Bob Hanning erregt gerne Aufsehen – auch mit extravaganten Outfits bei dieser EM. Foto: dpa/Robert Michael

Im deutschen Handball tanzt fast alles nach der Pfeife von Bob Hanning. Er polarisiert wie kein anderer. Eine Annäherung an einen facettenreichen Menschen vor dem letzten EM-Spiel der deutschen Mannschaft an diesem Samstag gegen Portugal.

Stuttgart - Es war der vergangene Sonntag nach dem verlorenen EM-Krimi gegen Kroatien. Das Ziel Halbfinale war verpasst und Bob Hanning stand im Mannschaftshotel in Wien Rede und Antwort. Diesmal nicht in einem seiner schrillen Outfits. Der Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Handballbundes (DHB) hatte den olivgrünen Team-Kapuzenpulli mit dem Bundesadler auf der Brust gewählt. Bewusst. Diesmal setzte der mächtigste Mann im deutschen Handball verbale Reize: „Was macht diese Mannschaft mit diesem Trainer morgen Abend,“ sagte er in die Runde. Und mit diesem einen Satz hatte er eine mediale Lawine ausgelöst. Es gab nur noch ein Thema: Die Trainerfrage. Hinterher fühlte sich Hanning missverstanden. Er habe Christian Prokop nie öffentlich infrage gestellt. Doch letztendlich ist seine Strategie auch diesmal aufgegangen: Diese Mannschaft hat mit diesem Trainer ihre besten EM-Leistung gezeigt, Österreich mit 34:22 bezwungen und steht an diesem Samstag (16 Uhr/One) wenigstens im Spiel um EM-Platz fünf gegen Portugal.

Kritik von Schwarzer

Alles richtig gemacht? Der Zweck heiligt die Mittel? Nicht in der breiten öffentlichen Wahrnehmung. In der Szene regte viel Kritik. „Wie er die ganze Situation moderiert hat, passt doch total zu ihm. Zuerst macht er eine Trainerdiskussion auf, am nächsten Tag will er davon nichts mehr wissen und fühlt sich angeblich falsch verstanden“, sagte etwa 2007-Weltmeister Christian Schwarzer dem „tagesspiegel“. „Bob legt es immer so aus, wie er es gerade braucht, das ist seine große Stärke, und damit stellt er die ganze Handball-Welt auf den Kopf. Damit habe ich ein Riesenproblem.“ Andere sehen es gelassener: „Bob Hanning ist eine Persönlichkeit, die gerne und oft polarisiert. Ich meine, dass der Handball von solchen Typen letztlich nur profitieren kann“, meinte Jennifer Kettemann, die Geschäftsführerin des Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen.

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Überall hat Bob Hanning seine Finger im Spiel. Er ist der der mächtigste, am besten vernetzte, eifrigste, aber auch umstrittenste Funktionär in Deutschland. Sein Umgang mit Macht nervt viele. Ex-Bundestrainer Heiner Brand hatte dem 1,68 Meter kleinen „Handball-Napoleon“ schon vor Jahren eine „sehr narzisstische Persönlichkeitsstörung“, unterstellt, „Eigeninszenierung“ sei sein oberstes Motiv. Auch andere monieren seinen Geltungsdrang, die fehlende Zurückhaltung. Bernhard Bauer trat als DHB-Präsident zurück – wegen Hanning. Er hatte ein anderes Wertegerüst, eine andere Auffassung von Respekt und Fairness.

Herz für den Nachwuchs

Doch da ist auch der andere Bob Hanning. Der mit dem großen Herz für den Nachwuchs hat. Bis zu fünfmal die Woche, oft schon morgens um acht Uhr, steht er in Höhenschönhausen in der Handball-Halle des Berliner Olympiastützpunkts und trainiert die Füchse-Jugend. Junge Kerle zwischen 14 und 18 sollen unter ihm nicht nur den Sprung in die Bundesliga schaffen, sondern auch zu verantwortungsbewussten Menschen heranreifen. Er nennt das den ganzheitlichen Ansatz. Hanning vermittelt Ausbildungsplätze, Praktika, gibt Benimmkurse. Wie esse ich mit Messer und Gabel? Mütze ab beim Essen, nicht in Badelatschen zum Essen kommen.

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Knigge lässt grüßen. Nach wie vor schickt er den Nachwuchs auch mal für einen Tag zum Arbeiten bei der Müllabfuhr. Dort sollen die Spieler begreifen, welch ein Privileg es ist, eines Tages als Handballer sein Geld zu verdienen. Einer dieser Nachwuchsspieler war auch der Sohn von Ex-Sprintstar Kathrin Krabbe. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters kümmerte er sich auch außerhalb der Halle viel um den Jungen. Daraus entwickelt sich eine feste Beziehung zu der ehemaligen Weltklasse-Leichtathletin, die inzwischen nicht mehr besteht. Die soziale Ader. Auch das ist Bob Hanning.

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Ursprünglich stammt der gebürtige Essener aus einer unsportlichen Familie. Musik spielte eine viel größere Rolle, diesem Umstand verdankt er auch seinen Spitznamen. Die Eltern waren Bob-Dylan-Fans. In Hannings Ausweis steht Robert. Doch im Sport machte er Karriere. Die Füchse weckte er als Geschäftsführer in einer Stadt mit mehr als 50 Erstligisten aus dem Tiefschlaf. Sein jüngster Coup: Die Verpflichtung von Stefan Kretzschmar als Sportvorstand. Hanning kennt nur eine Richtung: Vollgas, nach vorne!

Vision Olympia-Gold

Im Nationalteam soll das zu Olympia-Gold führen. Dieses Ziel hatte Hanning ausgegeben, als der Verband am Boden lag. Und davon rückte er nie ab. Ist diese Mission erfüllt, ist das Kapitel DHB für ihn erledigt. Dann dürfen andere ran. „Rechnet mit mir ab, wenn ich am Ende nicht erfolgreich sein sollte. Haut mir ruhig auf die Schnauze. Ist doch in Ordnung. Bis dahin aber erzähle ich die beste Geschichte, die man erzählen kann – und glaube auch daran. Die nächste Geschichte wird dann ein anderer erzählen“, hat er einmal gesagt. Wer auch immer das sein wird: Bob Hanning wird alles genau verfolgen. Und bestimmt weiter Akzente setzen – im Sport und anderweitig.

Wir haben die schrillen Outfits von Bob Hanning zusammengestellt. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie!