Kretschmann (l.) und Strobl bei der Halbzeitbilanz in Stuttgart Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Nach außen wirken Winfried Kretschmann und sein CDU-Vize Thomas Strobl harmonisch. Doch die CDU schaltet zunehmend in den Wahlkampfmodus – der Ministerpräsident soll endlich aus seiner Wohlfühlzone gedrängt werden.

Stuttgart - Einträchtig sitzen sie nebeneinander, der Grünen-Ministerpräsident und sein Stellvertreter von der CDU. Winfried Kretschmann und Thomas Strobl zelebrieren gerade auf vier „Bürgergesprächen“ die Halbzeitbilanz ihrer Koalition. „Nüchtern betrachtet erfolgreich“ betiteln sie die Harmonieveranstaltungen und lassen keinen Zweifel daran, dass sie weitere zweieinhalb Jahre beisammen bleiben wollen. Hinter den Kulissen jedoch überlegen Parteistrategen längst, wie man sich wirkungsvoll vom Partner absetzt.

„Der Wahlkampf beginnt, da werden die Messer gewetzt“, sagt eine Grünen-Frau. Argwöhnisch verfolgt man in der Partei vor allem CDU-Generalsekretär Manuel Hagel, einen der engsten Mitarbeiter von Strobl. Der alerte 30-Jährige ätzte etwa dieser Tage auf einer Veranstaltung in Hechingen: „Die Grünen haben den Kretschmann-Flügel abgestraft.“ Beim Bundesparteitag in Leipzig hätten die Kandidaten aus dem Südwesten allesamt Schiffbruch erlitten, die bürgerlichen Grünen gebe es halt „nur im Schaufenster, in der Küche geht es links her“, zitiert ihn der „Schwarzwälder Bote“. Die Rollen in der CDU sind also klar verteilt.

Eine doppelte Halbzeitbilanz

Doch auch die Grünen achten auf ihr Profil, wenn auch noch nicht so stark, wie es die Grüne Jugend auf dem jüngsten Parteitag in Konstanz verlangt hat. So laden sie für 23. November zu einer Veranstaltung, auf der Kretschmann Halbzeitbilanz ziehen will – diesmal aber ohne Strobl. Stattdessen wird er im Stuttgarter Wizemann seine Parteivorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand an der Seite haben, um „ausgewählte grüne Erfolge“ zu präsentieren, wie es heißt. „Das neue Baden-Württemberg“ ist die Leistungsbilanz überschrieben, und wer sie gedruckt haben will, kann sie auch vielfarbig für 8 Euro beim Landesverband kaufen.

„Solche Veranstaltungen machen wir auch, aber mit unseren Ministern und mit kritischem Ansatz“, heißt es bei der CDU. Auch Strobl wird also zweierlei Bilanz ziehen – einmal harmoniebetont und einmal mit der Parteibasis im Blick. Denn die wartet sehnsüchtig (aber bisher vergeblich) darauf, dass die Christdemokraten in Umfragen wieder an den Grünen vorbeiziehen. Dem CDU-Landeschef und mutmaßlichen Spitzenkandidaten steht also ein Spagat bevor: Je näher der Wahltag rückt, desto mehr muss er „CDU pur“ bieten – so wie jüngst mit seinem Vorstoß, das Polizeigesetz zu ändern. Gleichzeitig dürfe dabei die Koalition nie in Gefahr geraten, sagt ein maßgeblicher Unionsmann. Denn das würde von der Öffentlichkeit missbilligt.

Manuel Hagel, der Mann fürs Grobe

Holzen ist für Strobl, der Kretschmann im Übrigen persönlich schätzt, also nicht angesagt. Das überlässt er Hagel – und der macht das mit Inbrunst. „Effekthascherei“ kanzelte der Generalsekretär am Mittwoch das Grünen-Papier zur inneren Sicherheit ab, in dem der Koalitionspartner unter anderem vorschlägt, Intensivstraftäter in präventiven Gewahrsam zu nehmen. Endlich sei auch bei den Grünen der Groschen gefallen, spottete Hagel, denn eben das verlange Strobl doch schon seit Wochen. Und er fügt hinzu: „Für die Kretschmann-Grünen gilt halt einmal mehr: Besser spät als nie.“

Mit stillem Vergnügen erwartet man in der CDU-Zentrale, dass dies den Regierungschef ebenso ärgern wird, wie ihn schon manch andere Spitze des CDU-Generals geärgert hat. Etwa die Bemerkung, dass der jüngste Parteitagsbeschluss zu einem Fonds für Bauland „grüne Träumereien“ seien. Oder dass er Kretschmanns neuen Staatskanzleichef Florian Stegmann mit dem vergifteten Lob begrüßte, dieser habe sich bereits „bei der Koordination des Dieselthemas“ bewährt. Irgendwie müsse man Kretschmann „aus seiner Wohlfühlzone herausholen“, heißt es, ihn also zwingen, sich aus der präsidialen Sphäre in die Niederungen der Tagespolitik zu begeben.