Verstehen sich inzwischen prächtig: Rolf Brack (li.) und Velimir Petkovic Foto: Baumann

Der Anlass: Das Handball-Bundesligaspiel Frisch Auf Göppingen – HBW Balingen-Weilstetten. Die Gesprächspartner: Rolf Brack und Velimir Petkovic, zwei Trainer, die das Derby zehn Jahre lang prägten, seit Dezember 2013 nicht mehr im Amt sind und sich erstmals seit ihrem Rauswurf öffentlich äußern.

Der Anlass: Das Handball-Bundesligaspiel Frisch Auf Göppingen – HBW Balingen-Weilstetten. Die Gesprächspartner: Rolf Brack und Velimir Petkovic, zwei Trainer, die das Derby zehn Jahre lang prägten, seit Dezember 2013 nicht mehr im Amt sind und sich erstmals seit ihrem Rauswurf öffentlich äußern.
 
Stuttgart - Meine Herren, werden Sie beim Derby denn in der Halle sein?
Rolf Brack (lacht): Eigentlich unfassbar, dass das Derby ohne uns beide überhaupt angepfiffen wird, aber ich bin beim Final Four in der Schweiz und kann nicht da sein.
Velimir Petkovic: Und ich werde irgendwo in Göppingen sein, aber sicher nicht in der EWS-Arena. Die Halle werde ich erst wieder betreten, wenn ich irgendwann mal mit einem neuen Verein als Gegner aufkreuze.
Ist die Enttäuschung immer noch so groß?
Petkovic (überlegt lange): Eigentlich habe ich überhaupt keine Gefühle. Wenn ich mit dem Auto hier vorbeifahre, möchten meine Augen die Halle nicht sehen.
Sie fühlen sich in Ihrer Ehre gekränkt?
Petkovic: Ich bin Profi. Ich kenne die Mechanismen, die greifen, wenn keine Siege mehr eingefahren werden. Aber ich war fast zehn Jahre hier, das schafft man nicht, ohne erfolgreich zu arbeiten – da hätte ich nach meinem Abgang etwas mehr Stil erwartet.
Spielen Sie auf den Vorwurf Ihres Nachfolgers Aleksandar Knezevic an, die Mannschaft sei nicht fit?
Petkovic: Was diese Aussage betrifft, hätte ich in der Tat ein paar Worte der Richtigstellung vom Geschäftsführer erwartet. Viel schlimmer ist aber, dass der Verein einen blutigen Anfänger zu meinem Nachfolger ernannt hat.
Auch mit Rolf Brack verband Sie viele Jahre lang eine innige Feindschaft.
Petkovic: Ich schüttle keine schmutzigen Hände, habe ich sogar mal gesagt. Bis Eva (Anm. d. Red.: die Frau von Rolf Brack) anrief und das Eis zum Schmelzen brachte.
Brack: Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich an den Moment denke, als ich Petko die Entlassung mitteilen musste.
Sie hatten ihn 1991 als damaliger Sportdirektor der SG Stuttgart/Scharnhausen aus Ex-Jugoslawien als Trainer geholt – und ihn nach ein paar Wochen wieder rausgeworfen.
Petkovic: Das war ein Schock für mich. In meiner Heimat war Krieg, ich hatte zwei kleine Kinder. Das war die schwerste Zeit meines Lebens. Ich musste danach einen kleinen Landesligisten in Wernau trainieren und in der Fabrik arbeiten, um meine Familie zu ernähren.
Herr Brack, Existenzängste kannten Sie nie?
Brack: Ich war nie vom Handball abhängig. Das ist sicher ein großer Vorteil. . .
. . . und machte es Ihnen leichter, den vorzeitigen Rauswurf in Balingen zu verarbeiten?
Brack: Wichtiger war, dass ich mich gleich in die Arbeit für das Kompetenzteam zur Betreuung der Schweizer Nationalmannschaft stürzen konnte. Das erleichtert es, die Enttäuschung über die Trennung zu verdrängen, denn so etwas empfindet man immer auch als Niederlage. Man will etwas zu Ende bringen, das man angefangen hat.
Petkovic: Ich war ganz froh, nach 16 Jahren ohne Pause mal die Zeit mit der Familie genießen zu können. Außerdem habe ich bei Vereinsbesuchen in Barcelona, Montpellier und Zagreb neue Impulse für meine Arbeit gewinnen können. Seit April kribbelt es wieder richtig in mir.
