Marian Michalczik setzt sich gegen die portugiesische Abwehr durch: Der Rückraumspieler aus Minden legte ein ordentliches EM-Debüt aufs Parkett. Foto: AP/Anders Wiklund

Die EM ist Geschichte, nun steht das Olympia-Qualifikationsturnier im Fokus. Wie stehen die Chancen der deutschen Handballer, eines der beiden Tickets für die Sommerspiele 2020 zu ergattern?

Stockholm - Es wurden Muscheln und Bruschetta serviert, Pizza-Häppchen und Pasta. Dazu gab es Bier und Wein – bei einem Nobelitaliener im vornehmen Stockholmer Stadtteil Östermalm belohnten sich die deutschen Handballer für ihren versöhnlichen EM-Abschluss. „Das haben sich die Jungs verdient“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning nach dem 29:27 gegen Portugal und dem damit erreichten fünften Platz, nicht ohne gleich wieder Druck zu machen: „Wir müssen noch härter arbeiten, damit wir den Traum von Olympia-Gold leben können.“ Zunächst aber muss beim Qualifikationsturnier erst einmal das Ticket gelöst werden.

Wo und wann findet das Turnier statt?

Es geht vom 17. bis 19. April in der Berliner Max-Schmeling-Halle über die Bühne. Gegner sind Schweden, Slowenien und Algerien. Jeder spielt gegen jeden. Der genaue Spielplan steht noch nicht fest. Klar ist: Zwei Tickets für die Spiele in Tokio (24. Juli bis 9. August) werden vergeben. Von insgesamt 26 000 Eintrittskarten für die drei Tage sind bisher 12 000 verkauft worden.

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Wie stehen die Chancen des DHB-Teams?

Es hätte schlimmer kommen können, doch zumindest die Spiele gegen die zwei europäischen Teams werden knifflige Aufgaben. Die Schweden gehörten bei der EM zwar zu den Enttäuschungen und sind in der Hauptrunde gescheitert, doch der anstehende Trainerwechsel könnte neue Impulse bringen: Glen Solberg übernimmt ab dem 1. Februar für Kristjan Andresson, der sich ganz auf seinen Job bei den Rhein-Neckar Löwen konzentriert. Auch nicht zu verachten: Die Schweden-Keeper Andreas Palicka und Mikael Appelgren (beide Rhein-Neckar Löwen) kennen die deutschen Schützen seit Jahren aus der Bundesliga bestens.

Das gilt natürlich auch für Sloweniens Trainer Ljubomir Vranjes. Der frühere Flensburg-Coach, erst seit Mitte Dezember im Amt, landete mit seinem Team bei der EM auf Platz vier. Das Team mit den drei Bundesliga-Spielern Urh Kastelic (Frisch Auf Göppingen), Miha Zarabec (THW Kiel) und Nejc Cehte (TSV Hannover-Burgdorf) hat eine starke erste Sieben, aber Probleme in der Breite, was bei drei Spielen in drei Tagen zu einem Problem werden könnte.

Afrikavertreter Algerien geht als Außenseiter ins Rennen und ist deutlich schwächer einzuschätzen als Ägypten und Tunesien, die Topteams des Kontinents. Gegen die unkonventionelle Spielweise (offensive 1:5-Deckung) der Afrikaner sind ein kühler Kopf, taktisches Geschick und ein starkes Eins-gegen-eins-Verhalten gefordert.

Fazit: Das deutsche Team hat zwei Trümpfe. Der größte ist der Heimvorteil. Doch auch die Breite des Kaders ist bei dem kräfteraubenden Turnier ein Vorteil. Die Chancen stehen gut, eines der zwei Tickets zu ergattern.

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Welche Spieler kommen hinzu?

Nimmt man die Erkenntnisse der EM zum Maßstab, dann wäre Routinier Steffen Weinhold der wertvollste Mann für das Team. Der Linkshänder vom THW Kiel hatte sich wegen einer Fußverletzung noch nicht wieder fit für das Turnier gefühlt. In Franz Semper (Herzmuskelentzündung) könnte ein weiterer Linkshänder für den rechten Rückraum ein Thema werden. Stabilisiert sich der Balinger Martin Strobel nach seinem Kreuzbandriss weiter, dann ist auch eine Rückkehr des Spielmachers durchaus denkbar.

Worauf kann der DHB bauen?

Vor allem das Verhältnis Trainer/Mannschaft ist intakt und hat sich bei der EM gefestigt. Alle haben unter großem äußerem Druck zusammengehalten. Das zeigte sich in den Spielen nach der brutalen Enttäuschung gegen Kroatien eindrucksvoll. Die Spieler rafften sich noch einmal auf, bewiesen Charakter, zerlegten danach Gastgeber Österreich (34:22) und ließen auch gegen Tschechien (26:22) und im Spiel um Platz fünf gegen Portugal (29:27) nicht locker.

Was muss besser werden?

Auf das Torwartduo Andreas Wolff/Johannes Bitter und die Abwehr ist Verlass, große individuelle Defizite gibt es nach wie vor im Rückraum – vor allem in Stresssituationen. „Dort sieht man gegenüber den Medaillen-kandidaten einfach das größte Potenzial, das wir noch nicht ausgeschöpft haben“, sagte Prokop. Er werde die EM nun detailliert auswerten und deutliche Arbeitsaufträge an Spieler, Clubs und sich selbst formulieren. Schon in zweieinhalb Monaten müsse sein Team „bereit sein für absolute K.-o.-Spiele. Da geht es nicht um Platz fünf. Da geht es nur um hopp oder top.“ Und Olympia.