Bereits seit Sommer 2018 ist die Alte Vogtei in Köngen geschlossen. Foto: Horst Rudel

Der „Guide Michelin“ hat mit der Alten Vogtei ein Restaurant mit einem Stern ausgezeichnet, das es seit Sommer 2018 nicht mehr gibt. Könnte das den Ruf des altehrwürdigen Gourmetführers schmälern?

Köngen - Eigentlich ist der „Guide Michelin“, dessen Deutschlandausgabe 2019 ab dem 4. März im Handel ist, für gute Nachrichten zuständig. Was er meldet, ist für viele Anlass zum Jubel. Und doch löst zumindest in einem Fall die Vergabe eines neuen Sterns Befremden aus. Unter den bundesweit nun 309 Sternerestaurants, 77 davon in Baden-Württemberg, die der Gourmetführer am Dienstag bekannt gab, ist eines, das längst nicht mehr in Betrieb ist. Dennoch ist die Alte Vogtei in Köngen (Kreis Esslingen) in den Listen unter „Neue Sterne in Deutschland 2019“ vermerkt, obwohl es sie seit Juni 2018 so nicht mehr gibt. Der Bürgermeister von Köngen, Otto Ruppaner, bestätigte unserer Zeitung: „Seit dem Sommer ist definitiv kein Betrieb mehr in der Alten Vogtei.“

Es soll viele offene Rechnungen geben

Schlimmer noch: Nach Informationen unserer Zeitung sollen sich die Betreiber Lars und Nadine Volbrecht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in die Schweiz abgesetzt haben, wo sie im Sommer als neue Pächter eines Bergrestaurants begrüßt wurden. Und sie sollen dabei eine Menge unbezahlte Rechnungen zurückgelassen haben. Zudem warten angeblich auch ehemalige Angestellte noch auf ihre Gehälter. Nach Angaben der Vermieter der Alten Vogtei, die nicht namentlich genannt werden wollen, soll es Dutzende Forderungen geben. Ein Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bestätigte unserer Zeitung, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs laufe. Als Pächter des Fachwerkhauses sei man die Volbrechts inzwischen per Gerichtsbeschluss losgeworden, sagen die Vermieter. Kurios: Dennoch hat man die beiden am Dienstag auf der Michelin-Gala in Berlin gesehen, wo sie die Auszeichnung entgegennahmen.

Betreiber: „Gerüchte entsprechen nicht der Wahrheit“

In einer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung schreibt Lars Volbrecht: „Durch ein baubiologisches Gutachten mit dem Schimmelbefall Stufe 3 wurde der Alten Vogtei keine Konzession mehr erteilt und somit geschlossen.“ Gerüchte, er habe sich in die Schweiz abgesetzt, entsprächen „nicht der Wahrheit“. Er habe dort „eine weitere Herausforderung“ gefunden, die er „parallel zur Alten Vogtei am Wochenende“ geführt habe.

Und was sagt der „Guide Michelin“ dazu? Nina Grigoleit, die Pressesprecherin für die Deutschlandausgabe, erklärt, die Alte Vogtei sei im Jahr 2018 mehrmals von einem Inspektor getestet worden. Ende November habe die Gastgeberin Nadine Volbrecht den Gourmetführer informiert, dass wegen Schimmelbefalls im Keller des Restaurants saniert werden müsse. Bis zum 15. Januar 2019 werde man jedoch wieder öffnen. Kurz vor der Sterne-Verleihung hätten die Volbrechts den Eröffnungstermin noch mal auf März verschoben. Diese Falschinformation wurde auch Markus Oberhäußer, dem Chefredakteur des „Gusto“ unterbreitet. Der zweitwichtigste Gourmetführer in Deutschland hatte die Alte Vogtei bereits im Spätsommer aus seinem Online-Portal genommen.

Schon mal in Erklärungsnot

Für den Michelin ist es nicht das erste Mal, dass er in Erklärungsnöte kommt. In der Ausgabe 2017 war unserer Zeitung aufgefallen, dass der Adler in Rosenberg (Ostalbkreis) noch mit einem Stern gelistet war. Der Inhaber und Küchenchef Josef Bauer hatte sich damals allerdings schon ohne Nachfolger aus der Sterneküche zurückgezogen – nach Redaktionsschluss, wie sich der „Guide Michelin“ damals dazu äußerte.