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Gesundheitsexperte der Bundesregierung, fordert eine Bündelung der zersplitterten Regelungen.

Berlin - Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, ist ein Befürworter der Gesundheitsprämie. Die wäre nach seiner Ansicht wesentlich gerechter als das bisherige Beitragsmodell.

Herr Zöller, sind Sie eigentlich privat oder gesetzlich versichert?

Ich bin gesetzlich krankenversichert.

Dann kennen Sie ja die Nöte der Kassenpatienten: zum Beispiel lange Wartezeiten und die Bevorzugung der Privatversicherten, was Termine angeht. Das kann man als erniedrigend empfinden.

Das stimmt. Man muss die Ursachen bekämpfen: Wenn Ärzte ihr Budget zum Quartalsende ausgeschöpft haben, sehen manche ganz nüchtern, dass sie bei Privatpatienten noch Geld bekommen, bei Kassenpatienten aber nicht mehr den vollen Satz. Ihr Verhalten ist also psychologisch verständlich. Aber Vertragsärzte haben einen Kontrakt unterschrieben, wonach sie auch den gesetzlich Versicherten zeitnah eine Behandlung zukommen lassen. Darauf muss man dringen. Ich rate Patienten, die Wartezeiten als zu lang empfinden, sich an die Krankenkasse oder an die Kassenärztliche Vereinigung zu wenden - die hat den Sicherstellungsauftrag. Eine Vertröstung durch einen Facharzt auf einen Termin in einem Vierteljahr wäre sicher nicht hinnehmbar.

Am Anfang des Quartals gibt es ein anderes Ärgernis - die Praxisgebühr. Kann man die nicht abschaffen?

Bei der Einführung der Praxisgebühr hatte man sich neue Einnahmen von 2,4 Milliarden Euro versprochen. Inzwischen gibt es immer mehr Kassen, die Hausarztverträge oder Chronikerverträge abschließen. Patienten, die bei einem solchen Programm mitmachen, brauchen nur noch einmal die Praxisgebühr zu zahlen. Wenn das die Regel wird und wir irgendwann nur noch, sagen wir, ein Viertel der erhofften Summe einnehmen, dann stellt sich die Frage, ob wir die Gebühr nicht gleich ganz abschaffen sollten. Derzeit betragen die Einnahmen aber noch rund 1,8 Milliarden Euro. Ich werde die Entwicklung genau verfolgen.

Noch ein Ärgernis: Patienten machen die Erfahrung, dass Kassen immer wieder mal bestimmte Leistungen ablehnen. Was raten Sie in solchen Fällen?

Erst sollte man den Arzt fragen, ob das Verordnete wirklich notwendig war. Wenn dem so ist, muss der Patient die Aufsichtsbehörde einschalten. Schon die Frage zeigt mir erneut, dass es höchste Zeit für ein Patientenrechte-Gesetz ist.

Was soll da drin stehen?

Die zersplittert niedergelegten Patientenrechte müssen übersichtlich gebündelt werden. Der Patient soll nicht um sein Recht kämpfen müssen. Es muss ihm a priori verbürgt sein. Der Patient soll ein Recht auf Informationen über die verschiedenen möglichen Behandlungsmethoden erhalten. Unabhängige Beratungen müssen gestärkt werden. Ich möchte zum Beispiel, dass der Modellversuch "Unabhängige Patientenberatung Deutschlands" als Regelleistung anerkannt wird. Grundsätzlich kommen mir ärztlichen Hinweise auf Alternativen heute noch zu kurz. Das Thema Kostentransparenz ist zudem wichtig.

Opfer von Ärztefehlern müssen es leichter haben

Soll der Patient automatisch eine Rechnung über die verursachten Kosten erhalten?

Derzeit kann ja eine Rechnung auf Wunsch des Patienten angefordert werden. Diese Freiwilligkeit soll den Bürokratieaufwand gering halten. Wer wirklich Transparenz will, muss auch die Patientenquittung flächendeckend anbieten. Heute ist es doch so, fragt man nach der Quittung, wird einem manchmal Vertrauenverlust attestiert.

Eine andere Sorge: die Angst vor Ärztefehlern.

Richtig. Auch das soll im Patientenschutzgesetz aufgegriffen werden. Wir brauchen ein Fehlermanagement der Kliniken und der niedergelassenen Ärzte. Fehler und Beinahefehler müssen registriert werden, damit man daraus Verbesserungen für die Zukunft ableiten kann. Das funktioniert natürlich nur anonymisiert und sanktionsfrei. Verbessert werden müssen auch die Rechte der Opfer von Ärztefehlern. Bisher muss der Patient erstens den Behandlungsfehler nachweisen und zweitens auch noch die Kausalität zwischen dem Fehler und dem eingetretenem Schaden, was nicht einfach ist, da immer Vorerkrankungen eine Rolle spielen können. Hier will ich eine Beweislasterleichterung für die Patienten.

Bis wann soll das Gesetz fertig sein?

Ich will bis Ende des Jahres das Diskussionspapier fertig haben. 2011 soll das Gesetz verabschiedet werden.

Befürworten Sie die Gesundheitsprämie?

Wir haben ja jetzt schon eine einheitliche Prämie - nämlich für diejenigen, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze von 3750 Euro verdienen. Die zahlen alle einheitlich den Höchstbetrag. Nur ist das jetzige System ungerecht: Wer als Single 7500 Euro verdient, zahlt den Höchstbeitrag. Wenn zwei Ehepartner je 3750 Euro verdienen, zahlen sie zweimal den Höchstbetrag. Ein Prämiensystem mit sozialem Ausgleich wäre wesentlich gerechter.

Nur lässt sich der automatische Sozialausgleich nicht hinbekommen.

Das müssen wir schaffen. Die Alternative ist, dass der Finanzausgleich - wie bisher - nur von den Beitragszahlern zu erbringen ist. Das ist nicht gerecht. Und diese Ungerechtigkeit wird aufgrund der demografischen Entwicklung weiter zunehmen. Die steigende Zahl der Rentner hat negative Auswirkungen auf die Einnahmen im Gesundheitswesen. Sie können dieses demografische Problem nicht über Beiträge regeln.

An der CSU wird ein begrenzter Einstieg in die Gesundheitsprämie in dieser Legislaturperiode nicht scheitern?

In dem Moment, wo klar ist, dass der automatische Sozialausgleich funktioniert, bin ich fest davon überzeugt, dass wir dafür eine ganz klare Mehrheit bekommen, mit Unterstützung der CSU.