Ein Beispiel aus dem als besten Fotokalender ausgezeichneten „African Colours“ von Esad Cicic. Foto: Cicic

Der Gregor Calendar Award ist für das graphische Gewerbe die wichtigste Leistungsschau. Die Fachjurys haben insgesamt 54 Preise gegeben. Ganz vorne landete der Kalender „Letzte Worte“.

Stuttgart - Er ist der Begleiter durch das Jahr, gibt Orientierung und Perspektiven von Abhaken bis Erwarten: Der Kalender. Für die Tasche, für die Termine oder die Wand, an der die prominentesten Maler von Monet bis Picasso, die schönsten Sehnsuchtsorte von New York bis Venedig und Niedliches wie Kinder, Katzen und Hunde zum Blickfang werden. Aus einer schier unübersehbaren Vielfalt der Darstellungen und Sujets, für die man am liebsten noch ein paar Wände einziehen möchte. Nicht auszudenken, wie schwer die Entscheidung fiele, wenn man auch noch unter den Exemplaren wählen könnte, die für den Gregor Award eingesendet werden: „Von Verlagen, Firmen, Werbeagenturen und auch Künstlern als Privatpersonen“, wie Friedrich Müller vom Graphischen Klub Stuttgart erklärt, der zusammen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Verband Druck und Medien für diese Wettbewerb verantwortlich ist. Und bedauern muss: Nein, diese Kalender können nicht käuflich erworben werden, sie sind guten Kunden oder Freunden vorbehalten.

Eine Dame von Welt

Ein Jammer! Könnte man doch in gebildeten Kreisen mächtig Eindruck schinden, wenn man den Kalender „Letzte Worte“ besäße und auswendig lernen könnte, was Christoph Columbus, Julius Cäsar, Kleopatra, Einstein, Konrad Adenauer oder John F. Kennedy vor ihrem Hinscheiden noch der Nachwelt überlieferten. Picasso soll gesagt haben, die Malerei müsse noch erfunden werden, und die Spionin Mata Hari erwies sich vor dem Erschießungskommando am 15. Oktober 1917 immer noch als Dame von Welt mit den Worten: „Non, Monsieur, ich danke Ihnen.“ Diesen Kalender, gestaltet mit dekorativen Arabesken und Abbildungen der jeweiligen Protagonisten von Cornelia Glanzmann-Schöne in Lörrach und gedruckt von Hornberger Druck in Maulburg, reihte die Jury in der Gold-Liga ein. Genau wie die „Facades of the world“ (Auftraggeber Alsecco, Konzeption Jochen Grauer, Gestaltung Jäger & Jäger), der Straßenzüge aus aller Welt in Scherenschnittmanier zeigt und in der Struktur haptische Anreize bietet.

Jedes Jahr sei er gespannt, bekennt Müller, ob man wirklich immer noch Innovatives und Originelles erwarten könne. Um dann festzustellen, dass manche Kreationen total überraschen. Wie der Kalender, der zum besten des ganzen Wettbewerbs gekürt wurde: Eigentlich ein Abreißkalender. Aber was für einer. Unter dem Titel „Typisch Montag – ein Jahr hat sieben Tage“ sind zu den sieben Wochentagen 365 Illustrationen aneinandergereiht, die Geschichten erzählen: Über den arbeitssuchenden Manfred, über Dina, Margot, Dieter, Siegfried, den Paketboten Fesal und die rebellische Samstagsfrau Samantha. Nach einer Idee von Louise Krank, Studentin an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz und verwirklicht in der Zusammenarbeit mit Kommilitonen und Druckpartner Essen, wo man diesen Auftrag, wie Müller verrät, als einen der aufwendigsten und schwierigsten bezeichnete. Und dann gibt es noch den Aufreißkalender „Pull, Tear und Repeat“, vor dem man zuerst völlig ratlos gestanden habe und der dann mit Silber ausgezeichnet wurde: Ein schwarzes Quadrat mit einem monochromen Pfeil als einzigem Hinweis zum destruktiven Aufreißen Monat für Monat.

Mit Blumen überzeugte die Russin Anna die Jury

Drei Fachjurys vergeben 54 Preise. Auch für den besten Fotokalender, als der „African Colours“ von Esad Cicic in seiner bestechenden Ästhetik ausgezeichnet wurde. Mit Blumen überzeugte die Russin Anna die Jury. Nicht weil die Tulpen, Rosen und Nelken so schön bunt blühen, sondern weil sie Symbole für Revolutionen sind: Die Nelkenrevolution von Portugal, die Rosen-Revolution von Georgien, die Tulpenrevolution von Kirgistan und die Kornblumen für den Aufstand der Weißrussen im März 2006. Botschaften über reine Ästhetik hinaus, wie sie auch Mareen Bender zum Thema ihres Kalenders Klimawandel gemacht hat: Mit einem Eisberg, der aus 365 weißen „Eisstücken“ besteht, von denen man täglich eines wegnimmt. Am Ende des Jahres ist der Eisberg verschwunden. Eine eindringliche Warnung, die von der Jury als konzeptionell gelungen und hervorragend gemacht gewürdigt wurde.

Von diesen Kalendern würde man sich gern durch das Jahr 2019 begleiten lassen. Aber man muss sich mit zeitlich begrenzter Bewunderung begnügen: Die Ausstellung ist bis zum 10. Februar, täglich von 11 bis 19 Uhr, im Haus der Wirtschaft, Willi-Bleicher-Straße 19, 70174 Stuttgart, zu sehen.