Und, schon etwas Neues in Aussicht?
Petkovic: Noch ist alles offen. Vielleicht trainiere ich einen Bundesligisten, vielleicht eine Nationalmannschaft (blickt zu Brack und schmunzelt). Das Amt in der Schweiz ist ja leider schon vergeben.
Ist diese Tätigkeit in einem Land, das nicht zu den Top-Adressen im Handball gehört, überhaupt reizvoll?
Petkovic: So weit weg von Deutschland ist die Schweiz in Sachen Leistungsstärke derzeit nicht. Brack: Ich bin 30 Jahre lang nie vor 21 Uhr nach Hause gekommen. Ich habe jetzt viel mehr Freizeit, wir haben uns zu Hause sogar einen zweiten Fernseher zugelegt. Ich kann mich ganz darauf konzentrieren, den Schweizer Handball weiterzuentwickeln.
Mit dem Ziel, ein großes Turnier zu erreichen?
Brack: Mein Vertrag läuft offiziell vom 1. Juli an zwei Jahre, bei der EM 2016 dabei zu sein wäre natürlich ein Traum. Petkovic: Ich habe gehört, dein Training sei den Schweizer Spielern zu stressig. Brack: Was du nicht alles hörst. Aber es gibt in der Schweiz schon gewisse Komfortzonen, die ungern verlassen werden. Petkovic: Da gibt es nur eines – solche Spieler musst du sofort aussortieren. Brack: Die Auswahl ist nicht so groß wie in Deutschland. Ich versuche mich anzupassen und habe mir vor kurzem sogar zwei Bücher über die Schweizer Mentalität zugelegt.
Schon was gelernt?
Brack: Die Mentalität der Eidgenossen ist von großer Bescheidenheit, Demut und auch der Tendenz zum Pessimismus geprägt.
Petkovic: Ich halte nicht viel davon, sich anzupassen. Das würde zum Trend in der Liga passen: Immer mehr Trainer sind nett, brav, pflegeleicht, harmoniesüchtig.
Der Charakter von Bundestrainer Martin Heuberger geht in eine ähnliche Richtung. Warum, glauben Sie, hält der Deutsche Handball-Bund trotz der schlechten Resultate an ihm fest?
Brack: Profisport ist ergebnisorientiert, keine Frage. Ich denke, man will sich die Option offenlassen, für den Fall, dass der Super-GAU eintritt und die Qualifikationsspiele für die WM 2015 gegen Polen im Juni schiefgehen.
Wäre es dann nicht zu spät?
Petkovic: Das wäre eine Katastrophe für den Handball, denn auch Olympia 2016 in Rio wäre dann passé. Brack: Vielleicht hat sich Petko deshalb noch nicht für eine neue Aufgabe entschieden, weil er auf ein Angebot des DHB wartet. Petkovic: Genau. Und dich nehme ich dann in meinen Stab dazu. Brack: Jetzt mal ganz im Ernst: Ich drücke Martin fest die Daumen, dass er sich mit seinem Team gegen Polen durchsetzt. Petkovic: Es ist ein Fifty-fifty-Spiel. Mit einer Weltklasse-Torwartleistung kann es Deutschland schaffen.
Wer setzt sich denn im Derby am kommenden Samstag in Göppingen durch?
Petkovic: Das wird ein harter Kampf. Göppingen kann sich bei der aktuell schlechten Stimmungslage keine Niederlage leisten. Für Balingen geht es um alles: Wenn Frisch Auf siegt, steigt der HBW ab. Ich schätze den aktuellen Balinger Trainer Markus Gaugisch, aber dass Rolf Brack nicht mehr auf der Bank sitzt, ist ein Minus für den HBW.
Brack: Frisch Auf war in schwierigen Phasen schon öfter zu Leistungsexplosionen fähig. Ob es diesen Charakter auch ohne Petkovic aufbringt, wird sich zeigen.
Gibt es für Sie beide eigentlich einen schöneren Beruf als Handballtrainer?
Petkovic: Nein, ich werde auch immer Trainer bleiben. Das ist der tollste Job der Welt. Brack: Ergänzend zu meinem Haupjob an der Uni ist es der faszinierendste und emotinalste Beruf, den es gibt. Petkovic: Vielleicht machen wir doch noch mal was zusammen.
Brack: Ich glaube, dafür sind wir beide zu dominant.