3,3 Prozent der Finnen zeigen ein „problematisches Spielverhalten“. Foto: dpa/Marc Tirl

Finnland verdient prächtig am Monopol auf Spielautomaten, Toto und Pferderennen

Helsinki - Für die heute 26-jährige Finnin Pinja Hiltunen war als Kind das Einkaufen eine Tortur. Denn ihre Eltern blieben stets am Spielautomaten am Eingang des Supermarktes hängen und verzockten dort stundenlang ihr Geld, so dass oft nichts mehr für das Essen übrig blieb. Hiltunen bekam darum schon als Zehnjährige Panikattacken, später finanzierte sie als Teenager durch Ferienjobs die Sucht der Eltern, es folgte ein Suizidversuch und eine Therapie.

Geschichten wie diese machen gerade die Runde in Finnland und üben Druck auf den Staat aus. Denn dieser hält mit der Firma Veikkaus das Monopol auf Spielautomaten sowie Toto und Pferderennen. Die staatliche Unternehmung fährt jährlich eine Milliarde Euro Gewinn ein und zahlt 200 Millionen Euro Steuern. Hinter den Einnahmen steckt die Spielsucht vieler Finnen – rund 3,3 Prozent der Bevölkerung zeigen nach einer älteren Erhebung ein „problematisches Spielverhalten“. Dabei sollte offiziell das staatlich kontrollierte Glücksspiel zu einem mäßigen Spielen führen – so sind die Gewinne bei einem einarmigen Banditen reduziert.

900 000 Menschen von 5,5 Millionen Einwohnern sind von Spielsucht betroffen

„Nach unseren Studien hat sich die Anzahl der Problemspieler nicht signifikant geändert“, so Hannu Rininen, Vorsitzender von Veikkaus gegenüber dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender Yle. Ab 2023 sollen zudem Spieler ihre Identität in den Spielautomaten eingeben, um Missbrauch zu verhindern. Einer Bürgerinitiative, der auch Hiltunen angehört, geht dies nicht weit genug. Sie verlangt, dass die Spielautomaten aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Durch die Sucht und die Auswirkung auf Angehörige würden nach ihrer Berechnung 900 000 Menschen in dem Land mit 5,5 Millionen Einwohnern betroffen sein. Diese Statistiken wurden sicherlich nicht im „Weltglücksbericht“ berücksichtigt, in dem die UN Finnland im März bereits zum zweiten Mal zum glücklichsten Land der Welt kürten.

Der Wirtschaftswissenschaftler Pekka Mattila erhob darum im staatlichen Fernsehen schwere Vorwürfe gegen die sozialdemokratische Regierung unter Ministerpräsident Antti Rinne: Diese würde nicht auf die derzeitige Kritik an Veikkaus reagieren, um das lukrative Geschäftsmodell einfach beizubehalten. Das sture Verhalten der Regierung lässt sich auch mit dem Festhalten an einer alten finnischen Tradition und mit Patriotismus erklären – die Verstaatlichung des Glücksspiels wurde 1940 umgesetzt, um die Einnahmen für Kriegsveteranen einzusetzen. „Auch wenn du verlierst, gewinnt ein Finne“ war ein gängiger Slogan.

Kranke Spieler in Finnland lassen sich kaum behandeln

Hoffnung für Süchtige machen Forscher der Universität Helsinki. Eine jüngst veröffentlichte Studie zeigt, dass der morphinähnliche Stoff Naloxon bei spielsüchtigen Testpersonen einen Rückgang des Drucks bewirkte. Eine größerer Studie soll Anfang des Jahres veröffentlicht werden. Zwar ist Spielsucht als Krankheit auch in Finnland anerkannt, doch lassen sich Betroffene kaum offiziell behandeln.

Allgemein gilt auch im öffentlichen Verständnis in Finnland, dass die Sucht mit Willenskraft beendet werden kann. Vor allem da „Sisu“ , das in etwa mit Zähigkeit oder Beharrlichkeit übersetzt werden kann, zur gefeierten Nationaleigenschaft gehört. Dies zu hinterfragen – wie auch den globalen Marketing-Gag vom „glücklichsten Land der Welt“ – ist eine zähe Angelegenheit.