Lange wurde darauf gewartet: Nun überrascht Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit einem Grundsteuer-Reformmodell – für viele Bürger könnte das teurer werden. Foto: AP

Bisher kassieren die Kommunen 14 Milliarden Euro Grundsteuer für 36 Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke. Doch die Grundlage der Berechnung ist verfassungswidrig. Die Reform der Grundsteuer birgt aber eine Menge sozialen Sprengstoff, meint unser Kommentator Klaus Köster.

Stuttgart - Wenn das keine guten Absichten sind: Der Staat solle eine soziale Spaltung verhindern, indem er mehr für den Wohnungsbau unternehme, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die „unsichtbare Hand des Marktes“ vertreibe Menschen mit kleineren Einkommen aus den Ballungsräumen. Doch wer auf eine Lösung der drängenden Probleme hofft, sollte auch der sichtbaren Hand des Staates lieber nicht zu genau auf die Finger schauen.

Die wertabhängige Grundsteuer, wie sie Bundesfinanzminister Olaf Scholz nun den Landesfinanzministern vorschlagen will, wäre so ziemlich das Schlimmste, was die Steuerpolitik den geplagten Menschen gerade in den Ballungsräumen antun kann. Denn je höher die Miete, desto wertvoller die Immobilie; und je wertvoller die Immobilie, desto höher die Grundsteuer – und damit auch die Miete. Eine Preisspirale, in Gang gesetzt von einer Politik, die sich preiswerteres Wohnen auf die Fahnen schreibt. Das Mindeste, was der Südwesten tun könnte, wäre ein klares Signal, dass er sich einer solchen Reform widersetzt – wie Bayern, das in München ähnliche Probleme hat. Doch davon ist bisher wenig zu hören.

Kretschmann hat völlig Recht

Dabei hat Kretschmann völlig Recht, wenn er bezahlbaren Wohnraum als ein Mittel gegen soziale Spaltung bezeichnet. Je höher die Mieten, desto eher entstehen ganze Viertel, die sich nur noch bestimmte Einkommensgruppen leisten können. Akademikerkinder spielen mit ihresgleichen, ebenso der Nachwuchs von Geringverdienern. Die sozialen Schichten entfremden sich voneinander, das gegenseitige Wissen voneinander schwindet bis in die kommende Generation hinein. Das ist eine höchst gefährliche Entwicklung für die Gesellschaft, die nicht danach ruft, durch eine wenig durchdachte Reform noch forciert zu werden.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de