Der Schock steht ihm ins Gesicht geschrieben: Steph Curry nach der historischen Niederlage gegen die Los Angeles Clippers. Foto: Getty

Der amtierende NBA-Meister kassiert eine historische Pleite. Bereits nach zwei Play-off-Partien stehen die Golden State Warriors unter Druck. Können Curry und Co. aus den Fehlern lernen? Außerdem finden Sie in unserer Bildergalerie alles, was Sie zur ersten Play-off-Runde wissen sollten.

Stuttgart - „Wir haben sechseinhalb Viertel lang richtig gut Basketball gespielt“, sagt der konsternierte Ex-MVP Steph Curry auf der Pressekonferenz. Auch ihm fällt es schwer in Worte zu fassen, was sich zuvor historisches in der Oracle Arena in Oakland zugetragen hatte.

73:50 lagen Currys Golden State Warriors zur Halbzeit in Front, im dritten Viertel bauten sie den Vorsprung gar auf 31 Punkte aus. Alles sah danach aus, als würde der amtierende Meister den Gästen aus Los Angeles in der ersten Play-off-Runde gleich die nächste deutliche Packung verpassen. Schließlich ging Spiel 1 mit 121:104 an Golden State. „Aber dann hören wir auf, Basketball zu spielen“, sagt der angefressene Warriors-Coach Steve Kerr und konkretisiert: „Das fängt mit der Bereitschaft in der Defensive an.“

Größte Comeback der Play-off-Geschichte

Auf der anderen Seite kämpfen die Clippers um ihr Leben und haben in Lou Williams (36 Punkte) den besten Spieler des Spiels in ihren Reihen. Steph Curry sorgt eine Minute vor dem Ende nochmals für eine Drei-Punkte-Führung (131:128). Es sollte der letzte Korb für den amtierenden Meister sein. Curry und Klay Thompson verwerfen noch zwei unvorbereitete Dreier, die Clippers gewinnen am Ende mit 135:131 und sorgen für das größte Play-off-Comeback der NBA-Geschichte. 31 Punkte, einen solchen Rückstand hatte noch nie jemand in einen Sieg verwandelt.

85 Punkte lässt Golden State in der zweiten Halbzeit zu. „Da muss man nicht lange nach der Ursache für die heutige Niederlage suchen“, sagt Kerr. Kevin Durant durfte die letzten zwei Minuten von der Bank verfolgen, er war nach seinem insgesamt sechsten Foul (davon drei Offensiv-Fouls) zum Zuschauen verdonnert. Genauso wie Center DeMarcus Cousins, der noch in der ersten Halbzeit mit Verdacht auf Muskelriss im Oberschenkel in die Kabine humpelte und länger auszufallen droht.

Kerr spricht Klartext

Ein Comeback solchen Ausmaßes gab es in der Play-off-Geschichte der NBA noch nie. Und es ehrt Curry, Kerr und Co., keine Ausreden bei der Cousins-Verletzung oder den Schiedsrichtern zu suchen. Andererseits sind die Schwierigkeiten des Meisters nicht neu. Eifersüchteleien unter den Superstars, die unklare Zukunft von Durant, Cousins und Thompson – trotz Platz eins im Westen gab es diese Saison schon diverse brenzlige Situationen für das All-Star-Ensemble aus Kalifornien. „Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen“, forderte Curry nach einem handfesten Streit zwischen Durant und Warriors-Urgestein Draymond Green, der sich bis in die Umkleidekabine fortsetzte (im Übrigen ebenfalls gegen die Clippers).

Fünf All-Stars standen vergangene Nacht in der Startformation des Meisters und viele Beobachter sind der Meinung, die Warriors können sich eigentlich nur selber schlagen. Aber man wird den Eindruck nicht los, als seien sie in dieser Saison auf bestem Wege, genau das zu tun. Durant wirkt auch in seinem dritten Jahr immer wieder wie ein Fremdkörper. Green hat zwar nicht sein Feuer, dafür aber seine Treffgenauigkeit verloren und Klay Thompson und Steph Curry gehören zwar immer noch zu den besten Guards der NBA – das Niveau der Vorjahre erreichen sie aber auch nicht mehr an jedem Abend. Und sollte Center-Neuzugang Cousins tatsächlich für den Rest der Play-offs ausfallen, fehlt den Warriors die dringend benötigte Präsenz unter dem Korb. Dass die Bankspieler statistisch zu den schwächsten der Liga gehören, macht das Unterfangen Titelverteidigung für die Kerr-Mannschaft nicht einfacher.

Sind die Warriors satt?

Böse Zungen sagen, die Warriors seien nach drei Titeln in den vergangenen vier Jahren satt – der offen zur Schau gestellte Frust der Akteure widerlegt allerdings diese These. Schließlich würden sich die Spieler ihrem Schicksal sonst wohl schlicht ergeben. Nach der jüngsten Play-off-Pleite – so berichten Insider – gab es noch in der Kabine eine deutliche Aussprache innerhalb der talentiertesten Mannschaft der Liga.

Fest steht aber, Talent alleine reicht in den Play-offs nicht. Schon gar nicht in der starken Western Conference. In der Nacht auf Freitag (4:30 Uhr) findet Spiel 3 statt. Genügend Zeit für Kerr, seine Truppen wieder zu versammeln. Auf der anderen Seite glauben die Clippers um ihren emotionalen Anführer Patrick Beverley seit vergangener Nacht, den Meister tatsächlich packen zu können. Und wenn die Warriors nicht aufpassen, trifft sie eine alte Sportler-Weisheit besonders hart, mit der sich einst Durant in der Liga vorstellte: „Hard work beats talent, when talent doesn’t work hard“.

In unserer Bildergalerie finden Sie alles, was Sie zur ersten Play-off-Runde wissen sollten.