Verkehrschaos in der iranischen Hauptstadt Teheran – das Land gilt als eines der wichtigen Automobilstandorte im Nahen und Mittleren Osten Foto: dpa

Die Firmen stehen in den Startlöchern: Sie hoffen auf eine historische Einigung beim jahrelangen Atomstreit mit dem Iran am Dienstag. Das würde zu einem weiteren Abbau von Sanktionen führen. Bisher sind Exporte heikel und teuer – das betrifft auch Güter, die gar nicht auf der Sanktionsliste stehen.

Yazd/Teheran/Stuttgart - Wie riesige Gerippe ragen Metallstreben und unverputzte Betonmauern in den Himmel. Die halbfertigen hellbraunen und grauen Häuser in den ländlichen Gebieten rund um die iranische Wüstenstadt Yazd stehen für die wirtschaftliche Situation, in der sich viele Iraner befinden. Diese sind die Hauptleidtragenden des Embargos gegen den Iran, aufgrund des seit zwölf Jahre schwelenden Atomstreits. Und auch sie sind ein Grund dafür, warum sich die iranische Regierung wieder langsam an den Westen annähert.

Die baden-württembergischen Unternehmen wittern für den Fall, dass es zu einer Einigung und einer weiteren Lockerung der Sanktionen kommt, großes Geschäftspotenzial im Iran. Bis zum 30. Juni wollen die fünf UN-Vetomächte und Deutschland eine Einigung mit dem Iran erreichen. Dabei soll sichergestellt werden, dass das Land keine Kernwaffen entwickelt. Der Iran fordert die Aufhebung des Embargos.

Bisher läuft der Export von nicht sanktionierten Gütern in den Iran im Geheimen ab. So wie die Geschäfte eines Händlers aus Leonberg. Der 63-Jährige besorgt Produkte für die iranische Industrie und schickt sie nach Teheran. „Es handelt sich dabei nicht um Güter, die von den Sanktionen betroffen sind“, betont er immer wieder. Und trotzdem will er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. „Auf Unternehmer, die mit dem Iran Geschäftsbeziehungen unterhalten, wird extremer Druck ausgeübt“, sagt er. „Vor allem von den Amerikanern.“ Das hat zur Folge, dass sich in den vergangenen Jahren alle großen Banken aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen haben.

„Es gibt nur noch eine Handvoll Banken, die den Zahlungsverkehr zwischen iranischen Unternehmen und deutschen Exporteuren abwickeln“, bestätigt der Jurist Afshin Ghassemi von der Hamburger Kanzlei WZR unserer Zeitung. Die Kanzlei WZR ist die erste größere deutsche Wirtschaftskanzlei, die einen Standort in Teheran eröffnet hat. Mit ihrem Beratungsnetzwerk Germela hilft sie deutschen Unternehmen dabei, im Iran wirtschaftlich Fuß zu fassen.

Die Banken, die Iran-Geschäfte abwickeln, stehen auf einer geheimen Liste. „Auch wir kennen diese Institute nicht“, sagt ein Sprecher des Bundesverbands deutscher Banken. Auch er begründet das Abtauchen der Banken mit angedrohten Strafmaßnahmen durch die USA.

„Die Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Zahlungen sind der Hauptgrund dafür, dass die Exporte so stark eingebrochen sind“, sagt Ghassemi. 2006 lag das Exportvolumen von Deutschland in den Iran noch bei 4,2 Milliarden Euro – und ist bis 2014 auf 2,4 Milliarden Euro gesunken. Das Potenzial jedoch ist enorm: So hat der Iran 2013 insgesamt Waren im Wert von rund 44 Milliarden Euro importiert.

2012 hat die Europäische Union beschlossen, den Iran vom internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift abzukoppeln. Die Finanzierung von Iran-Geschäften kann seitdem nur noch über Drittländer abgewickelt werden. „Der Zahlungsverkehr läuft meistens über sogenannte Wechselstuben in Saudi-Arabien, in der Türkei oder auch Georgien“, sagt Ghassemi.

Für die Handelspartner ist das nicht nur mit einem vermehrten Personal-, Bürokratie- und Zeitaufwand verbunden. „Bei der Zahlung über Drittländer muss mit einem Aufschlag beim Preis von bis zu zehn Prozent gerechnet werden“, so Ghassemi. „Die wirtschaftliche Isolation hat dazu geführt, dass viele Produktionsstätten bis zu 60 Jahre alt sind“, so der Jurist und Unternehmensberater. „Also völlig veraltet.“

Mitten in der iranischen Hauptstadt Teheran hat Amir Simard, Experte für internationale Angelegenheiten bei der iranischen Handelsklammer, sein Büro. „Die Endnutzer leiden am meisten unter dem Embargo“, sagt er unserer Zeitung. „Der Preisdruck wird entlang der Wertschöpfungskette nach unten weitergegeben.“

Die unvollendeten Häuser sind ein gutes Beispiel für die schwierige Situation vieler Iraner. Importierte Güter wie bestimmte Baumaterialien sind teuerer geworden. „Dazu kommt die hohe Inflation“, sagt Simard. „Das bedeutet: Zahle mehr für weniger.“ Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) lag die Inflationsrate 2013 bei satten 35,2 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland stiegen die Preise im gleichen Zeitraum lediglich um 1,5 Prozent an. Eine finanzielle Planbarkeit – etwa von Bauvorhaben – ist für die Iraner also so gut wie unmöglich. Und obwohl die Akademikerquote im Iran hoch ist, finden viele Absolventen keinen Job. Die Arbeitslosenquote liegt laut IWF bei 14 Prozent. „Die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation im Land erhöht den Druck auf die Politiker Irans, im Atomstreit zu einer Einigung zu gelangen“, sagt Ghassemi.

Für westliche Firmen ist der Iran nicht nur wegen der hohen Bevölkerungszahl von fast 80 Millionen Menschen interessant: Der Anteil der unter 30-Jährigen liegt bei 70 Prozent, und bei den Jungen sind westliche Güter oft angesagt. Das Land gilt zudem als wichtiger Automobilproduzent im Nahen und Mittleren Osten. „Das eröffnet ein großes Marktpotenzial für die Automobilzuliefererbranche“, sagt Ghassemi. „Insbesondere aus Baden-Württemberg verzeichnen wir ein steigendes Interesse.“

Das gilt auch für den Maschinen- und Anlagenbau. „Im Iran gibt es einen erheblichen Modernisierungsbedarf“, sagt Dietrich Birk, Chef des baden-württembergischen Maschinenbauverbands VDMA. Dort sehen die Unternehmen aus dem Land viel Potenzial. „Wir gehen davon aus, dass wir unser Exportvolumen in den kommenden Jahren um mehr als 50 Prozent pro Jahr steigern könnten, sollte das Embargo komplett aufgehoben werden“, sagt Birk.