Jahrelang waren sie ehrenamtlich für den TV Holzheim im Einsatz, inzwischen haben Alexander Maier und seine Mutter Christina Ott den Weg ins Rathaus gefunden und gestalten dort nun die Stadtpolitik mit. Foto:  

Der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Alexander Maier (Grüne) hat familiäre Verstärkung bekommen: Künftig sitzt er zusammen mit seiner Mutter in einer Fraktion. Dabei hat sie ihre politische Heimat früher bei einer anderen Partei gesehen.

Göppingen - Brüder, etwa Horst und Erwin Singer, die einst beide in den Gemeinderat gewählt wurden, das gab es schon in Göppingen. Aber eine Mutter, die ihrem Sohn ins Stadtparlament folgt? Das ist nicht nur in Göppingen, sondern auch in den Städten in weitem Umkreis neu: Für die Grünen wurde bei der Kommunalwahl nicht nur der Landtagsabgeordnete Alexander Maier (28) wiedergewählt, seine Mutter Christina Ott (52) wurde außerdem von den Wählern vom Bezirksbeirat in den Gemeinderat befördert.

Im Gegensatz zu den Singer-Brüdern, die einst für entgegengesetzte Lager, nämlich CDU und SPD, im Stadtparlament saßen, halten Maier und Ott beide den Grünen die Treue. Dabei war Ott vor Jahren nur eingeschränkt begeistert, als ihr damals gerade mal 18-Jähriger Sohn ihr verkündete, er sei soeben der Grünen Jugend beigetreten und beabsichtige, eine Ortsgruppe in Göppingen zu gründen.

Otts Reaktion war: „Hättest Du nicht zur SPD gehen können?“

„Damals habe ich gesagt: Was bist du? Hättest du nicht zur SPD gehen können?“, erzählt Christina Ott heute lachend. Die Familie sei zwar nie besonders politisch gewesen, aber man habe sich stets der SPD nahe gefühlt – vermutlich, weil sich ein Großvater zeitlebens bei der IG Metall engagiert habe. „Aber wir waren nie ein typischer politischer Haushalt, in dem dauernd über Politik geredet wird“, erzählt die Holzheimerin.

„Wir waren eigentlich eher eine Vereinsfamilie“, sagt der Sohn. Man habe sich dem Verein vor der Haustüre, dem TV Holzheim, verbunden gefühlt. Kein Wunder, ein Großvater war dort Bademeister, Alexander Maiers Schwester spielte dort Handball. Und die Mutter übernahm im Lauf der Jahre diverse Ehrenämter, vom Wirtschaftsausschuss über die Jugendleitung beim Handball bis hin zu einem Sitz für den Verein im Handballverband. Und auch Maier half immer wieder aus.

Plötzlich ein „Pulk von Jugendlichen“ im Haus, die über Politik diskutieren

„Wenn man aus solchen Strukturen kommt und es schon gewohnt ist, sich zu engagieren, ist der Schritt zu einer Partei nicht mehr weit“, erklärt Maier seinen – für die meisten Jugendlichen eher ungewöhnlichen – Entschluss, bei den Grünen mitzumachen und mit Gleichgesinnten einen Ortsverband der Grünen Jugend in Göppingen zu gründen. Begonnen hatte sein politisches Engagement bei dem Verein Kreis Göppingen nazifrei. Den hatte er mit anderen jungen Göppingern gegründet, weil er etwas gegen den zunehmenden Rechtsextremismus tun wollte.

Der „Pulk von Jugendlichen“, der, wie sich Ott erinnert, danach regelmäßig im Haus der Familie zu Besuch war und über Themen wie Politik, Umweltschutz oder die zunehmenden Probleme mit den rechtsextremen Autonomen Nationalisten Göppingen diskutierte, brachte nicht nur für Alexander Maier, sondern auch für seine Mutter eine Wende.

