Ob aus Gewicht- oder aus Kostengründen: Viele Menschen kaufen ihre Getränke lieber in Plastikflaschen oder Blechdosen statt in Glas. Foto: Kathrin Wesely

Der Getränkehändler Hans-Peter Kastner aus Stuttgart-Vaihingen will ab August nur noch Glasflaschen verkaufen. Dafür erhielt er viel Zuspruch. Andere Getränkehändler gehen diesen Schritt dennoch bewusst nicht, bei ihnen gibt es weiter Plastik.

Filder - Komplett auf Plastik zu verzichten – das können sich die allermeisten Getränkehändler nicht vorstellen. Der Inhaber der Getränkehandlung Kastner in Stuttgart-Vaihingen ist da eine Ausnahme. Hans-Peter Kastner will vom 1. August an keine Getränke mehr in Plastikflaschen oder Dosen verkaufen, nur noch Glas soll es künftig geben.

Diese Ankündigung veröffentlichte er kürzlich in dem sozialen Netzwerk Facebook, woraufhin er etliche Reaktionen erhielt: Mehr als 2,5 Millionen Internetnutzer haben seinen offenen Brief zum Thema Müllvermeidung und Plastikverzicht mittlerweile angeklickt. Der Artikel ist mehr als 45 000 Mal geteilt und mehr als 3400 Mal kommentiert worden. Kastner hat den ausgedruckten Brief, der knapp zwei Din-A4-Seiten umfasst, an den Eingang seines Getränkemarktes gehängt – für alle, die nicht im Internet unterwegs sind. Von den meisten Kunden und Internetnutzern hat Kastner lobende Worte für seine Entscheidung erhalten. Die Konkurrenz will ihm dennoch nicht folgen – zumindest vorerst.

Trend zu Bierdosen aus Plastik

„Der Kunde bekommt bei uns das, was er will: Plastik oder Glas. Wir haben fast alle Getränke in beiden Varianten“, sagt Michael Hartmann, einer der Geschäftsführer der Degerlocher Getränkehandlung Beilharz. Erst wenn der Druck aus der Kundschaft steige, könnten sich die Geschäftsführer vorstellen, dem Beispiel des Vaihinger Kollegen zu folgen und Plastik komplett aus den Läden verbannen.

Generell forciere Beilharz zwar den Verkauf von Getränken in Glasflaschen, da es diese auch nicht im Discounter gebe, „damit grenzen wir uns ab“. Jedoch gebe es viele Kunden, die nach Plastik verlangten. „Das sind vor allem ältere Kunden und solche, die auf ihrem Heimweg Höhenmeter zurücklegen müssen. Glasflaschen sind manchen einfach zu schwer.“ Im Bierbereich erkennt Hartmann sogar einen Trend hin zu Dosen – vermutlich weil die Getränke darin sehr lange kalt blieben. Viele Kunden würden zudem sagen, dass sie zwar gerne auf Plastik verzichten würden, aber sich aus finanziellen Gründen dann doch gegen die Glasvariante entscheiden.

Festivalgäste achten kaum auf Plastikmüll, sagt der Händler

Dennoch würde man bei Beilharz merken, dass die Menschen immer sensibler werden, was Plastik betrifft. „Der Trend zum Verzicht war schon länger erkennbar, im vergangenen Herbst lief dann eine Dokumentation im Fernsehen, wo es um Plastikflaschen und Müll ging. Daraufhin wurde der Trend noch einmal deutlich stärker“, sagt Hartmann. Er stellt jedoch auch eine Art Doppelmoral fest: „Gerade jüngere Menschen, die sehr umweltbewusst sind, hinterlassen bei Festivals sehr viel Müll. Da ist der Plastikverzicht auf einmal kein Thema mehr.“

Generell müssten die Mitarbeiter in den Filialen derzeit sehr viel Aufklärungsarbeit leisten, was Getränke in Glas und Plastik betreffe. „Viele Kunden wissen zum Beispiel nicht, dass in PET-Flaschen, also in Einwegflaschen, viele Weichmacher enthalten sind. Bei Zweiweg-Plastikflaschen handelt es sich um höherwertiges Plastik mit weniger Weichmachern.“

„1,14 Euro für neun Liter Mineralwasser sind verrückt“

Auch der Geschäftsführer der Edeka-Bauer-Filialen in Leinfelden-Echterdingen und in Sillenbuch, Willi Bauer, merkt, dass die Kunden seit etwa einem halben Jahr zunehmend mehr Getränke in Glasflaschen kaufen. „Sogar ältere Leute, die nicht mehr so gut schleppen können, setzen weniger auf Plastik“, sagt er. Verstehen kann er es allemal: „Ein Mineralwasser aus einer Glasflasche schmeckt einfach viel besser als aus einer Plastikflasche.“

Preislich könne man Plastik und Glas freilich nicht vergleichen – was ihn ärgert: „Wenn man für 9 Liter Wasser im Plastik-Sechserpack lediglich 1,14 Euro bezahlen muss, dann ist das völlig verrückt“, sagt er. Mineralwasser in Glasflaschen koste locker das Drei- bis Vierfache, sei qualitativ jedoch auch um Welten besser, meint er.

Trotzdem will er vorerst auch weiterhin Getränke in Plastikflaschen und Dosen anbieten: „Konkurrenz gibt es an jeder Ecke. Ich könnte es mir nicht leisten, nur noch Getränke in Glasflaschen zu verkaufen, denn dann würden viele Kunden direkt woanders einkaufen. Der Anteil der Menschen, die bewusst auf Plastik verzichten, ist zu klein.“ Er glaubt, dass sich Hans-Peter Kastner mit der Entscheidung, nur noch Glasflaschen zu verkaufen, auch keinen Gefallen tue: „Das wird finanziell richtig hart. Die meisten Verbraucher sind noch nicht so weit.“ Unterdessen sollen noch in diesem Jahr die Plastiktüten bei Edeka Bauer abgeschafft werden.

60 bis 70 Prozent des Umsatzes mit Plastik

Auch Julian Fleck, Marktleiter des Edekas Fleck auf dem Fasanenhof, sagt: „Ich richte mich danach, was die Kunden wollen.“ Derzeit würde er noch etwa 60 bis 70 Prozent des Getränkeumsatzes mit Produkten in Plastik machen – obwohl es in seinem Supermarkt mehr Getränke in Glasflaschen gebe. Dass so viele Kunden Plastik bevorzugten, führt auch Julian Fleck vor allem auf das Gewicht zurück: „Wir haben auf dem Fasanenhof sehr viel Laufkundschaft, die wollen nicht so schwer schleppen.“

Generell sei Edeka aber nachhaltiger als viele andere Supermärkte, behauptet Marktleiter Julian Fleck. „Bei uns kann der Kunde auf viel Plastik verzichten. Zum Beispiel können bei uns Einkäufe an der Fleischtheke immer auch in eine mitgebrachte Dose gepackt werden.“ Zwar würden bisher nur etwa 5 Prozent der Kunden dieses Angebot nutzen, doch Edeka arbeite daran, die Kunden noch mehr zu sensibilisieren und entsprechende Anreize zu schaffen. „Wir haben eine Punktesammelkarte: Wer zehn Mal sein Fleisch oder Käse nicht in Plastik, sondern in eine mitgebrachte Box packen lässt oder Obst oder Gemüse in einem Mehrweg-Netz statt in einer Tüte kauft, bekommt einen Punkt. Und wenn ein Kunde zehn Punkte sammelt, pflanzt Edeka einen Baum.“