Mensch und Maschine sollen zunehmend Hand in Hand arbeiten.   Foto: dpa

Industrieroboter werden plötzlich zu Kollegen, Unternehmen müssen wegen der Digitalisierung komplett umgebaut werden: Bei der Hannover Messe, die an diesem Montag beginnt, dreht sich alles um künstliche Intelligenz und die Fabrik der Zukunft.

Stuttgart/Hannover - In Hannover treffen sich vom kommenden Montag an wieder Politiker, Wirtschaftsbosse und Wissenschaftler. Wer hier nicht dabei ist, findet nicht statt. Auf der Industriemesse wird es natürlich um wirtschaftspolitische Themen gehen. Die Besucher kommen jedoch nicht zuletzt wegen neuer Technologien. Dies sind die Schwerpunkte:

Feinfühlige Cobots

Sie heißen Cobots, einen Kosenamen haben sie also schon. Die Industrieroboter, ausgestattet mit zahlreichen Sensoren, arbeiten mit den Menschen Hand in Hand. Noch sind die kollaborierenden Roboter eher selten in deutschen Fabrikhallen zu finden. Doch nach dem Willen der Industrie sollen Cobots künftig vermehrt dort einziehen. Die Autoindustrie gilt als Vorreiter. So arbeiten bei BMW und Ford seit einigen Jahren Knickarmroboter Seite an Seite mit menschlichen Kollegen. Sie reichen dem Facharbeiter Werkzeuge und bringen ganz selbstständig Dichtungen in Autotüren an. So sollen Beschäftigte vor monotonen und körperlich anstrengenden Tätigkeiten verschont werden. Und weil die kleinen Leichtbauroboter teilweise nur zehn Kilogramm auf die Waage bringen, können sie problemlos getragen und an unterschiedlichen Positionen eingesetzt werden. Fraunhofer Austria Research hat allerdings herausgefunden, dass kollaborative Leichtroboter „noch massive Defizite in Bezug auf IT-Security“ aufweisen – eine Schwachstelle dabei ist die Sicherheit der erfassten Informationen.

Job-Killer scheinen Roboter nicht zu sein, hat die arbeitnehmernahe Böckler-Stiftung herausgefunden, zumindest in Deutschland nicht. Eine Untersuchung hat ergeben, dass durch den Einsatz von Robotern in der deutschen Industrie genauso viele Stellen weggefallen wie im Dienstleistungsbereich entstanden sind – nämlich 275 000. Allerdings basiert dieses Ergebnis, das erst vor wenigen Monaten veröffentlicht wurde, auf Zahlen aus den Jahren 1994 bis 2014.

Rasanter Wandel in der Industrie

Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und datenbasierte Geschäftsmodelle werden die Unternehmen komplett verändern – davon sind drei Viertel der Verantwortlichen aus der Autoindustrie und dem Maschinenbau überzeugt, die von der Unternehmensberatung McKinsey befragt wurden. „Natürlich gab es auch früher Entwicklungssprünge in der Industrie. Doch diesmal verändert sich nicht nur die Technologie, sondern für alle Unternehmen auch das fundamentale Geschäftsmodell“, sagt Thomas Baumgartner, Leiter der europäischen Beratung für Industrieunternehmen bei McKinsey. Wie rasant die Entwicklung ist, zeigen folgende Zahlen: 20 Milliarden Geräte – dazu gehören Maschinen, Haushaltsgeräte und auch Autos – sollen bereits mit dem Internet verbunden sein, täglich kommen weitere 50 Millionen weitere hinzu, hat Kinsey ausgerechnet. Beispiel Autoindustrie: Diese Branche setzt mit Mobilitätsdienstleistungen derzeit 30 Milliarden Dollar (24 Milliarden Euro) um, bis 2025 soll der Wert auf 400 Milliarden Dollar schnellen.

Wer den Wandel nicht aktiv angeht, riskiert aus dem Markt gedrängt zu werden, befürchten die Experten von McKinsey. Dieses Bewusstsein scheint sich nicht in jedem Unternehmen hierzulande durchgesetzt zu haben. 47 Prozent der deutschen Firmen hätten noch keine Digitalisierungsprojekte angestoßen, geht aus der Untersuchung der Telekom-Tochter T-Systems hervor. „Der Hype um die Industrie 4.0 und die Realität in den Unternehmen passen noch nicht ganz zusammen“, urteilt Peter Klingenburg, Geschäftsführer bei T-Systems Multimedia Solutions. Gründe seien fehlendes Know how, fehlende technische Voraussetzungen sowie hohe Investitionen. Vielleicht mangelt es wegen der derzeit guten Auftragslage der Unternehmen auch an Kapazitäten, um sich mit solchen Themen zu beschäftigen. Allerdings warnen Kritiker vor Aktionismus: „Wir brauchen nicht so viel Digitalisierung wie möglich, sondern wie notwendig“, sagt Frank Lennings vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaften.

Wächter der Maschinen

Früher wurde eine Maschine nach festen Wartungsintervallen oder bei einem Schaden repariert. Künftig soll sie gar nicht mehr ausfallen, sondern passgenau im Vorfeld gewartet werden. Predictive Maintenance, sagen die Fachleute auf neudeutsch dazu, vorausschauende Wartung. Damit lasse sich viele Geld sparen, versprechen die Experten. Denn Maschinen, die ausfallen, kosten Geld. Viele Maschinenbauer rüsten ihre Geräte bereits standardmäßig mit Sensoren aus. Über das Internet kann dann der Hersteller aus der Ferne den Zustand der Anlage kontrollieren. So erkennt er früh, wenn die Temperatur steigt oder zu hohe Vibrationen auftreten – und er weiß konkret, wo das Problem liegt. Er kann Mitarbeiter dann bei der Reparatur anleiten, ohne vor Ort sein zu müssen. Maschinenbauer setzen große Hoffnungen in dieses Angebot. Aber anscheinend spielt der Kunde nicht so recht mit. Dreiviertel der Unternehmen sehen in Predictive Maintenance für sich keine brauchbare Technik, hat eine Umfrage der Unternehmensberatung Staufen ergeben. Grund sei, dass viele Maschinenausfälle auf Bedienungsfehler zurückzuführen seien, ein Problem, das Predictive Maintenance nicht löse.