vor allem für die Erreichbarkeit der Museen. Aber wenn alles fertig ist: Von der Staatsgalerie über das Kammertheater, das Haus der Geschichte, die neue Landesbibliothek, das Staatsarchiv, das Stadtpalais und schließlich über den Charlottenplatz zum Hotel Silber, zur Stauffenberg-Erinnerungsstätte, zum Landesmuseum Württemberg und zum Kunstmuseum – das ist doch eine Reihe von Kultureinrichtungen, die sich sehen lassen kann“.