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Objektiv gebe es keine Gründe, AfD zu wählen, sagt der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till. Dennoch will er die Bürger besser informieren und fordert, den Zuzug der Flüchtlinge auf die Zahl des vergangenen Jahres zu begrenzen.

Göppingen - Trotz des Wahlerfolgs der AfD bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag will der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till (CDU) an seiner Flüchtlingspolitik festhalten. Der Göppinger Weg der dezentralen Unterbringung sei richtig, sagte Till. Gegenwärtig leben mehr als 1000 Flüchtlinge in der Stadt. Allerdings forderte der OB in einer Grundsatzrede vor dem Gemeinderat eine „klar definierte Obergrenze“.

„Göppingen schafft das“

Als Abkehr vom Kurs der Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Flüchtlingspolitik Till bisher treu unterstützt, will er dies nicht verstanden wissen. Schließlich legt Till die Messlatte für die Obergrenze weit nach oben. Während der CSU-Chef Horst Seehofer eine Zahl von bundesweit 200 000 als Grenze genannt hatte, erklärte Till, es dürften 2016 nur nicht mehr Menschen kommen als im vergangenen Jahr. Da waren es 1,1 Million gewesen.

Für Göppingen gelte: „Wir haben vergangenes Jahr alle uns zugewiesenen Flüchtlinge vernünftig aufnehmen können, und in der gleichen Größenordnung werden wir das auch in diesem Jahr schaffen“, sagte Till. Voraussetzung sei, dass man sich auf diejenigen Menschen konzentrieren könne, die wirklich vor Krieg und Gewalt flüchteten. Zudem müssten Bund und Land eine verlässliche Planung ermöglichen. „Wenn der Oberbürgermeister nicht weiß, mit wie vielen Flüchtlingen seine Kommune zum Jahresende zu tun hat, wie soll dann die Bevölkerung Vertrauen fassen“, sagte Till.

Im Ursenwang wählen 30 Prozent rechts

Gleichzeitig kündigte er an, seinerseits über die Flüchtlingspolitik noch offensiver informieren zu wollen. Das Wahlergebnis vom Sonntag zeige, dass es auch in Göppingen in einem „nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung“ Ängste gebe. „Die müssen wir ernst nehmen“, sagte Till.

Am Sonntag war die AfD in der Stadt auf 18,1 Prozent geklettert. Im Ursenwang wurde sie mit mehr als 30 Prozent sogar stärkste Partei. In weiteren vier Wahlbezirken lag sie über 25 Prozent. Ursenwang ist eine mehr als 50 Jahre alte Trabantenstadt mit großen Wohnblocks, vielen kleinen Bungalows und knapp 3000 Einwohnern. Von ihnen stammen viele aus Russland und Kasachstan. Ein Flüchtlingsheim gibt es im Ursenwang nicht.

„Es gibt objektiv keinen Grund, AfD zu wählen“

„Wir werden unsere direkten Bürgergespräche verstärken und dazu auch in die kleineren Ortszentren gehen“, sagte Till, der allerdings betonte, dass die subjektive Wahrnehmung vieler Menschen nicht mit Fakten zu belegen sei. „Es gab und gibt keine auffällige Zunahme der Kriminalität, es gab und gibt tatsächlich keine Störung des öffentlichen Friedens durch Flüchtlinge.“ Und es gebe in Göppingen nach wie vor keinen objektiven Grund, aus Angst vor der Zukunft, aus Besorgnis vor Flüchtlingen, aus Unbehagen dem Fremden gegenüber oder aus anderen Gefühlen und Sorgen heraus, die AfD zu wählen.

Blick in die AfD-Hochburgen im Kreis Göppingen

Eislingen - In vier Kommunen im Kreis lag die AfD über 19 Prozent. 19,1 Prozent hat sie in Birenbach geholt. Warum das so ist, kann Bürgermeister Frank Ansorge (parteilos) auch nicht sagen. Bisher leben vier Flüchtlingsfamilien in dem Ort. Probleme gab es keine Demnächst öffnet ein neues Quartier mit bis zu 40 Plätzen. Aber die Bürgerinformation sei absolut sachlich verlaufen, sagt Ansorge. Der neugebildete Arbeitskreis Asyl erfreue sich eines hohen Zuspruchs.

Schon die Republikaner punkteten hier

Dass die AfD im katholischen Drackenstein mit 19,4 Prozent einen Spitzenwert einfuhr, ist keine Überraschung. Zwar gibt es bisher keinen einzigen Flüchtling im Ort – ein Alleinstellungskriterium im Kreis. Allerdings gilt der Ort als streng konservativ. Bei der Landtagswahl 1992 holten die Republikaner sogar mehr als 20 Prozent – wobei für ein solches Ergebnis in dem 400-Einwohner-Ort schon zwei Freundeskreise ausreichen.

Das AfD-Ergebnis habe nicht nur mit den Flüchtlingsströmen zu tun, sagt der Eislinger OB Klaus Heininger (parteilos). „Wer das glaubt, macht den nächsten Fehler.“ 19,6 Prozent erreichte die Partei in seiner Stadt. Es gebe viele soziale Dinge, die nicht in Ordnung seien: Die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich immer weiter. Viele profitierten nicht vom wirtschaftlichen Aufschwung und könnten kaum von ihrer Arbeit leben. Hinzu komme nach Köln eine wachsende Unsicherheit.

Protestpotenzial nicht unterschätzen

Auch der Mühlhausener Schultes Bernd Schaefer (parteilos) warnt davor, das Protestpotenzial im AfD-Ergebnis zu unterschätzen. Warum dies in seiner Gemeinde mit 20,5 Prozent am stärksten durchschlug, weiß er aber nicht. „Bei uns ist die Welt in Ordnung.“ Als Bürgermeister stehe er voll und ganz hinter der Flüchtlingspolitik des Landkreises. Auseinandersetzungen im Dorf habe es darüber nicht gegeben.

Den geringsten Zuspruch im Landkreis Göppingen hat die AfD in Bad Boll gehabt. In der Heimat der liberal orientierten Evangelischen Akademie und der Anthroposophen ticken die Uhren noch anders. Dennoch stand auch hier mit 12,7 Prozent ein zweistelliges Ergebnis.