Auf eine landesweite Bildungsplattform müssen Lehrer und Schüler wohl noch eine ganze Weile warten. Foto: dpa

Die digitale Bildungsplattform „ella“ ist gescheitert. Ein Gutachten des baden-württembergischen Rechnungshofs wirft kein gutes Licht auf die beteiligten Behörden und den technisch verantwortlichen IT-Dienstleister Iteos.

Stuttgart - Der Landesrechnungshof stellt den Behörden und Einrichtungen, die an der gescheiterten digitalen Bildungsplattform „ella“ beteiligt waren, ein miserables Zeugnis aus. Die Kombination aus unvollständiger Vorbereitung, unzureichendem Projektmanagement und enger zeitlicher Perspektive habe wesentlich zu Unstimmigkeiten und Konflikten im Projekt beigetragen, heißt es in einem 85 Seiten langen Gutachten, das unserer Zeitung vorliegt. Auf Initiative von Innenminister Thomas Strobl und Kultusministerin Susanne Eisenmann (beide CDU) hatte die grün-schwarze Landesregierung es in Auftrag gegeben, um das Chaos bei der Steuerung und Umsetzung der Plattform aufarbeiten und bewerten zu lassen.

Die grün-rote Vorgängerregierung hatte im Dezember 2015 beschlossen, eine digitale Bildungsplattform zu entwickeln. „ella“ steht für „Elektronische Lehr- und Lernassistenz“, sie sollte unter anderem eine einheitliche dienstliche E-Mail-Adresse für alle Lehrer, einen Cloud-Speicher, eine Office-Lösung und ein Lernmanagementsystem beinhalten und Schülern, Lehrern und der Kultusverwaltung den Alltag erleichtern.

Rechnungshof hält Eisenmanns Entscheidung für nachvollziehbar

Als im Februar 2018 kurz vor der Präsentation der Plattform massive technische Probleme auftraten, stoppte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) das Vorhaben und entschied, eine Expertise eines unabhängigen externen Beraters einzuholen. Das Ergebnis: 11 Mängel und 34 offene Punkte. Im September 2018 beendete Eisenmann die Zusammenarbeit mit dem bis dahin für die technische Entwicklung beauftragten Dienstleister Iteos, der aus dem zuvor zuständigen Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Baden-Franken (KIVBF) und anderen kommunalen Zweckverbänden hervorging. Sie kündigte eine neue Ausschreibung an. Angesichts der ungeklärten technischen Realisierungsaussichten seien „die skeptischen bis ablehnenden Bewertungen auf Landesseite nachvollziehbar“, so der Rechnungshof.

Doch wie konnte es so weit kommen? Die Kontrolleure legen dar, dass das Projektmanagement besonders in der ersten Phase unzureichend gewesen sei. „Ein Projektplan mit einer detaillierten zeitlichen Planung notwendiger Arbeitspakete und deren Abhängigkeiten für die Projektumsetzung lag nicht vor“, kritisieren sie. Weitere Defizite: es gab keine Wirtschaftlichkeitsprüfung, keinen Vertrag – lediglich einen sogenannten Letter of Intent – und bis zum Projektstopp auch keinen übergeordneten, mit Kompetenzen in Konfliktfällen ausgestatteten Lenkungskreis.

In das verkorkste Projekt flossen 8,8 Millionen Euro

Dem Gutachten zufolge vertraute das Kultusministerium, dass die landeseigene IT-Oberbehörde BITBW das Projektmanagement stemmen würde. Die BITBW, die dem Innenministerium untergeordnet ist, sei dafür aber „personell nicht ausreichend aufgestellt“ gewesen und hätte den Auftrag laut Rechnungshof erst gar nicht annehmen dürfen. Demnach war BITBW damals nicht in der Lage, die Steuerung und Kontrolle des Dienstleisters Iteos, zuvor KIVBF, sicherzustellen. Das Innenministerium war nicht ins operative Geschäft eingebunden, mit dem obersten IT-Chef des Landes, Stefan Krebs, in seinen Reihen hat es aber die Rechts- und Fachaufsicht über die BITBW.

Die Bildungsplattform „ella“ galt als ein Leuchtturm der Digitalisierungsstrategie des Landes, für den 28,7 Millionen Euro veranschlagt waren. Für das Vorhaben bezahlte das Kultusministerium bislang rund 8,8 Millionen Euro an BITBW, von denen die IT-Behörde 6,5 Millionen Euro an Iteos weiterleitete. Nach Auffassung des Rechnungshofs ist das Vertragsverhältnis mit Iteos durch den Rücktritt des Landes wirksam beendet worden. Das Land fordert nun die 6,5 Millionen Euro zurück. Es sei jedoch nicht sicher, ob das Land den Rückzahlungsanspruch gerichtlich in voller Höhe durchsetzen könnte. Weil das Land und Iteos wegen anderer Vorhaben, etwa bei digitalen Serviceleistungen der Verwaltung, auch künftig ein Interesse an einer Kooperation haben, empfiehlt der Rechnungshof einen Vergleich.