Keine Angst vor Mathe Foto: stock.adobe.com

Mädchen und Jungen in Mathe und Naturwissenschaften getrennt unterrichten, damit sie besser lernen – das kann sich Stefanie Hubig, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, vorstellen. Was sagt Kultusministerin Eisenmann dazu?

Stuttgart - Seit Jahren werben Schulverwaltung und Wirtschaft bei Schülerinnen für die so genannten Mint-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Der Erfolg hält sich in Grenzen. Junge Frauen entscheiden sich noch immer deutlich seltener für ein Studium in diesem Bereich als Männer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Wintersemester 2018 rund 23 Prozent der Studienanfänger in der Informatik und im Maschinenbau weiblich, in der Elektro- und Informationstechnik 17,5 Prozent, in der Physik es 30,5 Prozent. Nur in Mathematik waren es mit 51,8 Prozent mehr Anfängerinnen.

An mangelnder Begabung liegt es nicht – internationale Vergleichsstudien wie Pisa zeigen, dass in vielen Ländern die Mädchen in diesen Fächern besser abschneiden als in Deutschland, und dass die Unterschiede zu den Jungen geringer sind oder gar nicht existieren. Es hänge vor allem am Image der Fächer und an der Vermittlung, mutmaßen Wissenschaftler. Mathe, Physik oder Chemie halten viele hierzulande immer noch für „unweiblich“. Deshalb stellten Mädchen bei diesen Themen ihr Licht häufig unter den Scheffel.

Lehrerverband warnt

Um dem entgegenzuwirken, könnten Mädchen und Jungen in Fächern wie Mathe und Physik zeitweilig getrennt unterrichtet werden, meint die rheinland-pfälzische Kultusministerin Stefanie Hubig (SPD). „In Klassen ohne Jungen lassen sich Mädchen häufig leichter für Physik begeistern“, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die selbst zeitweise eine Mädchenschule besucht hatte, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland – und erntete Widerspruch.

Getrennter Unterricht könne dazu führen, dass das Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen tendenziell wieder verkrampfter würde, warnte der Präsident des deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger. Extraklassen für Jungen und Mädchen seien heute bereits möglich, würden aber von Schülern und Eltern häufig abgelehnt.

„Geschlechterklischees auflösen“

Auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hält wenig davon. „Ich bezweifle, ob ein getrennter Unterricht dazu führen wird, dass sich mehr Mädchen für Technik und Mint-Berufe begeistern lassen“, sagte sie. Studien wie der IQB-Bildungstrend belegten, dass die Mädchen inzwischen auch in den Naturwissenschaften die Nase vorn hätten. Auf die Berufswahl scheine sich dies jedoch nicht auszuwirken. „Oft unterschätzen Mädchen ihre naturwissenschaftlichen-technischen Fähigkeiten oder werden von der Vorstellung geprägt, Mint sei ‚männlich‘“, so Eisenmann. „Deshalb setzt unsere berufliche Orientierung an den Schulen daran an, Geschlechterklischees aufzulösen und die Attraktivität der MINT-Berufe zu steigern.“ Auch die vom Land geförderten Schülerforschungszentren trügen dazu bei, „Mädchen in besonderer Weise zu fördern und gleichzeitig Spaß an naturwissenschaftlichen Fragestellungen zu vermitteln“.

Gerade dass die Mädchen ihre Fähigkeiten unterschätzen, wäre für Doro Moritz ein Grund, Mädchen und Jungen zeitweise getrennt zu unterrichten. Die Schulen hätten die Möglichkeit dazu, diese werde allerdings kaum genutzt, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Dabei sei der Erfolg nachweisbar.

Auch Jungen profitieren

Neu ist die Idee von Hubig nämlich nicht. Bereits in den 1990er Jahren gab es in Baden-Württemberg Modellversuche. An mehreren Gymnasien lernten Mädchen und Jungen in der Oberstufe Mathe und Physik in getrennten Gruppen. Das Interesse und die Leistungen der Mädchen seien deutlich gestiegen, berichtete damals Projektleiterin Elisabeth Frank. Von dem neuen Unterricht profitierten nicht nur die Mädchen. Weil er auch praktisch angelegt war – beispielsweise das Thema Schwerkraft auch mit dem eigenen Körper erkundet wurde – interessierten sich auch mehr Jungen dafür.