An der Haltestelle Mühle sprayt Frederik Merkt demnächst mit Senioren. Foto: factum/Archiv

Der Remsecker Grafiker und Graffiti-Künstler Frederik
Merkt bietet einen Graffiti-Kurs für Senioren an. Im Gespräch erklärt er, warum das gut ankommt.

Remseck - Normalerweise ist kaum ein Teilnehmer, der die Seminare von Frederik Merkt besucht, volljährig. Doch die nächsten Schüler des Remsecker Grafikerssind fast doppelt so alt wie der 38-Jährige – und wollen in die Kunst des Graffiti-Sprühens eingewiesen werden. Merkt freut sich darüber.

Herr Merkt, wie unterscheidet sich ein Graffiti-Workshop für Jugendliche von einem für Senioren?
Vom Aufbau gar nicht so sehr. Wir werden am ersten Tag über die Geschichte der Graffiti-Kunst sprechen und erste Skizzen zeichnen. Am zweiten Tag malen wir dann selbst an der Wand. Ich will bei den älteren Teilnehmer anregen, dass wir ein gemeinsames Bild sprayen und nicht jeder drauflos werkelt. Als Erwachsener macht man ja eher weniger Teamarbeit, da wäre es schön, als bunt zusammengewürfelter Haufen etwas zu schaffen.
Glauben Sie, die Teilnehmer sprayen anders als die „üblichen“ Interessenten?
Die Kids nehmen am liebsten eine Dose in die Hand und sprühen drauf los. Bei den Älteren bin ich mir sicher, dass sich der ein oder andere schon vorher Gedanken macht, was er zeichnen will – auch, um sich nicht zu blamieren.
Wie kamen Sie auf die Idee, das Seminar für diese Zielgruppe anzubieten?
Die Stadtverwaltung hat angefragt, ob ich so etwas nicht machen will. Wir können da Menschen abholen, die auf den ersten Blick keinen Bezug zu Graffitis haben. Und es scheint ja ein großes Interesse zu geben.
Die Anmeldezahlen sind also gut?
Wir haben nur noch drei Plätze frei, starten aber auch nur mit zwölf Teilnehmern. Mehr ist nicht sinnvoll, dann könnte ich mich nicht mehr um den Kurs und die Bilder kümmern.
Klischeehaft würde man vermuten, dass Senioren eher zu denen gehören, die sich über Graffitis im öffentlichen Raum aufregen – und nicht zu denen, die sie selbst machen wollen . . .
Man darf die Älteren nicht unterschätzen, da hat sich viel getan. Zum einen können die Leute bei Graffitis besser differenzieren als noch vor 10 oder 15 Jahren und sehen, was gut ist und was nicht.
Und zum anderen sind die Senioren von heute cooler als die vor 30 Jahren?
Ich weiß nicht, ob cooler das richtige Wort ist. Aber man sagt ja seit einiger Zeit, 30 sei das neue 20 – vielleicht gilt etwas Ähnliches auch für die heute 50- oder 60-Jährigen. Ich glaube, dass Menschen, die 30 Jahre in einem Beruf gearbeitet haben und jetzt in Rente gehen, sich nochmal ausleben, etwas ausprobieren wollen. Früher war das gesellschaftliche Korsett da wahrscheinlich enger. Da konnte ein 62-Jähriger Sprayer abends wahrscheinlich nicht mehr einfach so in die Dorfkneipe kommen.
Vielleicht liegt es daran, dass frühere Revoluzzer auch älter werden? Die Alt-68er sind heute im gesetzten Alter . . .
Genauso ist es übrigens in der Sprayer-Szene. In Deutschland kam der Trend rund um das Sprühen in den 1980er-Jahren auf. Es gibt einige, die seit damals dabei sind. Ich selbst bin 38 und sprühe seit 22 Jahren. Viele aktive Sprayer über 50 wird man aber sicher nicht finden.