Der Autosattler Günter Glahn bringt in seiner Werkstatt in Schallstadt bei Freiburg Oldtimer wieder auf Vordermann. Foto: /Steve Przybilla

Oldtimer müssen sorgfältig gepflegt werden, damit sie nicht verfallen. Bei der Restaurierung sollte man es jedoch nicht übertreiben. Im schlimmsten Fall droht der Verlust des H-Kennzeichens.

Schallstadt - Ein Auto, das ist für Günter Glahn mehr als nur Mittel zum Zweck. Wo andere ein Transportmittel sehen, mit dem sie möglichst schnell von A nach B kommen, erblickt Glahn eine rollende Persönlichkeit: weiches, warmes Leder, glänzendes Chrom, funkelnder Lack. „Ein Automobil ist etwas Schönes“, sagt der 54-Jährige, der in Schallstadt bei Freiburg eine kleine Werkstatt betreibt. Fast wehmütig blickt er auf seinen BMW 321, Baujahr 1938, der draußen vor der Tür parkt: „Wie einfach damals alles war. Das war noch richtiges Autofahren.“

Glahn hat sich auf die Pflege von Oldtimern spezialisiert. Genauer gesagt: auf die Innenausstattung. In seinem Ein-Mann-Betrieb versucht er zu retten, was zu retten ist. Er reinigt abgelatschte Teppichböden, ersetzt zerrissene Türverkleidungen, reibt sprödes Leder ein. Immer darauf bedacht, den historischen Schätzchen neues Leben einzuhauchen. Besonders freut es ihn, wenn seine Kunden seine Hingabe zu altem Blech teilen. „Manche der Autos, die ich hier habe, sind über 80 Jahre alt – und viele von ihnen sind sehr gut erhalten.“

Die Werkstatt sieht eher aus wie ein Atelier

Mit der klassischen Autowerkstatt hat Günter Glahns Arbeitsbereich nur wenig gemeinsam. Er sieht eher aus wie ein Atelier. Auf dem Tisch steht eine Nähmaschine, im Hintergrund baumeln Farbmuster wie im Möbelhaus. Eine Kollektion von Druckknöpfen, Reißverschlüssen und Spezialschrauben lagert säuberlich sortiert in Schubladen. Und dann dieser Duft: Leder in allen Farben und Formen. Richtig gepflegt können diese Materialien lange halten. Sehr lange. Der Autosattler weiß aber auch, dass selbst die hochwertigsten Oldies irgendwann verfallen: Mal sind es kaputte Sonnenblenden, ein anderes Mal Risse im Armaturenbrett oder Flecken auf dem Sitz, denn fast immer sind die Oberflächen mit Leder überzogen. „Es gibt immer mehr Menschen, die an den Klassikern Gefallen finden“, sagt Glahn und zeigt auf die Türverkleidung eines Mercedes SL von 1954. Das rote Rindsleder sieht fleckig aus, in die Jahre gekommen. „Ich werde es schonend reinigen und versuchen, den Originalzustand wiederherzustellen“, berichtet Glahn.

Bestehendes retten statt wegwerfen: Das ist eine Grundannahme der Oldtimer-Pflege. Viele Arbeiten können die Besitzer selbst erledigen. So empfiehlt der Automobilclub AvD, Türgummis und Dichtungen regelmäßig mit schonendem Pflegemittel zu behandeln. Generell sollten alte Autos nicht zu lange in der Sonne stehen, damit die betagten Stoff- und Lederbezüge nicht ausbleichen. Auch Zierteile aus Chrom, Aluminium, Messing oder Edelstahl sollten regelmäßig behandelt werden.

Die Innenausstattung kann bis zu 35000 Euro kosten

„Viele denken, ein Auto bestehe nur aus zwei Sitzen“, sagt der Experte Günter Glahn. „Wenn ich ihnen dann erzähle, dass ich mehrere Monate an ihrem Auto arbeite, fallen sie aus allen Wolken.“ Allein die Restauration eines einzelnen Sitzes könne bis zu 1600 Euro kosten. Die Kosten für eine komplette Innenausstattung (inklusive Verdeck) beliefen sich bei ihm auf 8000 bis 35 000 Euro. Um dem Originalzustand nahe zu kommen, greift Glahn auf historische Fotobände zurück. Sie zeigen die blitzenden Karosserien zu ihrer Hochzeit, gefahren von Schauspielern und Künstlern. „Da sieht man oft Details, die fürs Restaurieren sehr wichtig sind“, erzählt der Autosattler, zu dessen Kunden längst nicht nur Promis gehören. „Das Interesse an Oldtimern nimmt spürbar zu. Ich hätte nie gedacht, dass ich davon einmal leben kann.“

Wer ein H-Kennzeichen bekommen möchte, darf es beim Restaurieren aber nicht übertreiben. „Das Fahrzeug muss originalgetreu sein“, erklärt Vincenzo Lucà, Sprecher des Tüv Süd. Zeitgenössische Änderungen seien durchaus erlaubt, also etwa Sportsitze oder Rad-Reifen-Kombinationen, die es zur damaligen Zeit bereits gab. „Eine Klimaanlage oder ein neues Radio einzubauen wäre dagegen keine gute Idee“, warnt Lucà. Natürlich dürfe jeder mit seinem Auto machen, was er wolle. „Aber dann muss man in Kauf nehmen, kein H-Kennzeichen zu bekommen“, sagt der Tüv-Sprecher. Schließlich gehe es um ein erhaltenswertes Kulturgut – da müsse die Optik stimmen.

Zu große Veränderungen bergen die Gefahr eines Wertverlusts

Auch der Autosattler Günter Glahn hatte schon mit Kunden zu tun, die sich neue Stoßdämpfer oder Sportgetriebe einbauen lassen wollten. Oder Sitzbezüge mit Kuhflecken. „Man sollte bedenken, dass solche Veränderungen mit einem Wertverlust einhergehen“, betont Glahn. Die richtige, also originalgetreue Innenausstattung könne hingegen zu einer deutlichen Wertsteigerung führen. „Das kann beim Gutachten zwischen 4000 und 6000 Euro ausmachen“, sagt Glahn. Was wiederum beim etwaigen Verkauf des Fahrzeugs eine Rolle spielt.

Doch was, wenn die historischen Materialien nicht mehr verfügbar sind? Und die Original-Sitzbezüge hoffnungslos zerschlissen? „Dann versuchen wir, sie trotzdem zu retten“, sagt Glahn. Im Notfall könne man auch neues Leder auf Alt trimmen. „Wir arbeiten sogar Schmutz in die Nähte ein, damit die Sitze möglichst originalgetreu aussehen“, erzählt Glahn. Doch auch dabei gilt das eiserne Motto: bloß nicht übertreiben. „Das Gesamtbild zählt. Nur darauf kommt es an.“

Die Zahl der Oldtimer wächst

Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt sind in Deutschland knapp 475 000 Oldtimer zugelassen, also Autos, die älter als 30 Jahre sind. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 waren es gerade einmal 188 000 Exemplare.

Oldtimer mit H-Kennzeichen genießen zahlreiche Vorteile: So beträgt die jährliche Kfz-Steuer pauschal 191 Euro, unabhängig von der Emissionsklasse. Auch dürfen Autos mit H-Kennzeichen in Umweltzonen fahren, selbst wenn sie die zugelassenen Abgaswerte überschreiten. Der Grund: Historische Fahrzeuge gelten als Kulturgut, das vom Staat als erhaltenswert erachtet wird.