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Der FC Barcelona ist für den neuen VfB-Trainer Christian Gross so etwas wie ein Musterclub - und in einem Bereich auch Vorbild für die Roten.

Stuttgart - Der FC Barcelona ist für den neuen VfB-Trainer Christian Gross so etwas wie ein Musterclub - und in einem Bereich auch Vorbild für die Roten.

Herr Gross, wie sind die ersten Eindrücke von der Mannschaft?

Ich bin guten Muts. Das war ein guter Auftakt. Ich habe die Mannschaft gespürt. Jeder Spieler wollte sich präsentieren. Jeder hat gemerkt, dass nun eine neue Zeit anbricht. Und das ist auch gut so.

Wie fühlen Sie sich nach einer neunmonatigen Pause?

Es war eine gute Pause, es hat mir gutgetan. Ich habe mir in Spanien und England viele Spiele angesehen. Ich fühle mich gut. Und ich bin bereit. Das Angebot des VfB Stuttgart kam zum richtigen Zeitpunkt.

Was waren Ihre ersten Worte an die Mannschaft?

Ich habe sie aufgefordert, miteinander zu kommunizieren. Ich will Spieler, die miteinander reden. Ich will eine Mannschaft, die weiß, was sie will.

Was wollen Sie denn?

Die schweren Aufgaben lösen, die vor uns stehen.

Geht's genauer?

Nehmen wir den Mittwoch und das Spiel in der Champions League. Da gibt es für uns sehr viel zu gewinnen. Und wir wollen unbedingt gewinnen. Das ist unser Teilziel. Aber Priorität hat natürlich der Nichtabstieg. Gleichzeitig kann uns ein Sieg gegen die Rumänen den nötigen Schwung für die Bundesliga geben.

Was ist das Rezept gegen Unirea Urziceni?

Der Schlüssel zum Erfolg sind Mut, Cleverness und zwei Tore. Die werden wir brauchen. Ich habe der Mannschaft auch gesagt, dass der Funke von ihr auf die Zuschauer überspringen muss. Deshalb muss sie aggressiv auftreten.

In der Schweiz heißt es, in großen Spielen wachsen Sie über sich hinaus. Der VfB steht vor einem großen Spiel. Dürfen wir Großes von Christian Gross erwarten?

(Schmunzelt) Es wird ein gefährliches Spiel. Deshalb müssen wir klug spielen. Aber es stimmt schon: Leistungssportler wachsen mit der Größe der Aufgabe. Angst ist dabei ein schlechter Wegbegleiter. Das können wir am Mittwoch überhaupt nicht gebrauchen.

Viele fragen sich: Was für ein Mensch ist Christian Gross eigentlich? Klären Sie uns auf!

Tja, wie bin ich? Ich würde sagen, ich bin ein positiver Mensch. Ich habe unheimlich viel Freude am Leben. Ich bin mir aber auch bewusst, dass es im Leben Höhen und Tiefen gibt. Damit ist es eine ständige Herausforderung.

Es heißt auch, Sie hassen das Mittelmaß.

Ich bin sehr leistungs- und zielorientiert. Die Grauzone ist mir ein Gräuel. Es macht mir keinen Spaß. Ich will gewinnen, erst dann habe ich Spaß.

Sie sagen es, es geht um Siege. Wie wollen Sie die Wende schaffen?

Es geht um Verantwortung. Die Verantwortung dem Verein gegenüber. Das müssen die Spieler von nun an verinnerlichen. Aber die Mannschaft muss auch wieder zielstrebiger den Weg zum Tor suchen. Tore schießt man nur, wenn man in den Strafraum kommt. Weitschusstore, das belegen alle Statistiken, gibt es nur noch selten.

Wie muss die Mannschaft auftreten?

Kompakt und entschlossen. Jeder muss spüren, was die Mannschaft will. Von der ersten Minute an. Ohne den absoluten Fightingspirit geht es nicht. So kann man das Glück auf seine Seite zwingen.

Was sind Ihre Trainingsziele?

Es geht mir in jedem Training um Bewusstseinserweiterung. Die Spieler müssen sich täglich weiterentwickeln.

Sie visualisieren gerne Ziele. Zum Beispiel, indem sie mit der Mannschaft auf einen Gipfel in St. Moritz klettern, um ihr zu zeigen, wie man sich an der Spitze fühlt. Machen Sie so etwas Ähnliches auch vor dem Spiel am Mittwoch?

Nein, diesmal nicht. Ich habe nur kurz gefragt, wer schon einmal im Achtelfinale stand, um den anderen dieses positive Gefühl näherzubringen. Jetzt geht es nur darum, die Spieler dafür zu sensibilisieren.

"Schlüssel zum Erfolg sind Mut und Cleverness"

Sie sind ein Spanien-Liebhaber und Anhänger des FC Barcelona. Was beeindruckt an Barça am meisten?

Es ist der Verein schlechthin. Aber bei dieser Mannschaft sieht man, dass immer nur das Team Erfolg haben kann. Der Teamgedanke muss tief verwurzelt sein. Obwohl es dort viele Stars gibt, darf sich keiner Extras rausnehmen. Das ist auch ein Grund für die Sonderstellung von Barça. Die Extras der Superstars hat der Trainer dort alle gestrichen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Müssen Sie da auch beim VfB ansetzen? Behält Torwart Jens Lehmann seine Sonderrechte?

Auch da muss ich mir erst ein genaues Bild machen. Aber alle müssen das gleiche Ziel haben und den Teamgeist leben. Vor allem die Führungsspieler. Er wurde als wichtiger Führungsspieler angestellt. Seine Erfahrung ist genau jetzt gefragt.

Wie steht es um Ludovic Magnin. Können Sie Ihren Landsmann noch von einem Wechsel zum FC Zürich abbringen?

Nein, ich denke, die Würfel sind gefallen.

Gibt es unter Ihnen einen neuen Kapitän?

Wenn das Thema Kapitän noch einmal auf den Tisch kommt, dann frühestens in der Winterpause. Aber Matthieu Delpierre macht auf mich einen guten Eindruck.

Nach Ihrem Engagement bei Tottenham Hotspur ist dies Ihr zweiter Trainer-Job außerhalb der Schweiz. Was haben Sie auf der Insel gelernt?

Tottenham war eine wertvolle Erfahrung. Ich habe die Mannschaft in einer sehr prekären Situation übernommen und vor dem Abstieg bewahrt. Etwas Vergleichbares ist in dieser Konstellation in der Premier League keinem mehr gelungen. Die Situation und Aufgabe hier sind vergleichbar.

Haben Sie Wünsche an Manager Horst Heldt? Braucht die Mannschaft Verstärkung?

Wünsche hat man immer. Und manche lassen sich verwirklichen.