Frank Plasberg blickte bei „Hart aber fair“ in die Zukunft. Foto: imago/Horst Galuschka/Horst Galuschka

Bei „Hart aber fair“ hat Frank Plasberg einen starken und einen peinlichen Moment. Und die 22-jährige Carla Reemtsma (Fridays-For-Future) überrascht: Konsumverzicht bringe wenig und Heizpilze seien okay.

Stuttgart - Endlich mal eine Talkrunde ohne das Corona-Thema, aber ganz ohne Anspielungen auf die Pandemie kam „Hart aber fair“ am Montag zum Thema Klimawandel („Verheizen wir unseren Planeten?“) dann doch nicht aus. Mehrfach sind Parallelen gezogen worden, und der Naturfilmer und Autor Hannes Jaenicke – den Moderator Frank Plasberg später der Umweltheuchelei überführen wollte – bezeichnete die Corona-Krise als „Klacks“ im Vergleich zu den gravierenden Folgen des Klimawandels. Vor dem hätten Wissenschaftler schon vor 30 Jahren gewarnt, ohne dass sich etwas geändert habe, wenngleich heute die Politiker ihr Ohr ständig bei den Virologen haben und auf jeden Rat sofort einschwenken.

Ein Nackensteak grillen? Das muss doch erlaubt sein

Und ein Zuschauer fragte am Ende der Sendung, wie wohl der Klimaschutz aussehen würde, „wenn die Medien neun Monate hintereinander wie bei Corona nur über den Klimawandel“ berichteten. Klare Entscheidungen – das war der Tenor des Abends – sind auch beim Klimaschutz gefragt, und Plasberg stellte die Leitfrage: „Kann uns die Corona-Krise nicht eine Blaupause liefern für schnelles Handeln?“

So wie die Gästeschar bunt, so waren auch die Ansichten gespalten, ob das politische Tun nun ausreiche oder nicht. Auf der gemäßigten, beruhigenden Seite stand der Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Ralph Brinkhaus, der aufzählte, was die Regierung schon alles geleistet habe fürs Klima, man sei unter den „Top drei“ auf der Welt bei den Erneuerbaren Energien, und im übrigen müsse man Menschen auch „mitnehmen“ auf dem Weg zum Klimaschutz, auch diejenigen mit Verbrennungsmotor im Auto und die gerne Nackensteaks grillten. Man brauche die Akzeptanz derjenigen, „die normal in der Mitte leben“.

Die Zementindustrie – eine Emissionsschleuder

„Wenn wir die Leute aufteilen in die Guten und die Blöden, die es nicht kapiert haben, dann haben wir schon verloren.“ Im übrigen stellt Brinkhaus schon einen Bewusstseinswandel fest, sein Nachbar habe den Dachstock gedämmt, und es gebe immer mehr in Deutschland, die sich sagten, sie machten in diesem Jahr mal einen Wanderurlaub. Diese feinen Beobachtungen der optimistischen Art blieben unkommentiert, immerhin ergänzt vom Zementunternehmer Dirk Spenner, der mit der Statistik konfrontiert wurde, dass 8,5 Prozent der Kohlendioxidemissionen aus dem PKW-Sektor kommen, aber immerhin schon 6,6 Prozent von der Zementindustrie. Ja, sagte Spenner, man müsse aber auch berücksichtigen, dass anders als beim Verbrennen fossiler Brennstoffe beim Zement zwei Drittel des Kohlendioxids aus dem Gestein komme, das sei naturgesetzlich vorgegeben. Ein Trost? Vielleicht dann doch eher der Hinweis, dass die Industrie im Emissionshandel sei und den CO2-Ausstoß schon gesenkt habe.

Kann man den Chinesen den Wohlstand verwehren?

