Journalisten fotografieren im Münchener Oberlandesgericht Ermittlungsakten. Foto: dpa

Der Grünen Vorsitzende der NSU-Kommission hat ein Rechtsgutachten lediglich an einige seiner Parteifreunde weitergeleitet. Für die CDU ist das ein Vertrauensbruch.

Stuttgart - Transparenz ist Baden-Württembergs Grünen sehr wichtig. Deshalb listet jeder ihrer Abgeordneten auf der Webseite der Landtagsfraktion penibel auf, welche Einkünfte er hat, was er beruflich und auch sonst noch so alles außerhalb seines Mandats macht. Transparenz hat aber offenbar auch seine Grenzen bei Baden-Württembergs Grünen.

Die werden derzeit bei einer Frage sehr schmallippig: welcher ihrer Abgeordneten bereits jenes Gutachten kennt, das Juristen der Landtagsverwaltung für die Enquetekommission Rechtsextremismus/NSU geschrieben haben. Das Gremium befasst sich auch mit den Beziehungen der mutmaßlichen Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds nach Baden-Württemberg. In ihrer Stellungnahme waren die Anwälte des Parlaments der Frage nachgegangen, unter welchen Voraussetzungen Polizeibeamte von der Arbeitsgruppe angehört werden dürfen.

Seit Monatsbeginn sind dem grünen Kommissionsvorsitzenden Willi Halder bereits zwei Gutachten übersandt worden. Der schickte die Expertisen jeweils mit der Bitte zurück, sie nachzubessern. Gleichzeitig informierte er die Obleute der anderen Parteien, als Nicht-Jurist müsse er das Gutachten erst verstehen – und brauche dafür etwas Zeit. Die räumten ihm die Obleute des Gremiums verständnisvoll und gutgläubig ein.

Zeit, die Halder offenbar nutzte, um das 27 Seiten umfassende Papier mit Parteifreunden eingehend zu diskutieren. Mindestens zwei weiteren Abgeordneten und einer Juristin seiner Fraktion machte Halder nach Recherchen unserer Zeitung das Gutachten in der vergangenen Woche zugänglich. Nur einer der Parlamentarier gehört der NSU-Arbeitsgruppe des Landtags an. Am Montag hatte Halder auf wiederholte Fragen zunächst eingeräumt, das Papier „mit zu Beratungen“ gehabt zu haben. Er beteuerte aber, das Gutachten an „niemanden anderen weitergegeben“ zu haben. Bereits wenige Stunden später ergänzte Halder, er habe das Gutachten einer „befreundeten Juristin“ gegeben und „am Rande“ eines Treffens mit Fraktionskollegen „erwähnt“. Eine fragwürdige Umschreibung für die Übergabe der Bewertung an Parteifreunde.

Für den SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou ein ungeheurer Vorgang, sollten sich die Vorwürfe auch offiziell bestätigen: „Wer da irgendwie rummacht, erweckt den Eindruck, er will etwas manipulieren. Dieser Eindruck muss gerade im Zusammenhang mit dem NSU vermieden werden.“ Bei der Aufklärung der den Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zur Last gelegten Morde waren Ermittler und Politiker immer wieder darauf gestoßen, dass in Sicherheitsbehörden Akten zu dem Fall vernichtet wurden.

Auch weil das Thema deshalb belastet ist, fordert Matthias Pröfrock, dass „Halder sich erklären muss“. Der CDU-Obmann sagt: „Bestätigen sich die Vorwürfe, dass sich Grünen-Abgeordnete vor allen anderen Mitgliedern der Kommission mit dem Gutachten beschäftigen konnten, wäre das ein enormer Vertrauensbruch.“ Dann sei die weitere „Zusammenarbeit mit Halder schwierig“. Dieser war wie auch der Obmann der Grünen, Daniel Lede Abal, für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.