Bei der Degerlocher Großfamilie Dieter mit 13 Kindern wurde in den 1950er Jahren an Weihnachten stets viel gesungen und gemeinsam musiziert. Foto: privat

Weihnachten in Großfamilien ist nicht nur eine logistische Herausforderung. Bis jeder seine Geschenke hat, braucht es viel Geduld, wissen die Geschwister der Degerlocher Großfamilie Dieter und die Mitglieder der Riedenberger Familie Jooß.

Degerloch/Riedenberg - Mit Freude fiebern Aranka (6), Silvan (8), Marlene (10), Emilia (12) und Leander (13) dem Krippenspiel am Heiligabend-Nachmittag in der evangelischen Kirche Riedenberg entgegen. Schon seit Jahren beteiligen sich die Kinder der Familie Jooß aktiv an der Aufführung. Das Spiel ist stets der erste Höhepunkt am 24. Dezember.

„Wir freuen uns immer sehr auf die Aufführung“, sagen die Schwestern Marlene und Emilia. Und wie die Mutter Elisabeth Jooß, ihres Zeichen Gemeindepfarrerin in Riedenberg, verrät, wird jedes Jahr schon Wochen vor Weihnachten in der Familie intensiv über die möglichen Rollen diskutiert – etwa darüber, ob es cooler ist, Schaf zu sein oder einen Hirten zu mimen.

Die Musik steht hoch im Kurs

Doch auch die Musik steht bei Familie Jooß während der Weihnachtstage hoch im Kurs. „Es macht uns einfach immer viel Spaß, gemeinsam zu singen“, sagt Emilia. Ein Lieblings-Weihnachtslied hat die Zwölfjährige aber nicht, schließlich beherrscht die Familie ein großes Repertoire an Weisen. „Und wir singen immer sehr viele Lieder“, verrät Marlene. Erst spät findet daher die Bescherung statt. „Unsere Kinder beschweren sich immer wieder, dass das Christkind immer zuletzt bei uns in Riedenberg vorbeikommt“, sagt Elisabeth Jooß schmunzelnd.

Abseits des Geschenke-Reigens und des Singens ist den fünf Jooß-Kindern während der Weihnachtstage aber auch wichtig, ausgiebig mit den Eltern und Geschwistern zu spielen. Nicht nur die neu erhaltenen Spielsachen werden dann mit Freude ausprobiert. Bei Gesellschaftsspielen wie Activity ist dann die ganze Familie gefordert und darf ihrem Spieltrieb freien Lauf lassen. Dass es da während der Feiertage mitunter auch mal zu Streit kommt, gehöre dazu. „Das Gute in großen Familien ist jedoch: Man kann immer neue Koalitionen bilden“, sagt Elisabeth Jooß.

Geschenke bringt nicht nur das Christkind

Geschenke bringt bei Familie Jooß nicht nur das Christkind. Auch die Geschwister machen sich untereinander gerne eine Freude – häufig mit Selbstgemachtem. Dass die siebenköpfige Familie auch zu Weihnachten eine offene Tür hat, liegt daran, dass sie selbst eher selten in andere Häuser geladen wird. „Je größer die Familie wurde, um so seltener wurden die Einladungen“, sagt Stefan Jooß. „Eine so große Familie schreckt teilweise ab.“

„Vor allem die letzten Tage vor Weihnachten sind bei uns der Supergau“, sagt der Vater. Logistisch müsse viel gemeistert werden: vom Einkauf für die Feiertage bis hin zum Verpacken der Geschenke. Für die Kinder gebe es teils besondere Geschenke, „sie bekommen aber oft auch was Nützliches, wie einen Schlafanzug oder einen Schal“, so Elisabeth Jooß. Neue Anziehsachen kämen bei ihren Kindern gut an, „weil sie ja oft die Sachen der älteren Geschwister auftragen“.