Die Mutter „versehentlich mitsozialisiert“

„Wir haben meine Mutter versehentlich politisch mitsozialisiert“, sagt der junge Politiker, der seit drei Jahren für die Grünen im Landtag sitzt, lachend und ein bisschen stolz. Hinzu kam, wie Ott erzählt, dass sie mit vielen Entscheidungen der Bundes-SPD nicht mehr einverstanden gewesen sei und sich ihrer alten politischen Heimat zunehmend entfremdet gefühlt habe. Als ihr Sohn sie dann vor fünf Jahren fragte, ob sie nicht Lust habe, für den Bezirksbeirat zu kandidieren, überlegte sie nicht lange und sagte zu.

„Im Bezirksbeirat bin ich vollends auf den Geschmack gekommen“, sagt Ott heute. Sie sei zwar die einzige Grüne gewesen, aber die Bezirksbeiräte hätten alle toll zusammengearbeitet. „Wir haben uns auf der Sachebene alle immer sehr gut verstanden und an einem Strang gezogen.“

Die Holzheimerin will künftig mehr mitentscheiden können

„Nervig“ sei allerdings gewesen, dass man im Bezirksbeirat schnell an Grenzen stoße. „Bei den großen Themen konnten wir nicht viel ausrichten, denn die werden alle vom Gemeinderat entschieden“, sagt Ott. Zu den großen Themen zählt sie in Holzheim zum Beispiel die Ortsdurchfahrt. Mit anderen Bürgern gründete sie eine Initiative, die sich für ein Nachtfahrverbot für Lastwagen einsetzte, weil sie etwas gegen den zunehmenden Lärm tun wollte. Inzwischen hat der Gemeinderat zwar kein Fahrverbot beschlossen, aber begonnen, den Straßenbelag zu sanieren, und mit der ansässigen Firma Wackler vereinbart, dass diese darauf achtet, dass ihre Fahrer nicht durch den Ort fahren.

Um künftig mehr mitentscheiden zu können, ist Ott bei den Kommunalwahlen im Mai für die Grünen angetreten. Die Gemeinderatsfraktion war erfreut, die rührige Holzheimerin auf ihrer Liste zu haben – zumal zwei andere bekannte grüne Stadträtinnen bei der jüngsten Wahl nicht mehr kandidiert haben, nämlich Eva Epple und Christine Lipp-Wahl.

„Wir haben Glück, dass Göppingen eine größere Stadt ist. In Kommunen bis zu 10 000 Einwohner durften nahe Verwandte lange Zeit nicht gemeinsam im Gemeinderat sitzen“, sagt Alexander Maier. Tatsächlich hatte es auch in Göppingen einst eine „Lex Singer“ gebraucht, damit beide Singer-Brüder ins Stadtparlament einziehen durfte. Das ist für Maier und Ott heute nicht mehr notwendig.

Familienbande in der Kommunalpolitik:

Regelung:
Nahe Verwandte im Gemeinderat – kann das gut gehen? Die Gemeindeordnung regelte bis Dezember 2015 im Paragrafen 29, dass Personen, die in Kommunen mit weniger als 10 000 Einwohnern in einem Verhältnis stehen, das Befangenheit begründet, nicht beide im Gemeinderat vertreten sein können. Sprich: Verwandte durften in kleinen Kommunen nicht gemeinsam im Gemeinderat sein. In großen Städten galt dies nicht.

Gewählt:
Im Kreis Ludwigsburg beispielsweise sitzen Uwe Riedel und sein Sohn Julian Riedel gemeinsam für die Freien Wähler im Murrer Gemeinderat, in Ditzingen hat Ulrike Sautter einen Sitz bei den Grünen, ihr Sohn Sven Sautter bei der CDU. In Steinenbronn (Kreis Böblingen) heißen gleich drei CDU-Stadträte Miller: Neben Wolfgang Miller haben es bei der jüngsten Wahl auch sein Sohn Matthias und seine Tochter Verena ins Gremium geschafft. Das Vater-Tochter-Duo Giovanni Senna und Noelle Riedmüller verteilt sich dagegen auf zwei Fraktionen: Der Vater sitzt für die Freien Wähler im Rath, die Tochter für die Offene Grüne Liste.