Der Angeklagte hat 37 Fälle von Kokainhandel gestanden. Foto: Archiv (dpa//Andy Rain)

Weil er schon fast sechs Monate im Gefängnis saß, kommt ein 51-jähriger Großbottwarer nach dem Urteil frei.

Großbottwar - Ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung – so lautet das Urteil gegen einen 51-jährigen Familienvater aus Großbottwar, der damit wieder aus dem Gefängnis herauskommt, weil er bereits sechs Monate in Untersuchungshaft gesessen hat. Vor dem Marbacher Schöffengericht hat er zugegeben, im Raum Marbach, Ludwigsburg und Tamm einen schwunghaften Handel mit Kokain und Marihuana getrieben zu haben.Schuldig gesprochen hat das Gericht den gelernten Kraftfahrer für 37 Einzelfälle des unerlaubten Drogenhandels im Tatzeitraum von März bis Ende Oktober vergangenen Jahres sowie für den Besitz einer verbotenen Waffe, denn die Polizei hatte am 19. November im Kleiderschrank seiner Großbottwarer Wohnung ein Butterfly-Messer gefunden. Den größten Teil seiner Geschäfte machte der Angeklagte mit Kokain, beteuerte aber vor der Vorsitzenden Richterin Ursula Ziegler-Göller und zwei Schöffinnen, selber nur gelegentlich Kokain konsumiert zu haben und nicht davon abhängig zu sein. Pro Gramm verlangte er von seinen Abnehmern 65 bis 80 Euro. Die Übergabeorte waren den Ermittlungen nach bei einem Kumpel in Marbach, wo auch Kokain in den Briefkasten geworfen wurde, außerdem in Ludwigsburg und in Tamm. Rund 2300 Euro Gewinn, die der türkische Staatsangehörige aus den Drogengeschäften erzielt haben soll, werden kraft Urteils vom Staat eingezogen.

Hafterfahrung hat der Großbottwarer mit seinem Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal zum ersten Mal in seinem Leben gemacht. In seinem Vorstrafenverzeichnis fand sich eine Geldstrafe wegen versuchter Nötigung. In Kontakt mit Drogen, führte der Beschuldigte aus, sei er im Alter von 27 oder 28 Jahren gekommen. Kokain hätte er „nicht jeden Tag“ konsumiert und im Gefängnis keine Entzugserscheinungen gehabt.

Während des fast halben Jahres Untersuchungshaft hätte er „viel Zeit zum Nachdenken“ gehabt, erzählte der Familienvater. Eine Drogenberatung hätte er in der JVA wegen der Coronakrise aber nicht in Anspruch nehmen können. Jedenfalls sei er beim Nachdenken in der U-Haft zu dem Schluss gekommen, dass er ein drogenfreies Leben führen und seine Familie mit legal verdientem Geld versorgen wolle. Die Frage der Vorsitzenden Richterin an den Berufskraftfahrer, ob sich denn die Führerscheinstelle schon bei ihm gemeldet hätte, verneinte dieser. Der Staatsanwalt aus Heilbronn erkannte im Falle dieses Angeklagten „in Grundzügen schon eine gewisse Drogenabhängigkeit“. Bei seinem Plädoyer auf ein Jahr und zehn Monate Haft zur Bewährung hielt er dem Großbottwarer das umfangreiche Geständnis zugute, das dem Schöffengericht eine ebenfalls umfangreiche Beweisaufnahme erspart habe.

Mit dem Hinweis, dass das Gericht dank des Geständnisses gerade in Corona-Zeiten keine aufwendige Beweiserhebung machen musste, tat das Gericht bei der Urteilsfindung, die exakt zum Strafantrag des Anklägers führte, dasselbe. Die Bewährungszeit für den 51-Jährigen ist auf drei Jahre festgesetzt. Er wird einem Bewährungshelfer untergeordnet und muss im Zeitraum von zwei Jahren acht saubere Drogentests vorlegen. Den Haftbefehl hat das Marbacher Schöffengericht mit dem Urteil wieder aufgehoben. „Wir nehmen Ihnen ab, dass Sie die Untersuchungshaft beeindruckt hat“, sagte die Amtsgerichtsdirektorin, Richterin Ziegler-Göller, bei der Urteilsbegründung. Was die Familie des Mannes betraf, so riet sie diesem, „reinen Tisch zu machen“, was sie als „sehr sinnvoll für einen Neuanfang“ erachte. Mit dem Urteil forderte die Richterin den Großbottwarer auch auf, sich einer ambulanten Suchtbehandlung zu unterziehen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte verzichteten am Ende auf Rechtsmittel.