„Wir haben beim Klimaschutz auch eine stark deutsch geprägte Diskussion, aber der ist ein globales Thema“, so Spenner. Dass mehr als die Hälfte des Zements in China produziert und verbraucht werde, müsse auch gesehen werden, und andere Länder wollten sich eben „auch Wohlstand erarbeiten und daran teilhaben“. So einen Wohlstand hat auch Deutschland genossen und tut es noch – so lag hier der Wohnungsverbrauch 1965 noch bei 22 Quadratmeter pro Person, heute liegt er bei 45 Quadratmeter. Sollen wir also enger wohnen in Zukunft, fragte Plasberg. Da rief dann niemand ein „Ja“ in der Gästerunde. Der Zementunternehmer immerhin wies daraufhin, dass Deutschland bei der Umwelttechnik und der Energieeffizienz Maßstäbe setzen könne: „Dann guckt das Ausland auf uns.“

Heizpilze sind nicht so schlimm wie Kohleverfeuerung

Die jüngste unter den Studiogästen, die 22-jährige Carla Reemtsma von Fridays-for-Future, verlangte ein Drehen an den großen Stellschrauben wie Industrie, Verkehr und Gebäudesektor, um die Emissionen rasch zu senken, das bringe mehr, als den Lebensstil „in meiner WG“ zu verändern. „Wir sprechen bei Fridays-for-Future deshalb auch selten über Konsumverzicht.“ Auch die hitzige Diskussion über das Aufstellen von Heizpilzen in der Außengastronomie hält Reemtsma – die einen Führerschein hat, aber seit vier Jahren kein Auto gefahren ist – für verfehlt: „4000 Heizpilze haben den gleichen Emissionswert wie eine Stunde Kohlekraftwerksbetrieb. Damit ist doch alles gesagt.“ Natürlich forderte auch Reemtsma konsequentes Handeln wie bei Corona von der Politik, und zwar sofort: beispielsweise eine Abschaffung der jährlich fast 50 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen etwa für das Diesel- und Dienstwagenprivileg oder die Kerosinsteuerbefreiung.

„Stellen Sie sich vor, Frau Reemtsma hat noch 70 Jahre vor sich“

Ausgerechnet im Fall der jungen Umweltaktivistin lieferte Plasberg dann den peinlichsten Moment der Sendung mit einer persönlichen Endzeitberechnung. Er forderte die anwesende Meeresbiologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Antje Boetius, dazu auf, sich die Situation von Frau Reemtsma mal im Alter auszumalen: „Stellen Sie sich mal vor, sie hat noch 70 Jahre vor sich. Dann ist sie 90. Was wird sie da noch erleben auf der Welt?“

Boetius hatte wenig Lust, diese Personenzeitreise mitzumachen, entwarf dann aber doch ein Schreckenszenario. Ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter werde zehn Prozent der Menschheit, die nicht mit Deichen geschützt sind, treffen und in Leid und Not stürzen. „Wo sollen die denn hin?“ Auch werde unsere Generation vielleicht die letzte sein, die die Arktis im Sommer noch eisbedeckt erleben werde. So ganz aufgeben wollte Boetius die Hoffnung, dass die Pariser Klimaziele noch erreicht werden könnten, allerdings nicht. Sie verwies auf klimapolitisch vorbildliche Städte wie Tübingen und Freiburg, lobte aber vor allem das „sehr ehrgeizige Ziel“ der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die die Emissionen bis 2030 um 55 bis 60 Prozent vermindern will. „Klimaschutz geht nur in großen Allianzen“, so Boetius.

Der Naturfilmer sucht argumentativen Beistand

Der stärkste Auftritt von Moderator Plasberg ist rasch erzählt: Da konfrontierte er den sehr bestimmt auftretenden Naturfilmer Jaenicke ( „Die CDU hat die Klimawende radikal ausgebremst!“) mit Fotos, die ihn als Demonstranten gegen den Bau von 18 Windrädern im hessischen Reinhardswald ausweisen. Ein vehementer Klimaschützer also, der Erneuerbare Energien verhindern will? Jaenicke wandte sich dann für argumentativen Beistand an die Wissenschaftlerin Boetius, woraufhin Plasberg ihn stoppte: „Nee, Herr Jaenicke, Sie können sich schon selbst verteidigen.“ Das tat der dann auch. Waldschutz sei auch Klimaschutz und man dürfe den Reinhardswald – ein wertvoller Mischwald – nicht einfach „wegsägen“. Über den Platzbedarf einer Windkraftanlage ist dann nicht mehr gesprochen worden.