Bei dem Empfang für Frieder Birzele (rechts) am Sonntag in der Göppinger Stadthalle gehörten auch der ehemalige Bundesarbeitsminister Walter Riester und der Landtagsabgeordnete Peter Hofelich (v.l.) zu den Gratulanten. Foto: /Ines Rudel

Der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete und frühere baden-württembergische Innenminister Frieder Birzele hat am Wochenende seinen 80. Geburtstag gefeiert – einmal mit der Familie und einmal mit dem SPD-Kreisverband.

Göppingen - Wie vertrackt die Lage für die Genossen aktuell auch sein mag, auf die Sozialdemokratie lässt er nichts kommen. Die SPD habe in der großen Koalition viel durchgesetzt, den Mindestlohn, die Grundrente. Die Meriten dafür aber heimse der große Koalitionspartner CDU ein. Das sei schon immer so gewesen. Auch 1996 habe die SPD nach der großen Koalition in Stuttgart Stimmen verloren. Frieder Birzele sagt das leise und ohne Groll. Der ehemalige baden-württembergische Innenminister (1992 – 1996) ist am Freitag 80 Jahre alt geworden. Am Samstag feierte er mit der Familie einen Dreier-Geburtstag. Sein jüngster Enkel hat einen Tag vor ihm, einer seiner Söhne einen Tag nach ihm Geburtstag. Am Sonntag veranstaltete der SPD-Kreisverband ihm zu Ehren einen Empfang in der Göppinger Stadthalle. Am 21. Januar steht er noch einmal im Mittelpunkt, bei einer Feier im baden-württembergischen Landtag.

30 Jahre lang saß Frieder Birzele für den Wahlkreis Göppingen im Stuttgarter Landtag. Auch wenn er keine politisches Amt mehr innehat, treibt ihn die Politik noch immer um. Über aktuelle Entwicklungen ist er bestens informiert, und gewohnt scharfsinnig kommentiert er die tagespolitischen Ereignisse. Trotzdem verläuft dieses Gespräch über weite Strecken überraschend persönlich. Frieder Birzele, dessen kühl-distanzierte Art einst vor allem von politischen Gegnern als arrogant empfunden wurde, zeigt sich sehr nahbar. Er erzählt, dass er als freier Handelsvertreter sein Jurastudium verdient habe. „Wir waren vier Söhne, da war es nicht drin, dass meine Eltern dafür aufkamen. Also verkaufte ich Aussteuer, Bettwäsche, Geschirr und Porzellan.“ Er lächelt als er erläutert, dass er sich vorher vom Vormundschaftsgericht für geschäftsfähig erklären lassen musste. „Damals war man das mit 21, ich war aber erst etwas über 18.“

Schon der Vater war in der SPD

Dieses Ausgefuchste war sein Markenzeichen, gerade in der Politik. Sein erster Coup: durchzusetzen, dass mehrere Familienmitglieder im Göppinger Gemeinderat sitzen dürfen. Gelungen ist ihm das erst im zweiten Anlauf, als auch die CDU die Vorteile einer solchen Regelung erkannt hatte. „Familienzugehörigkeiten sind für den Wähler zu durchschauen, Kumpaneien sind viel gefährlicher“, erklärt er mit leiser, aber bestimmter Stimme. Das Feuer des Argumentierens lodert noch in ihm.

Der Weg in die SPD war für Frieder Birzele nicht weit. Der Vater war nach Auflösung der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) im Jahr 1957 in die SPD eingetreten, auch sein älterer Bruder Ernst, der lange Jahre im Göppinger Gemeinderat wirkte, hat das SPD-Parteibuch. Mit 23 Jahren schloss sich auch Frieder Birzele den Sozialdemokraten an und legte eine beachtliche Karriere hin: Er wurde Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, 1976 kandidierte er erstmals erfolgreich für den Landtag, dem er bis 2006 angehörte. Vier Jahre später wurde er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Als Fachmann für Rechtsfragen verschaffte er der SPD, der die undankbare Rolle der Opposition zukam, so manchen Erfolg auf dem politischen Parkett. So klagte er beim Bundesverfassungsgericht gegen die unechte Teilortswahl. Er bekam recht. Das Kommunalwahlrecht wurde dahingehend reformiert, dass Ausgleichsmandate geschaffen wurden, die das Verhältnis der abgegebenen Stimmen abbildeten. Das verschaffte der SPD 15 bis 20 Prozent mehr Gemeinderatssitze. Außerdem wirke er in zahlreichen Untersuchungsausschüssen mit. Er war auch Vorsitzender des sogenannten Späth-Ausschusses, der die Verquickung von Amt und Privatinteressen des damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth untersuchte.

Ausgedehnte Skiurlaube mit den Söhnen

Der Höhepunkt seiner politischen Karriere war seine Zeit als Innenminister. Er führte Reformen bei der Polizei durch. Mehr Personal wurde eingestellt und die Aufstiegschancen verbessert. „In meiner Zeit wurde Baden-Württemberg auch erstmals das sicherste Bundesland in der damaligen Bundesrepublik“, sagt Birzele nicht ohne Stolz. Er bewirkte auch, dass junge Migranten, vor allem Türken, ohne deutsche Staatsbürgerschaft in den Polizeidienst gehen durften. „Damals gab es noch keine doppelte Staatsbürgerschaft“, erläutert er.

So wichtig die Politik für ihn immer war, Frieder Birzele war stets auch ein Familienmensch. Weil er als Abgeordneter häufig unterwegs war, legte er großen Wert darauf, mit seinen zwei Söhnen ausgedehnte Skiurlaube zu machen. Seit einer schweren Krankheit vor sechs Jahren ist der passionierte Skifahrer nicht mehr auf den Brettern gestanden, hofft aber, das irgendwann noch einmal tun zu können. Auch als Radfahrer war er ambitioniert. Schon mit 16 Jahren radelte er mit einem Freund nach Genua. Seinen Eltern schrieb er in diesen dreieinhalb Wochen zwei Postkarten. „Eine kam, als ich schon wieder zu Hause war“, erzählt er. Auch als Politiker trat er regelmäßig in die Pedale. Einmal trieb er einen Personenschützer fast zur Verzweiflung, weil er den Anstieg auf den Hohenstaufen ohne abzusitzen bezwang. Am Schluss der Tour erklärte ihm der Mann: „Ich wäre so gern abgestiegen, aber wenn der Chef nicht absteigt, kann ich das doch nicht tun.“

Bereits in jungen Jahren ein Macher

Zur Politik geführt hat Frieder Birzele der Wunsch zu gestalten. Schon in der Schule war er Klassen- oder Schulsprecher, er organisierte Konzertfahrten und erzählt gerne, dass der Bus stets voll war. Er besuchte ein Jungsgymnasium und schrieb die Fahrten immer auch am Mädchengymnasium aus, so dass die Ausflüge nach Stuttgart eine willkommene Möglichkeit boten, Mädchen zu treffen. Auch den Tanzkurs organisierte er. Dort lernte er seine spätere zweite Frau kennen. Nach seiner Scheidung traf er sie wieder. Auch sie war geschieden. Sie heirateten. Vor knapp anderthalb Jahren ist Irene Birzele gestorben, ein weiterer Schicksalsschlag. Er kämpft mit den Tränen, als er erzählt, dass seine Frau ihm nach seiner schweren Erkrankung vor sechs Jahren gesagt habe, er sei sensibler geworden.