Bei Gegenwehr lassen die meisten Täter vo Opfer ab. Foto: dpa

Die Polizei gibt Tipps für mehr Sicherheit. Einer davon: Sich zu wehren lohnt sich.

Gewalt - Das ist der Horror jeder Frau: Nachts im Dunkeln von der S-Bahn heimlaufen. Und dann springt ein Mann aus dem Gebüsch und will dich vergewaltigen. „Wehren Sie sich – am besten mit Händen und Füßen“, sagt Renate Sonnet. Die Polizistin arbeitet bei der Präventionsstelle der Polizei in Fellbach und ist eine der Referentinnen des Präventionsseminars „Gewalt gegen Frauen“, das die Polizei gemeinsam mit dem Verein „Initiative Sicherer Landkreis“ veranstaltet. Sie weiß genau: Bei Gegenwehr lassen die meisten Täter von ihrem Opfer ab – und dieses kann fliehen.

Meist kennen sich Täter und Opfer

Das ist einer der vielen Tipps, die sie und die anderen Referenten den Teilnehmerinnen an zwei Theorieabenden und beim Selbstbehauptungstraining mitgeben. Ziel sei, dass die Frauen lernen, Gefahrensituationen zu erkennen und frühzeitig zu reagieren – oder erst gar nicht in eine schlimme Lage zu kommen. Dabei seien die typischen Angsträume wie dunkle Unterführungen, Tiefgaragen oder unübersichtliche Parks statistisch gar nicht so gefährlich. Leider, so Sonnet, kämen überfallartige Vergewaltigungen – siehe Eingangsszene – zwar selten, aber immer wieder vor. Allerdings gebe es objektiv viel gefährlichere Situationen, wie sie den Teilnehmerinnen erklärt: Dann nämlich, wenn sich Täter und Opfer bereits kennen, sei es aus einer flüchtigen Begegnung auf einem Straßenfest oder auch aus einer längeren Beziehung, sei es aus dem Internet oder aus der Firma. Einer ihrer Tipps: „Treffen Sie sich niemals mit einer Internetbekanntschaft an einem einsamen Ort.“ Am besten für ein erstes Treffen seien öffentliche Plätze, etwa ein Café. Auch nach einem Fest sollte sich niemand mit einer flüchtigen Bekanntschaft zurückziehen. Erst recht nicht, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind. Dann habe das Opfer weniger Reaktionsmöglichkeiten – und die Hemmschwelle des Täters sei heruntergesetzt. Ebenfalls riskant könnte sein, sich nach der Weihnachtsfeier vom Kollegen heimfahren zu lassen. „Die Frauen rechnen in solchen Situationen nicht mit einem Übergriff“, sagt Sonnet.

„Es ist in den meisten Fällen nicht der Unbekannte, der die Tat verübt“, betont auch Leo Keidel. Der hauptberufliche Polizist ist Geschäftsführer des Vereins „Initiative Sicherer Landkreis“. Die Zahlen der Ordnungshüter sprechen eine eindeutige Sprache: In einer Wohnung oder einem anderen geschlossenen Raum sei es statistisch deutlich wahrscheinlicher zum Opfer einer Vergewaltigung zu werden als irgendwo draußen.

Die Seminare gibt es seit 1997

Das Präventionsseminar, das es bereits seit 1997 gibt, will informieren, aufklären und Frauen stark machen. So spricht die Psychologin Marei Schmitt unter anderem über Ängste und die eigenen Rechte und auch darüber, was genau Notwehr ist. Renate Sonnet bringt zudem das Thema Grenzverletzung ein. „Das bestimmt das Opfer“, betont sie.

Im theoretischen Teil des Seminars spricht Sonnet mit den Frauen auch über Abwehrwaffen. „Viele unserer Teilnehmerinnen haben ein Pfefferspray in der Tasche“, berichtet Sonnet. Doch im Kurs macht sie klar: Dieses Hilfsmittel kann auch vom Täter genutzt werden, um einen selbst außer Gefecht zu setzen. Und: Den Einsatz von Pfefferspray muss man üben. „Es ist ein Trugschluss, dass man mit dem Spray etwas Sicheres dabei hat.“ Helfen könnte solch ein Fläschchen in der Tasche trotzdem manchen Frauen – nämlich psychologisch: Denn wer sich durch diese Spray in der Tasche sicherer fühlt, geht auch mit einer anderen Körpersprache etwa durch den Park. Und ein potenzieller Täter stürze sich eher auf ein bereits verängstigt wirkendes Opfer als auf jemanden, der selbstbewusst durch die Nacht schreite.

„Es gibt so viele mögliche Gefahrensituationen“, sagt Renate Sonnet. Es sei wichtig, dafür die Sinne zu schärfen. Aber: „Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht“, betont Sonnet.

Das Polizeipräsidium Aalen und der Verein „Initiative Sicherer Landkreis“ bieten drei Mal im Jahr und zusätzlich auf Anfrage für größere Gruppen ein Präventionsseminar für Frauen zum Schutz vor Gewalt an. Interessentinnen können sich unter 07 11 / 5 77 22 10 bei der Präventionspolizei in Fellbach melden. Derzeit läuft bereits das 75. Seminar seiner Art.