Hier ist die Verbindung zwischen bildhaftem Sprühen und klassischer Graffiti-Kunst zu sehen. Links der Schriftzug „Risiko“, rechts eine Bahn, die gut als solche zu erkennen ist. Foto: privat

Zwei 25-jährige Graffiti-Künstler aus Ludwigsburg verschönern eine Wand nach der anderen im Kreis – für Städte und Schulen im Auftrag, für Privatleute auch mal einfach so.

Ludwigsburg/Benningen - Der Unterschied ist deutlich zu sehen: Für einen Auftrag zügeln die beiden Graffiti-Künstler aus Ludwigsburg ihren Freiheitsdrang und gehen auf die Wünsche der jeweiligen Stadt oder der Schule ein. Dann sprühen sie auch mal Weintrauben, Kirbebuben oder eine Eisenbahn – wie zuletzt am Benninger Bahnhof.

Lässt man ihnen aber freie Hand, kommen ganz verrückte Dinge heraus. Fantasiewelten mit Barockcharme, neben denen kunstvolle Käfer krabbeln. Zum Beispiel. Ein solches Werk ziert jetzt eine private, etwa 30 Meter lange Hauswand beim Favoritepark in Ludwigsburg. Eines haben alle ihre Graffiti gemeinsam: Sie sind immer ein einzigartiger Mix zwischen klassischem Sprühen und realistischen Abbildern – das Alleinstellungsmerkmal der beiden 25-Jährigen. Tim S. sorgt für den klassischen Teil, Philipp N. für den bildhaften.

„Wer sprüht, wird schnell in die illegale Ecke gedrängt“

„Wir machen bei allem aber nur ganz grobe Skizzen und sprühen dann spontan“, sagt Philipp N. Ihre Namen wollen die beiden nicht ganz verraten. „Wer sprüht, wird schnell in die illegale Ecke gedrängt“, erklärt Tim S. Momentan hat er nämlich gerade sein Lehramtsstudium in Kunst, Geografie und Englisch abgeschlossen und beginnt im Februar ein Referendariat. „Wenn ein Rektor erfährt, dass ich sprühe, kann es ein Grund sein, mich nicht einzustellen“, sagt er. „Graffiti gelten noch immer als Schmierereien an Hauswänden.“

Das haben Tim S. und Philipp N. in Benningen erfahren. Denn obwohl sie legal am Bahnhof sprühten, hat ein Passant die Polizei verständigt. „Und das, wo wir weder Sturmmasken getragen haben, noch abgehauen sind. Man hätte uns einfach ansprechen können.“ Die Polizei sei harsch aufgetreten. „Dass wir dort sprühen, hatte die Gemeinde zuvor gemeldet.“ Schnell fanden dies die Beamten heraus. Philipp N. sagt: „Dann haben sie gemeint, das sehe aber gut aus, was wir hier machen.“

Nichts Gewaltverherrlichendes, Frauenfeindliches oder Rassistisches

Zum Auftrag der Gemeinde Benningen sind die beiden gekommen, weil sie in der Bahnhofs-Unterführung ein verblasstes Graffito entdeckten und selbst nachfragten. Bei Bürgermeister Klaus Warthon sei ihre Anfrage gut angekommen. Vier Tage arbeiteten die jungen Männer Mitte Juni an der 40 Meter langen Wand. Am Favoritepark, einem weiteren Auftrag, „waren wir völlig frei“, sagt Tim S. Es habe nur gegolten: „Nichts Gewaltverherrlichendes, Frauenfeindliches oder Rassistisches.“

Von dem ist die Straßenkunst der beiden weit entfernt. Sie lässt dem Betrachter Raum für eigene Fantasien. Und Graffitikenner erkennen den Schriftzug, der sich in Käfern oder unter Wurzeln versteckt: „Risiko“ – das ist das Sprayer-Pseudoym von Tim S., das er seit zehn Jahren benutzt. Damals hat er Philipp N. im Konfis-Unterricht kennengelernt. Seither haben die beiden viele Wände an Schulen im Kreis verschönert. Auch in der Stuttgarter Sprayerszene sind sie bekannt. In Bad Cannstatt trifft man sie gelegentlich an einer Unterführung zum Bahnhof, denn dort gibt es eine sogenannte „Hall of Fame“ , eine Wand, die Sprayern zur Verfügung steht. Eine solche fehle in Ludwigsburg, finden die beiden. Wo es früher offene Flächen gab, wie zum Beispiel in der Kurfürstenstraße, halten heute Porzellanmalereien Sprayer fern. Aber noch gebe es etwa in der Weststadt etliche Flächen, die sich für Graffiti eigneten.

Je freier wir arbeiten können, desto weniger kostet es“

Für die Zukunft wünschen sich die beiden, noch viele Wände für ihre Kunst zur Verfügung gestellt zu bekommen. „Je freier wir arbeiten können, desto weniger kostet es“, sagt Philipp N. – wie viel genau, will er nicht verraten. „Reich werden wir davon nicht.“ Freiheit ist für Tim S. auch im Berufsleben wichtig. Er hat Industrial Design studiert, aber jetzt abgebrochen. „Ich kann nicht acht Stunden drinnen sitzen und eine Kaffeemaschine malen“, sagt er. „Ich mache mir lieber die Griffel schmutzig.“

Was er wirklich will, versucht er sich nun in einem Auslandsjahr von Oktober an in Australien zu überlegen. Und was wird dann aus den beiden? „Wenn er wieder da ist, machen wir gemeinsam weiter wie zuvor“, sagt Tim S.

Info:

Wer den Graffiti-Künstlern Philipp N. und Tim S. private oder öffentliche Flächen zur Verfügung stellen möchte, meldet sich unter der e-Mail-Adresse: kalligraphie.joker@gmail.com