Die 13 Geschwister aus Degerloch erinnern sich gern an Weihnachten

Schwenk nach Degerloch. Erinnerungen werden wach, wenn die 13 Geschwister der Großfamilie Dieter über die Weihnachtszeit während ihrer Kindheit und Jugend sprechen. „Es war immer wunderschön“, schwelgt die 1951 geborene Christa in Erinnerungen und verrät: „Für uns Kinder war vor allem Heiligabend sehr aufregend, denn wir durften den ganzen Tag nicht ins Wohnzimmer, wo der Weihnachtsbaum stand. Den hat unsere Mutter morgens immer geschmückt.“ Erst abends, nach dem Essen, Singen und Vorlesen der biblischen Weihnachtsgeschichte wurde die Tür der guten Stube geöffnet, und die Kinderaugen begannen beim Anblick des Christbaums zu leuchten, weiß die Nummer zehn der zwischen 1935 und 1962 geborenen Dieter-Geschwister, die alle noch leben. Mehrmals im Jahr treffen sie sich, „allerdings nicht zu Weihnachten“, sagt Dorothee, die Jüngste. Aus gutem Grund: Fast alle haben selbst Familie. „Wenn wir nur den engsten Familienkreis zählen, dann sind wir 85“, sagt Elsbeth, Nummer drei der Kinderschar.

Der Kleinste hat immer die Triangel gespielt

Bei ihnen war immer viel los, berichten die Brüder und Schwestern, die sich vor allem gern ans gemeinsame Musizieren und Singen unterm Weihnachtsbaum erinnern – mit Klavier, Geigen und Flöten. „Der Kleinste hat immer die Triangel bekommen“, erzählt Klaus, der 1958 das Licht der Welt erblickte. Auch die Heiligabend-Tradition, „Kartoffelsalat und Saiten“ zu essen, bevor die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vorgelesen wurde und dann die Bescherung kam, ist allen gut im Gedächtnis geblieben. Die Würstchen wurden dabei in einer „Porzellandose, die wie geflochten aussah“ gereicht, erzählt Dorothee. Auf deren Deckel prangte ein „rotes Saitenwürstchen“, weiß die heute 70-jährige Ruth. „Und sie wurde nur an Heiligabend verwendet“, sagt die 1943 geborene Margret.

Puppenstuben im Esszimmer

Gut im Gedächtnis sind den Geschwistern die damals im Esszimmer aufgebauten Puppenstuben sowie die Eisenbahn im Keller. Sie standen nur in der Weihnachtszeit zum Spielen zur Verfügung. Begeistert berichten die Schwestern von den Puppenstuben, die immer von der Mutter „neu tapeziert und eingerichtet“ wurden. Die Puppen erhielten zudem ein neues Outfit. „Unsere Mutter hat sie immer zu Weihnachten neu bestrickt“, sagt die 1936 geborene Hannelore. Begeisterung lösten stets auch die Bücher und anderen Geschenke aus. Ebenso die gut gefüllten Gutsle-Dosen – und eine Orange.

Das Papier, in dem die Eltern die Geschenke verpackten, wurde meist über Jahre wiederverwendet. Nach Jahren standen oft so viele Namen auf dem Papier, dass die Geschenke bei der Bescherung nicht immer im ersten Anlauf den richtigen Empfänger erreichten. Die Bescherung zog sich zudem lange hin, denn „alle mussten immer warten, bis der jeweils Beschenkte sein Päckchen ausgepackt hatte“, erinnert sich Ruth. Dann kam der nächste an die Reihe.

Jung mussten Schuhe putzen, Mädchen beim Kochen helfen

Die Jungs waren an Heiligabend vor dem Kirchgang übrigens zum Schuhputz verpflichtet. Die Mädchen halfen der Mutter beim Kochen. Für alle Kinder gab es dann an Heiligabend noch ein unumstößliches Ritual: Sie mussten in die Wanne. Teils waren mehrere Kinder gleichzeitig im Wasser, „und nicht bei jedem Badegang wurde es gewechselt“, so Hartmut schmunzelnd.