Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht. Foto: dpa

Das Kunstmuseums Bern hat am Montag bestätigt, dass das Haus das Erbe des Kunstsammlers Gurlitt antritt. Mutmaßliche NS-Raubkunst bleibe aber vorerst in Deutschland. Durchkreuzen könnte die Pläne noch Gurlitts Cousine.

Berlin - Es könnte das Schlusskapitel des Kunstkrimis sein: Das Kunstmuseum Bern will das Erbe des Sammlers Cornelius Gurlitt antreten und NS-Raubkunst aus seinem Nachlass restlos an die rechtmäßigen Besitzer zurückgeben. Der Stiftungsratspräsident des Museums, Christoph Schäublin, unterzeichnete am Montag in Berlin eine entsprechende Vereinbarung mit Bayern und dem Bund.

Demnach werden die rund 500 Werke aus der Gurlitt-Sammlung, die unter Raubkunstverdacht stehen, zunächst in Deutschland bleiben. Die Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ soll die Herkunft der Bilder, die 2012 in Gurlitts Schwabinger Wohnung und Anfang 2014 in seinem Haus in Salzburg gefunden wurden, weiter erforschen. Zu jedem Werk soll im Laufe des kommenden Jahres ein Bericht vorgelegt werden. Auch die Schweiz will sich mit einer Expertengruppe an der Arbeit beteiligen.

"Ohne Wenn und Aber an die Berechtigten zurückgegeben"

Deutschland sagte im Gegenzug zu, die Kosten für die Rückgabe und mögliche Streitfälle zu übernehmen. „Unserer besonderen deutschen Verantwortung gegenüber den Opfern der NS-Diktatur wollen wir mit der Vereinbarung nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch gerecht werden“, erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). „Deshalb werden alle im Nachlass enthaltenen Werke, die sich als NS-Raubkunst erweisen, ohne Wenn und Aber an die Berechtigten zurückgegeben.“

Der im Mai gestorbene Kunstsammler Cornelius Gurlitt hatte das Kunstmuseum Bern überraschend als seinen Alleinerben eingesetzt, die Verantwortlichen zögerten wegen der schwierigen Rechtslage aber lange. Am Wochenende beschloss der Stiftungsrat in einer abschließenden Beratung die Annahme des schwierigen Erbes. Jüdische Vertreter in den USA und der Schweiz begrüßten die Vereinbarung.

Gut ein halbes Jahr nach dem Tod von Cornelius Gurlitt, dem Sohn des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, geht damit eine lange Hängepartie zu Ende - wenn denn alles so bleibt.

Cousine erhebt Anspruch

Durchkreuzen könnte die Pläne noch Gurlitts Cousine Uta Werner. Sie und ihr Bruder Dietrich Gurlitt hätten geerbt, wenn Bern das Erbe abgelehnt hätte. Werner hat beim Nachlassgericht in München Anspruch auf das Erbe erhoben. Das Gericht bestätigte am Montag den Antrag auf einen Erbschein, wollte aber nicht sagen, wann eine Entscheidung zu erwarten ist. Werner hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, wonach Gurlitt beim Verfassen seines Testamentes nicht testierfähig war.

„Die Entscheidung ist dem Stiftungsrat nicht leicht gefallen, und Triumphgefühle löste sie schon gar nicht aus“, sagte der Berner Museumsdirektor Schäublin mit Hinweis auf die Verantwortung und das Leid der Opfer. „Wir stehen jetzt nicht am Ende, sondern am Anfang eines langen Weges, den wir gemeinsam abschreiten wollen.“ In der NS-Zeit waren Juden von den Nazis ihrer Kunst beraubt oder gezwungen worden, ihre Werke weit unter Wert zu verkaufen.

Drei bereits als NS-Raubkunst identifizierte Arbeiten aus dem Gurlitt-Nachlass - „Sitzende Frau“ von Henri Matisse, „Zwei Reiter am Strand“ von Max Liebermann und „Das musizierende Paar“ von Carl Spitzweg - sollen laut Grütters nun schnellstmöglich an die Erben zurückgegeben werden. Der Kontakt sei bereits aufgenommen. Zudem werden für mehr Transparenz die Ergebnisse der Taskforce sowie die Geschäftsbücher Gurlitts in der Datenbank www.lostart.de öffentlich zugänglich gemacht.

Von den rund 480 Werken, die von den Nazi einst als „entartet“ verfemt wurden, sollen alle unverdächtigen Fälle zusammen mit dem umproblematischen Rest der Sammlung nach Bern gehen. Die Schweizer Seite sei aber bereit, Leihanfragen von deutschen Museen, denen die Kunst einst gehörte, mit Vorrang zu behandeln und ihnen möglichst zu entsprechen, sagte Grütters.

Sammlung umfasst über 1500 Bilder

Insgesamt umfasst Gurlitts Sammlung mehr als 1500 Bilder, darunter wertvolle Werke etwa von Matisse, Picasso, Renoir und Monet. Kurz vor seinem Tod hatte er im April 2014 einen Vertrag mit der Bundesregierung unterzeichnet, in dem er die weitere Erforschung seiner Sammlung auf Nazi-Raubkunst zusicherte. Die Vereinbarung zwischen Bern, Bund und Bayern fußt auf diesem Vertrag.

Die Jewish Claims Conference, die viele jüdische Erben vertritt, begrüßte die Vereinbarung. Zugleich forderte der deutsche Repräsentant Rüdiger Mahlo von der Taskforce eine schnellere und intensivere Bearbeitung der Fälle. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS) lobten ebenfalls die Absprachen zum Umgang mit Raubkunst.

Auch Christopher Marinello, der Sprecher der Familie Rosenberg, deren Anspruch auf die „Sitzende Frau“ von Henri Matisse von der Taskforce bestätigt wurde, freute sich über die Entscheidung aus Bern: „Die Sammlung soll umfassend erforscht werden. Das ist sehr ermutigend und wir hoffen auf die schnelle Rückkehr der gesamten von Nazis geraubten Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Besitzer.“ Der Fall Gurlitt sei nicht der letzte seiner Art: „Es gibt noch sehr viele Sammlungen mit Nazi-Raubkunst da draußen - sowohl privat als auch öffentlich.“