Und ewig jubeln die Bayern. Geht es nach Ralf Rangnick, könnte ein Ende von 50+1 die Münchner Vormachtstellung ins Wanken bringen. Foto: dpa

Bringen mehr Investoren den Konkurrenzkampf in die Fußball-Bundesliga zurück? Was von Ralf Rangnicks These zu halten ist.

Stuttgart - All jene, die nach sechs Münchner Meistertiteln in Folge aus welchen Gründen auch immer auf eine Ende der bayrischen Dominanz hoffen, wurden schon zwei Wochen vor dem Start der 56. Bundesliga-Saison enttäuscht. Mit 5:0 fegte der Rekordchampion im Supercup Pokalsieger Eintracht Frankfurt vom Platz. Ein halbwegs spannendes Meisterschaftsrennen in der anstehenden Spielzeit wäre eine Überraschung, alles andere als der siebte Bayern-Titel in Folge eine Sensation. Weshalb nach der WM-Krisen- und Rassismus-Diskussion Fußball-Deutschland vor dem Saisonstart die alte Frage neu diskutiert: Wie viel Langeweile verträgt die Bundesliga?

Geht es nach Ralf Rangnick, liegt die Lösung um zwei Ecken vergraben. Der Sportdirektor von RB Leipzig hat die 50+1-Regel als Ursache der fest zementierten Hackordnung in der Beletage ausgemacht. Ausgerechnet 50+1: Gilt die Beschränkung vor Investoren doch vielen als „letztes Stoppschild auf der immer schneller fortschreitenden Kommerzialisierungsschiene“ (St. Pauli-Manager Andreas Rettig). Vor allem die organisierten Fan-Szene – darunter auch die des VfB Stuttgart – machen gegen deren Abschaffung seit Jahren mobil.

Warum sich der VfB ärgert

Ebendas hat Rangnick nun gefordert. In erster Linie, um international konkurrenzfähig zu bleiben. „Was wollen wir“, wirft der 60-Jährige die Frage nach der Zukunft des deutschen Fußballs in den Raum. „Wollen wir weiter unsere Tradition pflegen? Dann werden wir als Liga irgendwann dort landen, wo der eine oder andere Traditionsclub leider schon gelandet ist: Auf dem Friedhof der Erinnerungen.“

Rangnick prophezeit eine düstere Zukunft, falls sich an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nichts ändert. Unabhängig von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit plädiert er noch aus einem anderen Grund für die Abschaffung der Investorensperre: Um wieder mehr Spannung in den Ligabetrieb zu bekommen. Rangnicks These dazu lautet: Ein Ende von 50+1 könnte dazu führen, „dass einzelne Vereine die Lücke zu den Bayern wieder schließen.“

Eben dadurch, dass all die Herthas, Bremens und Augsburgs endlich in die Vollen gehen könnten, um dem Münchner Branchenprimus in Riesenschritten nachzueilen. Mit Investoren aus China, der arabischen Welt und sonst wo her. Das englische Modell sozusagen.

Eine steile These, mit der Ralf Rangnick aber nicht alleine steht. Auch Bayern Münchens Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge scheint der Liga-Langeweile allmählich überdrüssig, wenn er sagt: „Alle haben Angst, dass man verliert, wenn man sich dem Markt öffnet. Das Gegenteil wäre der Fall: Die Bundesliga würde insgesamt profitieren“, glaubt Rummenigge.

Fußball-Historiker Havemann: Geld ist nicht alles

Auch der Fußball-Historiker und Buch-Autor Nils Havemann („Samstags um halb vier: Die Geschichte der Fußball-Bundesliga“) denkt in diese Richtung. „Es könnte durchaus sein, dass Großsponsoren bei anderen Vereinen einsteigen und sie auf eine andere Ebene hieven“, sagt Havemann. Leipzig mit Red Bull sei das beste Beispiel. Der Club habe die Liga belebt, auch wenn das nicht jedem gefällt, meint er. Ein Ende der „50+1-Folklore“ (Havemann) könnte das Feld auf lange Sicht neu sortieren.

Der Experte nennt in diesem Zusammenhang auch den VfB als potenziellen Bayern-Jäger. Auch wenn die Stuttgarter das Aufreger-Thema nicht direkt tangiert. Schließlich hat der Club festgelegt, maximal 24,9 Prozent seiner Anteile zu veräußern. Der VfB fühlt sich nicht betroffen – und ist es doch. Indirekt, da seinen Konkurrenten der Zugriff auf die großen Geldtöpfe künftig ermöglicht werden könnte. Wird die juristisch wackelige 50+1-Regel von der Fußball Liga oder den Gerichten irgendwann gekippt, „würde das die Wettbewerbssituation“ nachhaltig beeinflussen, prophezeit VfB-Präsident Wolfgang Dietrich. Den Unternehmer ärgert, dass „eine solche Grundsatzfrage nicht geklärt ist“. Denn: „Im Moment versucht jeder, diese Regel zu umgehen. Das führt zu einer Wettbewerbsverzerrung, unter der ein Verein wie der VfB leidet.“

Das liebe Geld bestimmt also die Diskussionen vor dem Bundesliga-Start am 24. August. Historiker Havemann erinnert jedoch daran, dass auch in den heutigen Zeiten Geld (zum Glück) nicht alles ist. „Entscheidend ist nach wie vor die Arbeit im Management und auf dem Platz. Sonst müsste Manchester City jedes Jahr die Champions League gewinnen.“